Debatte um Jugendgewalt: Symbolischer Flurschaden

Die CDU schießt gegen das Jugendstrafrecht. Die praktischen Folgen der Vorschläge zur Verschärfung aber sind gering.

Bisher gibt es nur eins ins Hessisch Sibirien. Die CDU will Erziehungscamps sogar "flächendeckend" ausbauen. Bild: dpa

FREIBURG taz Die Forderungen der Union nach härteren Sanktionen im Jugendstrafrecht sind überwiegend symbolischer Natur. Ihre Hauptwirkung und damit auch ihr Hauptschaden besteht darin, dass die Union das derzeitige Jugendstrafrecht in Zweifel zieht und so die ohnehin fragile Akzeptanz in der Bevölkerung weiter untergräbt.

Das aktuelle Recht geht davon aus, dass fast jeder Jugendliche einmal eine Straftat begeht und auch schwerere Jugendkriminalität in der Regel nur eine Episode ist. Das Jugendstrafrecht dient deshalb in erster Linie der Erziehung und nicht der Abschreckung. Sanktionen wie Haft, die vor allem die Verankerung in kriminellen Subkulturen stärken, sollen nach Möglichkeit vermieden werden. Bevorzugt werden daher Maßnahmen wie gemeinnützige Arbeitsstunden oder Antigewalttrainings.

Die Union fordert dagegen gebetsmühlenartig einen in ihren Ohren gut klingenden Warnschussarrest, der neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden soll. Sie übersieht dabei, dass die meisten Jugendlichen längst schon mehrwöchige Arreststrafen für andere Delikte erhalten haben, bevor eine Freiheitsstrafe verhängt und zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Erfahrung lehrt, dass das Absitzen von Arreststrafen wenig bringt, während die sozialarbeiterische Einwirkung, die auch mit einer Bewährungsstrafe einhergeht, meist als anstrengend oder überfordernd erlebt wird.

Erziehungscamps mit einem "therapeutischem Gesamtkonzept" aus Sport, Arbeit und strenger Disziplin sollen, so die CDU, "nicht erst nach einer langen kriminellen Karriere" auf jugendliche Täter einwirken. Solche Einrichtungen können durchaus sinnvoll sein, wenn sie nicht darauf abzielen, die Jugendlichen zu demütigen, sondern darauf, ihnen Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Die CDU will solche Camps sogar "flächendeckend" ausbauen. Das dürfte den Ländern aber zu teuer sein.

Bei Heranwachsenden, also 18- bis 21-Jährigen, soll das Erwachsenenstrafrecht die Regel werden. Heute wenden Richter hier meist Jugendstrafrecht an, weil Reifedefizite vorliegen. Da die Union auch künftig eine Einzelfallprüfung vorsieht, würde eine Änderung des Gesetzeswortlauts kaum etwas verändern.

Für die Heranwachsenden, für die noch das Jugendstrafrecht gilt, will die Union die Höchststrafe von 10 auf 15 Jahre erhöhen. Das befriedigt vor allem die eigenen Wähler.

Als eigenständige Sanktion will die CDU im Jugendrecht ein Fahrverbot und ein Verbot, den Führerschein zu machen, einführen. Damit ist auch die Fachwelt einverstanden.

Bei andauernder Gefährlichkeit soll künftig auch über Täter, die nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden, nachträglich Sicherungsverwahrung verhängt werden können. Der Täter würde dann nach Verbüßung seiner Strafe weiter inhaftiert. Entlassen würde er erst, wenn er nicht mehr als gefährlich gilt. Betroffen sind nicht Jugendliche, sondern - nach Verbüßung der Haftzeit - junge Menschen, die auf die 30 zugehen. Damit ist auch Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) einverstanden, die einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Hier geht es aber nur um sehr wenige Einzelfälle.

Bei kriminellen ausländischen Jugendlichen soll die Ausweisung erleichtert werden. Einzelheiten lässt die CDU offen. Allerdings fordert sie, dass erwachsene Ausländer nach Verurteilung zu einer einjährigen Haftstrafe zwingend ausgewiesen werden müssen. Derzeit liegt die Schwelle bei einer dreijährigen Haftstrafe. Das hat mit Jugenddelinquenz nichts zu tun und ist der eigentliche Hammer in diesem Programm. Bei EU-Ausländern sind solche automatischen Ausweisungen ohnehin verboten. Türken sind aufgrund eines Abkommens mit EU-Bürgern gleichgestellt. Insoweit wird auch diese Brachialforderung weitgehend leerlaufen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.