Debatte um Umzug: Weite Reise für Müllwagen
Ein Teil der Müllabfuhr der Firma Nehlsen soll vom Stadtrand nach Hastedt umziehen. Die ökologischen Folgen sind im Betriebsrat umstritten.
In Hastedt könnte es demnächst ziemlich laut werden. Die Müllabfuhr zieht nämlich bald um, nach über 20 Jahren. Also: Nicht die ganze, aber doch knapp 90 Leute, sagt der Betriebsrat der Bremer Entsorgungsbetriebe (ENO), die heute Entsorgung Nord GmbH heißen und zu Nehlsen gehören. In der Bennigsenstraße könnten deswegen schon bald, jeden Morgen, 30 bis 40 Müllwagen „vom Hof donnern“, sagt ENO-Betriebsrat Kurt Abeler. Bislang ist dort nur eine Recycling-Station untergebracht, in Nachbarschaft der Feuerwache und einer ansonsten eher beschaulichen Wohngegend.
Der Betriebsrat kämpft derzeit noch gegen den Umzug, verhindern kann er ihn aber wohl nicht. Für die betroffenen Müllwerker fürchtet Abeler „eine ganz große Verschlechterung“. Auch für die Umwelt: Denn künftig müssten die Müllwagen nach dem Abladen am zwischen Blockland, Unisee und Tierheim gelegenen Müllheizkraftwerk- und Deponiestandort Oken nochmals durch die ganze Stadt fahren.
Rund zehn Kilometer extra sind das, sagt Abeler, Tag für Tag – „und das bei einem Unternehmen, das sich so für den Umweltschutz und das Energiesparen einsetzt und ganz viel Werbung mit seinem Hybridmüllwagen macht“. Der Umzug folge rein wirtschaftlichen, nicht etwa umweltfreundlichen Erwägungen, kritisiert Abeler.
Bei der ENO und ihrem Mutterkonzern Nehlsen sieht man das anders. Nach dem Umzug sei „die Mehrzahl“ der Müllautos „ökologischer eingesetzt“, sagt Firmensprecher Michael Drost. Er sei sich sicher, dass sich „die Gesamtsituation“ ökologisch und ökonomisch „verbessere“, für den Konzern und für seine MitarbeiterInnen.
Auch das firmeneigene Programm „pro Klima“ werde durch den Umzug „unterstützt“. Das sieht unter anderem vor, dass der Energieverbrauch „um mindestens 13 Prozent pro Jahr“ sinkt. Daneben müsse sich Nehlsen als expandierendes Unternehmen regelmäßig die Frage der optimalen Auslastung seiner rund 60 Standorte stellen. „Für die Müllabfuhr in Bremen reduzieren sich durch den Umzug die Fahrtwege und damit die Energieverbräuche und die CO2-Belastung aus diesen Verkehren“, so Drost.
Beim ENO-Betriebsrat befürchtet man indes nur Nachteile – auch für die MitarbeiterInnen: Am neuen Standort gebe es zu wenig Parkplätze und keine Kantine. Die Sozialräume seien „deutlich schlechter“ ausgestattet, sagt Abeler, weil Nehlsen dort „seit 16 Jahren keinen Euro in die Renovierung und Instandhaltung“ gesteckt habe. Doch auch hier widerspricht die Firma: „Im Rahmen des Umzugs werden die Räumlichkeiten renoviert“, verspricht Drost.
Beim zuständigen Ortsamt sind nur Planungen bekannt, „die dortige Recyclingstation auszubauen“, heißt es dort. Es solle, so Ortsamts-Mitarbeiter Theodor Dorer, die Möglichkeit geprüft werden, dort zukünftig auch privaten Sperrmüll abzugeben. Mehr wisse er nicht – und der Ortsamtsleiter sei momentan im Urlaub.
Für Irritationen im Betriebsrat sorgte auch eine Stellenanzeige der Bremer Zeitarbeitsfirma TM Personalservice. Dort wurden für die städtische Müllentsorgung aktuell 20 Müllkutscher und 25 Müllwerker gesucht – bezahlt nach dem Zeitarbeitstarif, aber in unbefristeter Anstellung.
Nach einer Anfrage der taz ruderte Nehlsen wieder zurück: „Der Text der Anzeige und der Bedarf an Mitarbeitern wurde von uns nicht autorisiert“, sagt Drost. „Die Anzeige wurde bereits gelöscht.“ Zwar suche Nehlsen „regelmäßig zur Überbrückung der Sommerzeit und kurzfristigen Auftragsspitzen“ Mitarbeiter, auch bei der fraglichen Zeitarbeitsfirma. Der aktuelle Bedarf liege aber „deutlich“ unter den 45 ausgeschriebenen Stellen.
Im Übrigen hätten auch Zeitarbeiter die Chance auf einen festen Arbeitsplatz, so Drost. Allerdings zahlt Nehlsen nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di neu eingestellten Leuten 20 Prozent und mehr unter Tarif.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!