Debatte um Rüstungsprojekt: Neue Vorwürfe gegen de Maizière
Der Verteidigungsminister kommt nicht zur Ruhe. Während der Drohnen-Untersuchungsausschuss seine Arbeit beendet, wird ein Hubschrauberprojekt zum Problem.
BERLIN dpa/rtr/taz | Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist erneut mit Vorwürfen wegen eines Rüstungsprojekts konfrontiert. Trotz erheblicher Zweifel treibe das Verteidigungsministerium den Kauf mehrerer „mehrrollenfähigen Hubschrauber“ NH90 im Wert von 915 Millionen Euro voran, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Montag.
Das Blatt beruft sich dabei auf einen unter Verschluss gehaltenen Bericht der Bundeswehr vom Juli 2011, der ihm nach eigenen Angaben vorliegt. Darin komme die Bundeswehr zum Ergebnis, dass der von Eurocopter produzierte Hubschrauber für die Marine ungeeignet sei.
Trotzdem plane das Verteidigungsministerium, 18 dieser Hubschrauber in der Version NFH NGEN Sea Lion für die Seestreitkräfte zu kaufen. Die Zeitung beruft sich zudem auf Marine-Experten, die die Folgekosten des Vorhabens auf 2,75 Milliarden Euro schätzen, von denen vor allem Eurocopter profitiere.
Der Bericht vom Juli 2011 fasst dem Blatt zufolge das Ergebnis einer Ausschreibung zusammen, in deren Folge sich die Marine für die Beschaffung eines Hubschraubers der amerikanischen Firma Sikorsky ausgesprochen habe. Das Bieterverfahren sei jedoch vom Verteidigungsministerium Ende Oktober 2011 mit der Begründung aufgehoben worden, die erforderlichen Haushaltsmittel stünden nicht zur Verfügung. Das Verteidigungsministerium wies der Zeitung gegenüber die Kritik am Vergabeverfahren zurück. Es bestehe keine Verpflichtung zur Ausschreibung, sagte ein Ministeriumssprecher der FAZ.
Rücktrittsforderungen erneuert
Unterdessen kommt an diesem Montag der Untersuchungsausschuss zur "Euro Hawk"- Affäre nach zweimonatiger Arbeit zur abschließenden Sitzung zusammen. In der Rekordzeit von zwei Monaten hatte er 18 Zeugen befragt und 1500 Akten ausgewertet. Noch nie wurde eine Untersuchung des Bundestags so schnell abgeschlossen.
SPD und Grüne werfen Thomas de Maizière in ihrer abschließenden Bewertung schweres Versagen vor und fordern erneut seinen Rücktritt. „Thomas de Maizière hat sich als ungeeignet für dieses Amt erwiesen“, heißt es in dem 78-seitigen Sondervotum der Oppositionsfraktionen zur Arbeit des Drohnen-Untersuchungsausschusses des Bundestags. Die Untersuchungen hätten gezeigt, dass personelle Konsequenzen insbesondere in der Leitung des Ministeriums dringend notwendig seien. „Der Minister sollte seiner Verantwortung nachkommen und hier bei sich selbst beginnen.“
De Maizière will erst beim Stopp des Programms von den massiven Schwierigkeiten erfahren haben. Die Opposition zweifelt das an. Der Minister habe seinen wahren Kenntnisstand geleugnet, um Versäumnisse seiner Amtsführung zu kaschieren, heißt es in ihrer Bewertung, die der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt. „Es ist für einen Minister nicht egal, ob man seinem Wort glauben kann oder nicht. Er hat jegliches Vertrauen verloren.“
Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff sprach am Sonntag von „haltlosen Vorwürfen“. Die Risiken der Zulassung seien seit 2001 bekannt und von den rot-grünen Bundesregierungen vernachlässigt worden. Konsequenz sollte aus Sicht der Unions-Fraktion sein, dass es künftig für solche Vorhaben ein einheitliches europäisches Zulassungsverfahren geben müsse.
Weitere Pannen
Nach einem Bericht des Handelsblatts (Montag) hat das Verteidigungsministerium in der „Euro Hawk“-Affäre Versäumnisse beim Datenschutz verheimlicht. Die Aufklärungstechnik der Drohne könne sensible Kommunikationsdaten abgreifen und solle nach dem Willen de Maizières trotz gescheiterter Serienbeschaffung des „Euro Hawks“ auf einer anderen Trägerplattform weiterverwendet werden. Ein Datenschutzkonzept aber, das die Aufzeichnung von Daten unbeteiligter Dritter verhindert, hat das Ministerium laut Zeitung nicht erarbeitet. Mitarbeiter des Ministeriums hätten offenbar sogar versucht, diesen Patzer gezielt zu vertuschen - dies gehe aus Unterlagen hervor, die dem Handelsblatt vorliegen.
Auch Materialprobleme machen der Bundeswehr weiter zu schaffen. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete, stürzten Ende Mai vor Norwegen zwei von der Korvette „Magdeburg“ verschossene Lenkflugkörper ab, die jeweils eine Million Euro kosten. Die erste Rakete sei wegen eines „einmaligen Produktionsfehlers“ abgestürzt, bei der zweiten habe es einen Fehler im Kraftstoffsystem gegeben, laute die Erklärung der Bundeswehr, die an dem System festhalte. Die Flugkörper sollten von den Lieferfirmen nachgebessert werden, im kommenden Jahr solle es eine erneute "Einsatzprüfung" geben.
Die „Magdeburg“ gehört zum 1. Korvettengeschwader, das aus insgesamt fünf Schiffen der sogenannten Braunschweig-Klasse besteht. Wegen einer Pannenserie hatte sich die Inbetriebnahme der fünf insgesamt 1,2 Milliarden Euro teuren Korvetten um rund vier Jahre verzögert.
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