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Debatte um Volksbegehren "Pro Reli"Kirchenkritiker soll widerrufen

Evangelische Landeskirche zitiert "Pro Reli"-kritischen Pfarrer zu sich. Ob er beim Vorladungstermin widerruft, lässt er offen. Senat muss das Datum des Volksentscheids bis 24. Februar festlegen.

Im Zentrum des Widerstands: Die Friedrichstadtkirche neben dem Französischem Dom auf dem Gendarmenmarkt Bild: REUTERS

Innerhalb der Kirche verschärft sich der Konflikt um den Religionsunterricht in Schulen. Am 12. Februar muss der "Pro Reli"-kritische Pfarrer der Friedrichstadtkirche, Stephan Frielinghaus, bei der Evangelischen Landeskirche zu einem Gespräch antreten. Frielinghaus unterstützt die Gegeninitiative "Christen pro Ethik". Weil sich das Kirchenparlament, die Synode, klar für "Pro Reli" ausgesprochen hat, fordert die Kirche von dem Pfarrer Loyalität. Offenbar gibt es weitere Pfarrer, die wegen ihrer kritischen Haltung Probleme haben.

Die Initiative "Pro Reli" fordert, dass Schüler zwischen Religion und dem bisher für alle verpflichtenden Fach Ethik wählen können. Derzeit lässt sich Religion nur als Zusatzfach belegen. Per Volksbegehren hatte die Initiative durchgesetzt, dass es darüber einen Volksentscheid gibt.

Der Landeswahlleiter gab dazu am Mittwoch das offizielle Ergebnis bekannt. Demnach waren von 307.000 Unterschriften 265.823 gültig. Den von zwischenzeitlich nur 8 auf jetzt über 13 Prozent gestiegenen Anteil ungültiger Unterschriften erklärt die Wahlleitung damit, dass manche gegen Ende der Sammlung ein zweites Mal unterschrieben hätten. Das Ergebnis wird am Montag im Amtsblatt veröffentlicht. Von da an hat der Senat 15 Tage - bis zum 24. Februar - Zeit, einen Termin für den Volksentscheid festzusetzen. Als möglicher Termin gilt der 26. April.

Pfarrer Frielinghaus ließ es gegenüber der taz offen, ob er dem Druck der Kirche nachgibt und sich nicht mehr kritisch äußert. Mehr will er vor dem Treffen nicht sagen. Laut Landeskirche handelt sich bei dem Gespräch nicht um eine disziplinarische Maßnahme. Allerdings: Wenn der Pfarrer seine kritische Einstellung nicht widerruft, drohen ihm nach dem Pfarrerdienstrecht zumindest theoretisch disziplinarische Maßnahmen. Die reichen von einer Ermahnung über eine Versetzung bis hin zur Entfernung aus dem Dienst. Als "Luther vom Gendarmenmarkt" - dort steht seine Friedrichstadtkirche - wollte sich Frielinghaus trotzdem nicht bezeichnen lassen. Luther war 1521 zum Reichstag in Worms vorgeladen, um seine Ansichten zu widerrufen. Dort fiel angeblich sein Satz: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders."

Der Sprecherin der Initiative "Christen pro Ethik", der Theologin Ruth Priese, ist kein ähnlicher Fall wie der von Frielinghaus bekannt. "In vielen Gesprächen taucht aber immer wieder der Vergleich mit der DDR auf", sagte sie der taz. Laut Priese gibt es mehrere "Pro Reli"-kritischer Pfarrer, die wegen ihrer Haltung Probleme in ihren Gemeinden bekommen haben.

Kirchensprecherin Heike Krohn bestätigte zudem, dass es Kirchenaustritte aus Protest gegen "Pro Reli" gibt. Eine genaue Zahl mochte sie nicht nennen.

Anders als die Initiative "Pro Ethik" gab Krohn aber Auskunft, mit wie viel Geld die Kirche die Kampagne unterstützte: Rund 100.000 Euro seien in eine Briefaktion geflossen. "Pro Reli" habe man direkt kein Geld gegeben. "Christen pro Ethik" hatte "Pro Reli" aufgefordert, über die Kosten ihrer Kampagne und ihre Großspender zu informieren. "Wieso sollten wir Zahlen nennen?", äußerte sich "Pro Reli"-Chef Christoph Lehmann gegenüber der taz. Laut Gesetz sind nur Einzelspenden von mehr als 50.000 Euro beim Landeswahlleiter anzuzeigen. Solch eine Anzeige gabe es dort bislang nicht.

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3 Kommentare

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  • A
    anke

    Bis zu den Stein-Hardenbergschen Reformen muss man wohl nicht zurück gehen, um zu ahnen: Die Evangelischen Landeskirche übertreibt mit ihren disziplinarische Maßnahme. Artikel 4 Grundgesetz erklärt nicht nur die Freiheit des Glaubens, sondern auch die Freiheit des Gewissens zum unverletzlichen Bürgerrecht. Außerdem kann, wer mag, in Artikel 5 nachlesen, dass in Deutschland keine Zensur stattfindet und jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Ein Bürgerrecht auf Loyalität hingegen gibt es nicht. Auch nicht für Kirchenleitungen. Nachdem diese das Grundgesetz regelmäßig für sich in Anspruch nehmen, wenn es um ihre eigenen Rechte geht, sollten sie sich auch mit Blick auf ihre Mitarbeiter daran halten. Ein Pfarrer ist, anders als der Doppelpassinhaber Papst) in aller erster Linie ein Staatsbürger der Bundesrepublik. Seinem Arbeitgeber ist er gewiss bestimmte Leistungen schuldig. Die Aufgabe seiner staatsbürgerlichen Rechte gehört jedoch ganz bestimmt nicht dazu.

  • CR
    christine rölke-sommer

    Huch! Ich les ja wohl nicht richtig!

    „Weil sich das Kirchenparlament, die Synode, klar für „Pro Reli“ ausgesprochen hat, fordert die Kirche von dem Pfarrer Loyalität.“ ???

    Und ich dummes Huhn dachte, „Pro Reli“ sei eine Bürgerinitiative, in der und für die sich natürlich auch Berufschristen engagieren könnten. Gut, mir kamen Zweifel daran, als mich ein Brief meines Landesbischofs erreichte, in dem er bat, ich möchte doch… und als mir erzählt wurde, dass die Unterschriftenliste von „Pro Reli“ in manchen bis vielen Kirchen dem gottesdienstlichen Gesängeblatt beigefügt war, kamen mir noch mehr Zweifel. Aber dass es schon so schlimm steht mit der Bekenntnisfreiheit – das hätte ich nicht gedacht! Mir scheint, da hat die Landeskirche noch einiges von dem aufzuarbeiten, was Aufklärung alles beinhaltet. Unter anderem, dass in Preußen die Leibeigenschaft im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen aufgehoben wurde, vor so ungefähr 200 Jahren. Was das für Berufschristen in ihrer Eigenschaft als Bürger austrägt, das gehört wohl auf der nächsten Synode in allen Details durchbuchstabiert.

  • HM
    Hans Martin

    Für die doppelten Namen könnte es theoretisch auch einen anderen Grund geben: Sollten übereifrige Unterschriftensammler einfach ganze Gemeinderegister abgeschrieben haben? Der Landeswahlleiter prüft schließlich nicht, ob jemand tatsächlich unterschrieben hat, sondern nur, ob Name und Anschrift zu einer wahlberechtigten Person gehören. Wenn die Person dann tatsächlich unterschrieben hat, käme es zur Dopplung.