Debatte um Mohammed-"Film": "Es geht um Hetze!"
Der Leiter des Zeughauskinos erklärt, warum sich Berliner Kinos nicht dafür hergeben sollten, das umstrittene Mohammed-Video zu zeigen.
taz: Herr Frieß, die rechtspopulistische Partei Pro Deutschland hat das islamfeindliche Schmähvideo auf ihrer Internetseite veröffentlicht, außerdem will sie es in einem Berliner Kino zeigen. Was halten Sie davon?
Jörg Frieß: Es soll natürlich nicht gezeigt werden!
Warum nicht?
Wenn sich eine Minderheit in dieser Mehrheitsgesellschaft gegen die öffentliche Vorführung eines Filmes ausspricht mit dem Argument, dass er ihre Gefühle verletzt, dann ist ein solches Votum wenigstens ein bedenkenswerter, wenn nicht sogar ein hinreichender Grund, einen Film nicht zu zeigen.
Die Freiheit der Kunst hat also doch Grenzen?
Ja, absolut.
Könnte man so einen Film im Kino nicht viel kontrollierter zeigen als im Internet, wo er einfach geklickt wird?
Allerdings. Insofern ist es interessant, dass das Kino von dieser Partei als Bedrohung aufgebaut wird. Denn das Kino hat ja als sozialer Ort die Möglichkeit, Menschen zum Gespräch einzuladen. Wir zeigen im Zeughauskino unter anderem sogenannte Vorbehaltsfilme, Propagandafilme aus der Nazizeit. Wir betten diese Vorführungen aber ein: Es gibt eine Einführung und eine Diskussion. Das wird uns von den Verleihern auch so vorgegeben. Wir betreiben also so etwas wie Aufklärung. Der Charakter der Veranstaltung, die Pro Deutschland plant, ist aber ein ganz anderer. Die Schlagrichtung ist klar: Es geht um Hetze.
Ist das Video nicht auch zu schlecht gemacht, als dass man es im Kino zeigen wollte?
Die Qualität des Filmes spielt keine Rolle. Wir zeigen immer wieder auch nationalsozialistische Propagandafilme, die von sehr geringer dramaturgischer und ästhetischer Qualität sind. Es ist wichtig, dass man sich auch diese anschaut – als Teil der deutschen Geschichte.
leitet seit August 2006 die Kinemathek des Deutschen
Historischen Museums.
Wenn sich die Aufregung einmal gelegt hat – würden Sie das Video dann also zeigen?
Im Augenblick löst dieses Video zu viel aus. Es erfüllt hier und jetzt eine ganz klare politische Funktion: Mit der Veranstaltung, die Pro Deutschland ankündigt, soll gegen die Muslime mobilisiert werden. Wenn aber eines Tages eine souveräne Auseinandersetzung mit dem Film möglich sein sollte, von der Aufführung des Films keine Gefahr mehr ausgeht und etwa auch muslimische Gruppen dies befürworten: Warum nicht?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Die Sandale als Streitfall