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Debatte um Entwaldung bei KlimakonferenzDer Kampf um die Bäume

Jede Minute werden 30 Fußballfelder abgeholzt, warnt der WWF. Mehr Waldschutz könnte das Klima retten. Aber gibt's den nur, wenn jemand daran verdienen kann?

Bei der Abholzung geht nicht nur Wald verloren, sondern auch die Artenvielfalt, wie hier in Brasilien. Bild: reuters

DURBAN taz | Waldschützer schlagen bei den Verhandlungen Alarm: Eine Lösung, wie die weltweite Entwaldung gedrosselt werden kann, ist in Durban noch nicht in Sicht. Umweltschützer hatten bereits Mitte dieser Woche eine Einigung in den Debatten um den "REDD"-Mechanismus erwartet. Doch auch am Mittwoch zogen sich die Diskussionen um ein tragbares Finanzierungsmodell für den Erhalt der Wälder bis tief in den Abend hin. Aktivisten wären nicht überrascht, wenn die Internationale Klimakonferenz der Vereinten Nationen am Wochenende ohne Ergebnis zur Ausgestaltung dieses bereits im Vorjahr in Cancun verabschiedeten Systems endet.

REDD bedeutet "Reducing Emissions from Deforestation and Degradation", also die Verringerung von Emissionen aus der Abholzung oder aus zerstörerischer Nutzung von Wald. Staaten und Unternehmen erwerben sich Rechte, CO2 auszustoßen, indem sie Waldschutzprojekte inititieren. Hintergrund ist die Funktion von Wäldern als CO2-Speichern.

Wieviel Markt darf sein?

Uneinigkeit besteht, wie REDD eingesetzt werden soll. Soll es in den internationalen Emissionshandel einbezogen werden oder nicht vielmehr darauf abzielen, die Abholzung der Wälder und die damit verbundenen CO2-Emissionen auf Null zu senken? Klimaschützer halten den ersten Weg für einen gefährlichen Irrweg: Wenn Investitionen der Industrieländer im Süden dazu führen, dass Firmen im Norden die notwendigen CO2-Zertifikate erkaufen können, sei nichts für den Waldschutz erreicht. "Dann können wir als Organisation REDD nicht mehr unterstützen", sagt Martin Kaiser, Leider der internationalen Klimapolitik bei Greenpeace.

Industrieländer versuchen, die langfristige Finanzierung von REDD durch einen Marktmechanismus wie etwa den Handel durch sogenannte offsets oder Kompensation durchzusetzen. Die Entwicklungsländer mit tropischen Wäldern wie Brasilien und Nicaragua sind dagegen. Die Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung würde dann von denen bezahlt, die Emissionsrechte im Norden kaufen. Die Abholzung von Wäldern im Süden werde dadurch nicht wirklich verhindert.

"Jede Minute werden 30 Fußballfelder abgeholzt", sagt Gerald Steindlegger, Politik-Direktor bei WWF International. Der Verband ist überzeugt, dass die Welt versorgt und ernährt und gleichzeitig das Waldsterben bis 2020 umgedreht werden könne - allerdings nur, wenn jetzt eine gemeinsame Entscheidung getroffen werde. Eine weitere Verzögerung bedeute nicht nur massiven Waldverlust. Auch der alarmierende Trend von Verlust der Artenvielfalt sei dann nicht mehr umkehrbar. Jetzt neu gepflanzte Plantagen können erst in dreißig Jahren Emissionen von Abholzungen ausbalancieren.

Angeblich sind alle Modelle noch im Spiel

Der Streit um die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten von REDD ist in Durban eskaliert. Zwischen 7 und 14 Milliarden Euro pro Jahr bis 2020 sind nötig, um Waldschutz in den Entwicklungsländern zu betreiben. Einnahmen durch öffentliche Gelder, eine Steuer auf den CO2-Fußabdruck oder Einnahmen durch eine Besteuerung von internationalen Finanztransfers - alle bereits in Cancun vorgeschlagenen Modelle sind noch im Spiel, sagt Raja Jarrah von Care International.

Einheimische Bevölkerungsgruppen in diesen Prozess stärker mitbestimmend einzubinden, ist ein wichtiges Ziel. In den bereits in Cancun aufgestellten "safeguards", Handlungsempfehlungen für die Länder, war auch der Umgang mit einheimischen Bevölkerungsgruppen skizziert worden: Sie sollten stärker mitbestimmen können, was Umsiedlungen und Entschädigungen betrifft. "Dort, im sozialen Bereich, müsste die Debatte viel stärker ansetzen, aber nicht im CO2-Handel", kritisiert Raja Jarrah die Haltung der Industrieländer. Einsparungen von Emissionen aus dem Waldbereich müssen zusätzlich zu denen im Energiesektor stattfinden.

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