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Debatte um ESL-MilchAlte Milch heißt weiter "frisch"

Die Wirtschaft will ESL-Milch künftig als "länger haltbar" kennzeichnen und die mehrere Wochen alte Ware dennoch als "frisch" verkaufen. Verbraucherschützer sprechen von Täuschung.

Tropfen für Tropfen frische Milch - oder doch nicht? Bild: dpa

Vier Wochen alte Milch darf "frisch" heißen - daran wird auch die von Molkereien und Handel versprochene neue Kennzeichnung für die besonders lange haltbare ESL-Milch nichts ändern. Diese soll künftig einheitlich mit dem Zusatz "länger frisch" gekennzeichnet werden. Verbraucherschützer sind unzufrieden: "Diese freiwillige Selbstverpflichtung ändert nichts an der Verbrauchertäuschung mit der ESL-Milch", sagte Ernährungswissenschaftlerin Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg am Mittwoch der taz.

ESL-Milch wird so erhitzt, dass sie gekühlt bis zu vier Wochen haltbar ist und dennoch nicht so schmeckt wie die mehr als drei Monate haltbare H-Milch. Praktisch für die Supermärkte, die weniger oft Milch bestellen und schlechte gewordene wegkippen müssen. Die herkömmliche pasteurisierte Frischmilch, die weniger stark erhitzt wird, hält nur fünf bis sieben Tage. Viele Kunden klagen jedoch, dass die ESL-Milch einen Kochgeschmack habe. Auch enthält sie weniger Vitamine.

Dass Ketten wie Aldi, Lidl und Penny die klassische Frischmilch aus dem Sortiment schmissen, löste darum einen Proteststurm von Verbrauchern aus. Selbst die Biomärkte Alnatura und Basic bieten ESL-Milch an. Deshalb initiierte Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) die Selbstverpflichtung des Milchindustrie-Verbands und des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels. Durch eine einheitliche Kennzeichnung, erklärten sie am Dienstag, sollen Verbraucher die ESL-Milch leichter erkennen.

Für Verbraucherschützerin Schwartau geht die Einigung nicht weit genug: "Wir fordern, dass nur noch die pasteurisierte Milch als Frischmilch verkauft werden darf", sagt sie. Die Expertin lehnt auch ab, dass nach der Selbstverpflichtung herkömmliche Frischmilch künftig den Zusatz "traditionell hergestellt" trägt: "Das weckt doch falsche Assoziationen wie Kühe auf der Weide. Dabei kommt die Milch von Hochleistungskühen."

Die Verbraucherorganisation Foodwatch bemängelt vor allem, dass die Bundesregierung die Sache nicht per Verordnung verbindlich geregelt hat. "Im Zweifelsfall wird man Molkereien nicht beikommen können, wenn sie sich nicht an die Selbstverpflichtung halten", sagt Vizegeschäftsführer Matthias Wolfschmidt.

Der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands, Hubertus Pellengahr, dagegen geht davon aus, dass sich die Branche an die Regeln hält. "Nach einem Jahr soll das evaluiert werden, und gegebenenfalls könnte das Ministerium eine Verordnung erlassen." Geschäftsführer Pellengahr sieht auch nicht ein, warum die ESL-Milch nicht als "frisch" vermarktet werden sollte. Schließlich werde ja auch die klassische Frischmilch industriell behandelt. Anders als die ultrahocherhitzte H-Milch müsse ESL-Milch gekühlt werden. Und dass der Zusatz "traditionell hergestellt" romantische Weidebilder bei den Konsumenten auslöse, findet er auch nicht: "So doof sind die Verbraucher, glaube ich, nicht."

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13 Kommentare

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  • C
    Chris

    Schmeckt die Milch wirklich so schlecht? Auf http://www.pro-und-kontra.info/gesundheit/esl-milch/ wird auch schon sehr viel darüber geschimpft.

  • TG
    Thore Gronemeier

    An die glorreiche freie unabhängige unparteiische unzensierte TAZ Redaktion,

     

    Lasst einfach ab von dem, uns seit der Geburt mit künstlicher Milupa Babymilch, (die mit Weißmehlkleister und Zucker sowie Abfallprodukten der Molkereien, wie Molke, angereichert wird) eingeimpftem Irrglauben und dem Lügengebilde der Milchindustrie und der Schulmedizinischen Kranken-Industrie, wir seien die Kinder einer Kuh und müssten lebenslang von unserer Amme der heiligen Kuh gestillt werden. Begreift, daß es ausreicht von eurer Mutter möglichst 2 Jahre (Empfehlung der WHO, Weltdurchschnitt ist 3-4 Jahre!) gestillt worden zu sein, mit der perfektesten Nahrung für Babies der Säugetiere, von Mutter Natur, der arteigenen Muttermilch! Jeder vernünftige Mensch würde sich an den Kopf fassen, wenn eine Gorillamama ihr kleines Kind an den Euter eines Gnus heranführt, denn da ist ja soviel Kalzium drin. Oder wenn ein Geschäftsmann im Anzug auf die Wiese geht und am Euter der Kuh nuckelt, nicht wahr? Doch genau so bekloppt verhalten wir uns, wir westlich industrialisierte und kommerziell total manipulierte, stark degenerierte Völker. Und unsere armen Kinder, die diese Folter mit Rotznasen, Erkältungen, Ohrenschmerzen, Mumps, Pickeln, Depressionen, Aggressionen, Diabetes, Arterienverhärtung, Brustkrebs und Prostatakrebs quittieren müssen. Lasst ab von eurer heiligen Kuhmutter. Werdet wieder wahre Menschen: Esst wieder unsere Superfood!

