Debatte über VerkehrssenatorIn: Druck auf Grünen-Chef Graf
Der amtierende Landeschef der Grünen, Werner Graf, wird offenbar als Verkehrssenator gehandelt. Vielen Aktiven an der Basis missfällt das sehr.
Auf der regulären Sitzung der grünen Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mobilität am Mittwochabend gab es vielfach Kritik an der Personalie Graf, die offenbar schon als gesetzt gilt. Auslöser der Debatte war eine von mehreren Mitgliedern unterzeichnete E-Mail, die auch der taz vorliegt. Darin heißt es, Graf habe sich unter dem rot-rot-grünen Senat lediglich dann verkehrspolitisch geäußert, wenn es darum gegangen sei, die amtierende Verkehrssenatorin Regine Günther gegen interne oder externe Kritik in Schutz zu nehmen: „Spezielle Fachkompetenz war bei ihm nicht zu erkennen.“
„Damit die nächsten fünf Jahre keine Fortsetzung der letzten fünf werden, sollten wir dieses Mal eine qualifizierte SenUVK [Senatorin/Senator für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, d. Red.] bestellen“, so die Unterzeichnenden. Sie sprechen sich für die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch aus, „deren Top-Wahlkampfthema Mobilität und Klima war“. Von Jarasch waren bislang allerdings keine Signale in diese Richtung zu vernehmen.
Auf der Sitzung wurden auch Rufe nach der ehemaligen Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, wieder laut. Die hat sich allerdings wiederholt und mit Nachdruck dazu bekannt, keinen Posten in der neuen Landesregierung ausüben zu wollen. Die LAG Mobilität will sie dennoch – ebenso wie Jarasch – noch einmal ansprechen.
Knie: „Fegefeuer für die Grünen“
Die E-Mail an die Mitglieder der Arbeitsgruppe hat auch Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), unterschrieben. Auf Nachfrage bekräftigte er, ein Verkehrssenator oder eine Verkehrssenatorin müsse idealerweise „eine im parlamentarischen Kampf erprobte und mit allen Verwaltungswassern gewaschene“ Person sein, denn: „Die Grünen werden in der Verkehrspolitik durch ein Fegefeuer gehen.“ Als einzige Koalitionspartnerin stünden sie klar für die Reduzierung des Kfz-Verkehrs: „Die SPD will das private Auto retten und die Linke weiß es nicht so genau.“
Es sei keineswegs unerheblich, ob die Person an der Spitze der Senatsverwaltung fachlich beschlagen sei, so Knie. Bei der Amtsinhaberin habe es „zu lange gedauert“, bis diese sich in die Materie eingearbeitet habe. Der Wissenschaftler könnte sich persönlich noch andere Besetzungen vorstellen, wenn das aktuelle Ressort mit den Themen Stadtentwicklung und Energie aufgewertet würde: Gegenüber der taz nannte er die ehemalige saarländische Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr (sowie ehemalige Grünen-Bundeschefin) Simone Peter und Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Der Graf-KritikerInnen monieren auch, dass der grüne Landesverband trotz gegenteiliger Signale kein einziges Mitglied seiner LAG Mobilität in die für Verkehr zuständige Koalitionsverhandlungsgruppe berufen habe. Die Arbeitsgemeinschaft gilt bei der Parteispitze als äußerst unbequem. In der vergangenen Legislaturperiode äußerte sie mehrfach scharfe Kritik an der Amtsführung von Senatorin Regine Günther.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen