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Debatte um Antisemitismus an HochschulenBesetzung endet, Kämpfe bleiben

An der TU endet eine antisemitismuskritische Besetzung. Die Präsidentin versprach Maßnahmen gegen Antisemitismus und stellt sich nun der Wiederwahl.

Geraldine Rauchwill weitere 4 Jahre Präsidentin der TU sein. Sie hatte im Juni 2024 Maßnahmen gegen Antisemitimus versprochen Foto: Jens Kalaene / dpa

Die Besetzung gegen Antisemitismus an der Technischen Universität Berlin (TU) ist am Donnerstagabend zu Ende gegangen. Besetzer*innen sagten der taz, sie seien erfreut über die große Unterstützung und Solidarität, die sei in online-Kommentaren und von Besucher*innen erfahren hätten. Sie berichten aber auch von Angriffen, Störaktionen und Einschüchterungen.

"Nach 4 Tagen und 3 Nächten beenden wir unsere antisemitismuskritische Besetzung", schreibt die Gruppe auf Instagram. Mit der Besetzung hätten sie "auf die Zustände unserer Universität" aufmerksam gemacht. "Wir haben gezeigt, dass es möglich und wichtig ist, einen Raum für jüdische und israelische Studierende zu schaffen", heißt es dort, auch wenn es schwierig gewesen sei. Damit hätten sie auch "anderen Studierenden gezeigt, was möglich ist" und ermuntern zu "weiteren kreativen Aktionen, die den rasant um sich greifenden Antisemitismus an den Hochschulen bekämpfen".

Seit Montag hatten jüdische und antisemitismuskritische Student*innen den Plenarsaal des AStA der TU besetzt gehalten, um auf Antisemitismus auf dem Campus aufmerksam zu machen und um vorübergehend einen geschützten Raum für jüdische und israelische Student*innen zu schaffen. So einen Raum fordern sie auch von der TU.

Am ersten Tag der Besetzung sollte sich der neu gewählte AStA im Plenarsaal konstituieren, das Gremium tagte dann in einem anderen Raum an der TU. Die Besetzer*innen kritisierten, dass das Studierendenparlament (Stupa) Ende Oktober auch Mitglieder „antisemitischer, autoritärer Gruppen, welche die Hamas glorifizieren und die Gewalt des 7. Oktober befürworten“ in den AStA gewählt habe. Diese sehen sie auch verantwortlich für gewalttätige Aktionen auf dem TU-Campus. Mit der Besetzung wollten sie ein Zeichen gegen antidemokratische Tendenzen im AStA setzen.

Der neue AStA hatte darauf schriftlich geantwortet. Das Gremium weist die Vorwürfe der Besetzer*innen als "pauschale Anschuldigungen" zurück. Die "klare und uneingeschränkte Ablehnung von Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus und anti-palästinensischem Rassismus" sei einer ihrer "unveränderlichen Grundsätze". Sie planten "aufklärende und präventive Formate zu allen Formen der Diskriminierung, einschließlich Antisemitismus". Die Besetzung des Plenarsaals habe "Prozesse der studentischen Selbstverwaltung aktiv behindert".

Die Besetzer*innen erwiderten darauf, dass der AStA auf ihre konkrete Kritik an Äußerungen im Stupa und an Personen nicht eingegangen sei. Es sei nie ihr Ziel gewesen sei, demokratische Prozesse zu blockieren, die konstituierende Sitzung habe trotz Besetzung stattgefunden.

Neben der Solidarität berichte die Gruppe "Besetzung gegen Antisemitismus" auch von mehreren Störaktionen, vor allem gegen ihre Banner. Die Nacht zu Donnerstag sei die „erste Nacht ohne Angriffe“, schrieben sie am Donnerstagmorgen auf ihrem Instagram-Account. In der ersten Nacht hätten Personen mit einer Stange versucht, das Banner am Fenster abzunehmen. In der Nacht zu Mittwoch habe jemand das Banner mit einem Farbbeutel beworfen. Auf dem Banner steht „We fight antisemitism – asta does not“, auf einem zweiten „Davidstern statt Hamas-Dreieck“.

Dieses zweite Banner hätten zwei Personen am Mittwoch heruntergerissen, erzählt eine der Besetzer*innen der taz. Die Personen hätten eine Leiter dabei gehabt. "Wir haben Geräusche gehört und dann gesehen, dass zwei Menschen vor dem Fenster auf einer Leiter stehen", sagt sie. Einige Besezter*innen seien daraufhin rausgerannt und hätten die beiden zur Rede gestellt.

"Sie haben sich als Studenten der TU ausgegeben und gesagt, dass im Namen des Davidsterns viele Menschen ermordet worden seien", sagt die Besetzerin. "Das werten wir als eine antisemitsche Aussage, weil hier pauschal das Judentum mit dem israelischen Staat gleichgesetzt wird." Die beiden hätten außerdem das rote Dreieck als "palästinensisches Symbol" bezeichnet, was wiederum alle Palästinenser*innen pauschal mit der Hamas in Verbindung bringe.

TU-Präsidentschaftswahl mit fünf Kandidat*innen

Die TU selbst nahm keine Stellung zu der Besetzung und verweist auf das Hausrecht des AStA. TU-Präsidentin Geraldine Rauch hatte im Juni 2024 ein Paket an Maßnahmen gegen Antisemitismus auf dem Campus angekündigt, nachdem sie selbst in die Kritik geraten war.

Es gibt inzwischen monatlich Sprechstunden für jüdische Student*innen und Weiterbildungsangebote und Fachtage für TU-Beschäftigte, Student*innen und Externe. So gab es etwa in der vergangenen Woche ein Gespräch zum Thema "Dialoge auf schwer umkämpftem Terrain? Der israelisch-palästinensische Parents Circle", in dem eine Friedensinitiative von ihrer Arbeit berichtet hatte.

Rauch selbst will sich bei der Präsidentschaftswahl der TU am 26. November für weitere vier Jahre im Amt bestätigen lassen. Neben ihr stehen für eine Uni-Präsidentschaftswahl außergewöhnlich viele Kandidat*innen zu Wahl. Insgesamt hatten 8 Personen ihr Interesse bekundet, sich letztlich beworben haben sich 5, die der erweiterte akademische Senat am Mittwoch auch alle zur Wahl zugelassen hatte.

Neben Rauch treten nun zwei weitere Professorinnen der TU und zwei externe Kandidat*innen an. Sie werden sich am Freitag im Kuratorium der TU öffentlich vorstellen. Zusätzlich diskutieren die Kandidat*innen am 20. November in einer öffentlichen Wahlarena im Audimax der TU, die Uni überträgt die Veranstaltung auch als Stream.

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