     

    Weitere Infos auf www ecuaware de

  • TG
    Thore Gronemeier

    Liebe Milchbubies, liebe in die Irre geleitete Mitmenschen,

     

    lasst die Industrie doch machen, wozu Sie lustig sind. Sie wird auf die Nase fallen. Sollen Sie doch Ihre Ekelerregende tote Milch erschaffen, die sie dann leichter nach China exportieren können, damit die Chinesen ebenso an Kinderkrankheiten, Übergewicht, Diabetes, Brustkrebs und Prostatakrebs leiden wie unsere Babies, Kinder und jungen Erwachsene in USA udn Nordeuropa. Begreift einfach, daß es an uns liegt, den Konsumenten von Milchprodukten, alles zu verändern, indem wir die Produkte der milliardenEuroschweren Milchindustrie, wie ESL Milch, Eiscreme und überhaupt Milchprodukte und anderen gammeligen Käse und anderes verdorbenes Milcheiweiß in, z. B. Schokolade (Molkepulver!) einfach verweigern und nicht mehr in unseren Körper stopfen und unsere Verdauungsorgane damit jahrzehntelang unnötig belasten!

  • K
    khjbjkhb

    Wer auf die Regierung vertraut und Ministerien wird eh nur hinters Licht geführt.

    Einfach das Zeug nicht kaufen.

  • DQ
    Don Quijote

    vielleicht sollte man aufdrucken "neotraditionell hergestellt" ;-) denn die traditionelle = überlieferte Herstellung von Milch setzte ich noch mit Handpumparbeit auf dem Schemel gleich. Das wurde 1000 Jahre so gehandhabt und die Hochleistungskuh an der Zapfanlage gibts vielleicht seit 35 Jahren.

  • S
    Sue

    Für alle, die des Googelns nicht mächtig sind:

    ESL bedeutet "Extended Shelf Life" was längere Lebensdauer auf dem Regal bedeutet, ganz wörtlich übersetzt.

    Und ich finde es eine Frechheit, dieses Erzeugnis als Frischmilch zu verkaufen.

  • I
    Ingrid

    Wer die Möglichkeit hat, sollte seine Milch wirklich frisch kaufen.

     

    Ich bekomme Milch und Joghurt vom hiesigen Bauernhof direkt vor die Tür gestellt.

     

    Und die paar Cent in der Woche tun nicht weh. Und ich weiss, dass die Milch nicht irgendwo hier her per LKW gelangt. Und noch alles enthält, ohne Zusätze.

  • BH
    Björn Hens

    Die taz hatte das im vorangegangenen Artikel schon erklärt. ;-)

    "Dafür haben sie jetzt die ESL-Milch. Das Kürzel steht für Extended Shelf Life, also für längere Haltbarkeit im Regal." (09.01.2009)

     

    Was die Selbstverpflichtungen angeht ist es ein Witz, dass darauf immer noch vertraut wird. Warum sind die Firmen denn so für Selbstverpflichtungen ohne Sanktionen, wenn sie nicht vorhaben, diese zu brechen? Dann könnte man ja auch einfach Gesetze erlassen und alle wären auf der sicheren Seite. Die Industrie weiß schon, warum sie sich lieber selbst verpflichtet.

  • D
    dorpm

    Vorsicht! Es gibt zwei verschiedene Herstellungsverfahren für ESL-Milch. Neben der im Artikel beschriebenen Fallstromerhitzung gibt es auch noch das Mikrofiltrationsverfahren, bei dem erst gefiltert und dann pasteurisiert wird. Welches Verfahren bei der Herstellung angewendet wurde, ist für den Verbraucher aber in der Regel nicht zu erkennen. Daher unterstütze ich die Forderung nach einer genauen Kennzeichnung der Milch!

     

    Wenn der Handel nun unbedingt ESL-Milch anbieten möchte, kann er das gerne tun; dann aber bitte zusätzlich zur frischen Milch. Ich bevorzuge nach wie vor echte Frischmilch und mache um ESL - solange das noch geht - einen großen Bogen.

     

    Nebenbei angemerkt: Wer nun denkt, er sei mit Biomilch auf der sicheren Seite: bitte genau hingucken, denn gerade Biomilch ist schon seit langem oft ESL-Milch.

  • M
    morgenlust

    Und dass der Zusatz "traditionell hergestellt" romantische Weidebilder bei den Konsumenten auslöse, findet er auch nicht: "So doof sind die Verbraucher, glaube ich, nicht."

     

    Richtig.

     

    "Doof" sind sie, dass sie eine Politik(erin) akzeptieren, die an der Schnittstelle

    Industrie->Verbraucher bisher immer auf der Seite

    der Industrie gewesen ist.

     

    "Politik ist die Kunst, die Leute daran zu hindern, sich um das zu kümmern, was sie angeht"

    (P.V.)

  • V
    vic

    "So doof sind die Verbraucher, glaube ich, nicht."

    ...meint H. Pellengahr.

    Aber die Branche geht doch davon aus. Andernfalls würde man das ja nicht aufdrucken.

  • MT
    Meriadoc Tuk

    Man kann doch nicht in dem Artikel andauernd von ESL-Milch sprechen und nicht mal sagen was die Abkürzung bedeutet. Das ist Laienhaft.

  • BH
    Björn Hens

    Und wieder einmal herrscht die Wirtschaft über die Bürger und die Politik. Ist doch zum Kotzen.

     

    Aber wenn die Politik so gerne Selbstverpflichtungen hat, anstatt auf einklagbare Gesetze zu setzen, dann wäre doch auch eine Selbstverpflichtung der Spice- oder gar Cannabis-Konsumenten angebracht, diese Stoffe nicht mehr zu Konsumieren. Was die ehrliche Einhaltung der Verpflichtung angeht, stehen die Kiffer der Wirtschaft bestimmt in nichts nach. ;-)