Debatte um Fluggastkontrolle: Griff nach den Hoheitsrechten
Die Fluggastkontrolle am Flughafen gehört wieder unter das Dach der Bundespolizei, fordert die SPD-Bürgerschaftsfraktion. Die Innenminister sollen’s richten.
Der großer Hammer ist noch einmal ausgeblieben – ein Streik der 600 Luftsicherheits-Assistenten am Flughafen Fuhlsbüttel mitten in den Schulferien konnte in letzte Minute abgewendet werden. Kurz vor Beginn der Reisewelle einigten sich der Arbeitgeber – Deutscher Schutz- und Wachdienst (DSW) – und die Gewerkschaft Ver.di auf eine Lohnerhöhung um 15 Prozent. Die Laufzeit endet am 31. Dezember 2014, dass die Beschäftigten den Abschluss annehmen, gilt als sicher. Das Ergebnis der Urabstimmung wird Ver.di am heutigen Montag vorlegen.
Ungelöst ist, nicht nur aus Sicht der Gewerkschaft, ein anderes Problem am Airport: die Privatisierung hoheitsrechtlicher Aufgaben. Damit will sich die SPD-Fraktion in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 27. März befassen: „Wir haben einen Prüfauftrag an den Senat eingebracht“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Dressel der taz. Am Ende solle sich die Innenministerkonferenz mit der Frage auseinandersetzen: War es richtig, dass der Bund aus Kostengründen die Gepäck- und Fluggastkontrolle privatisierte – und sich auf diesem Wege aus hoheitlichen Sicherheitsaufgaben zurückzog?
„Die Antwort ist Nein“, sagt Dressel schon heute. „Die Privatisierung mit all den Folgen für die Lohn- und Beschäftigungsbedingungen sind zum Bumerang für den Bund geworden.“ Dieser müsse angesichts der Streiks auf den Flughäfen umdenken. In Hamburg hatten die Luftsicherheits-Assistenten im Tarifkonflikt den Flughafen vier Tage beinahe lahm.
„Privatisierung ist der falsche Weg – zumal bei hoheitsrechtlichen Sicherheitsaufgaben“, ergänzt der SPD-Abgeordnete und Ex-Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose. „Der Bund kann sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen.“
Die Bundespolizei begann im Jahr 2005 damit, weite Teile der Personen- und Gepäckkontrolle in Fuhlsbüttel an einen privaten Anbieter zu übertragen – unter Aufsicht und Videoüberwachung durch Bundespolizisten. Der private Anbieter zahlte den Sicherheitskräften niedrigere Löhne und keine Altersversorgung. Zudem wurden die Arbeitskräfte im Gegensatz zu den Bediensteten der Bundespolizei auf Teilzeitbasis beschäftigt. Das sparte Kosten, denn je nach den Bedürfnissen der Airlines konnten so Mitarbeiter zu flexiblen Arbeitszeiten geordert werden – oder auch nicht, wenn bei Flauten wenig Personal benötigt wurde.
Die Gewerkschaft Ver.di klagte 2006 gegen dieses arbeitsrechtliche Konstrukt und wollte die Festanstellung der Sicherheitskräfte bei der Bundespolizei erreichen: Die Beschäftigten seien eigentlich „Leiharbeiter“, die „unter Leitung und Aufsicht“ und mit ihnen bereitgestellten Gerätschaften der Bundespolizei arbeiteten, so Ver.di.
Das Bundesarbeitsgericht befand jedoch im Mai 2012, dass der private Anbieter nach dem Konstrukt formal „Dienstleister“ sei. Zugleich äußerte das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass die Übertragung von hoheitsrechtlichen Aufgaben zur Gefahrenabwehr nach dem Luftsicherheitsgesetz an Private verfassungsrechtlich zulässig sei. Doch darüber habe das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden, so die Richter damals.
SPD-Fraktionschef Dressel ist klar: Man werde die damalige Privatisierung nicht „auf einen Schlag“ rückgängig machen können. Es müsse aber geprüft werden, ob der Bund seiner Aufsichtspflicht nachkomme und „nicht leichtfertig Aufgaben an Private übertragen“ habe, so Dressel.
Peter Bremme, Ver.di-Verhandlungsführer für die Luftsicherheits-Assistenten, könnte sich vorstellen, dass die Sicherheits-Assistenten in Fuhlsbüttel von der Bundespolizei übernommen werden. So begrüßt er zwar den SPD-Vorstoß – wittert aber auch ein wenig „Populismus“ angesichts der Bilder von Flugpassagier-Schlangen vor den Abfertigungsschaltern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity