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Debatte über SchuldenbremseDie deutsche Schuldenpolitik muss in die Werkstatt

Kaputte Gebäude, marode Brücken und überlastete Netze. Deutschlands Infrastruktur ruft nach einem Werkstatttermin – doch wer löst die Handbremse?

Der Supermond über der supermaroden, teileingestürzten Carolabrücke in Dresden, im Oktober 2024 Foto: Robert Michael/dpa

S chon nach ein paar Kilometern stinkt und qualmt es, wenn man beim Autofahren vergisst, die Handbremse zu lösen. Fährt man trotzdem weiter, drohen große Schäden an Bremsanlage und Hinterrädern. Dann hilft nur noch eins: Ab zur Werkstatt.

Was für Autos gilt, lässt sich auf die deutsche Wirtschaft übertragen. Seit drei Jahrzehnten fährt Deutschland mit angezogener Handbremse. Folglich stinkt und qualmt es: Brücken stürzen ein, Straßen sind marode, viele Gebäude sanierungsbedürftig. Die Stromnetze drohen zu überlasten, Jugendzentren müssen schließen – die Liste ließe sich fortsetzen. Die Bremskontrollleuchte blinkt rot, die deutsche Wirtschaft stottert.

Derweil sind Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände genervt, und im Ausland reibt man sich verwundert die Augen und fragt sich, warum der ausgeschiedene Finanzminister Christian Lindner so stolz darauf ist, die Handbremse dermaßen fest angezogen zu haben. Die Sache ist allerdings ähnlich wie bei der Auto­reparatur: Je länger man wartet, desto teurer wird es. 400 Milliarden Euro muss Deutschland in den nächsten zehn Jahren zusätzlich investieren, um die Schäden zu reparieren, rechnet der Bundesverband der Industrie. Das Institut der deutschen Wirtschaft erhöht auf geschätzte 600 Milliarden, und das Dezernat Zukunft legt nochmal 200 Milliarden drauf. Das ist in jedem Fall weit mehr, als die aktuellen Regeln erlauben würden.

Was also tun? An Schrittgeschwindigkeit gewöhnen, den Stinkequalm weiter ignorieren und hoffen, dass die Schäden von alleine verschwinden? Oder die Schuldenregeln so ändern, dass man sich den Werkstatttermin leisten kann? Ich meine: Letzteres!

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Mythos der nächsten Generation

Jeder Euro, der in moderne Infrastruktur fließt, ist ein gut angelegter Euro. Erstens, weil es die Wirtschaft produktiver macht. Zweitens, weil es das Leben lebenswerter macht. Drittens, weil es uns reicher macht. Schließlich fließt bei neuen Staatsschulden mehr Geld in die Wirtschaft, als über Steuern und Abgaben rausgezogen werden. Dass neue Schulden die nächste Generation nur benachteiligen, ist also ein Mythos. Die nächste Generation erbt vollere Bankkonten und modernere Infrastruktur. Win-win!

Benachteiligt wird die kommende Generation hingegen, wenn die Reparatur aufgeschoben wird. Nicht nur werden die Schäden größer und teurer, auch gibt es wegen der Alterung immer weniger Arbeitskräfte, die den Job erledigen könnten. Die Werkstätten schrumpfen in ihrer Kapazität. Je länger wir die Reparatur aufschieben, desto weniger Mechaniker stehen zur Verfügung, um das Land auf Vordermann zu bringen – während natürlich immer mehr Rentner finanziert werden müssen.

Aber nun zur guten Nachricht: Auch wenn Ex-Finanzminister Lindner sich mit Händen und Füßen gegen eine Reform gewehrt hat, dreht sich langsam die Stimmung in der Bevölkerung. Im neuesten ARD-Deutschlandtrend wollten erstmals weniger als die Hälfte der Befragten (48 Prozent) die Schuldenbremse in der jetzigen Form beibehalten. 45 Prozent waren für eine Reform – fast Gleichstand also. Und auch Friedrich Merz, der derzeit beste Chancen auf die nächste Kanzlerschaft hat, hat die Schuldenbremse neulich zu einer „technischen Frage“ degradiert. Immerhin ließe die sich leichter lösen. Zum Beispiel, indem man öffentliche Investitionen, Infrastruktur oder Sondervermögen von der Schuldenbremse ausklammert. Hauptsache, die Handbremse wird gelöst und das Land findet einen Werkstatttermin.

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3 Kommentare

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  • „Mehr Fakten, weniger Scheinargumente und mehr mutige Ideen“ wurde uns zum Auftakt der neuen Kolumne versprochen. Der erste inhaltliche Beitrag befasst sich dann ausgerechnet mit der Schuldenbremse und suggeriert zum x-ten Mal, dass ihre Abschaffung quasi die Lösung aller Probleme sei. Und das auch noch mit einem völlig untauglichen Bild: die Handbremse dient beim Auto nicht der Geschwindigkeitsregulierung (dafür ist das Gaspedal da), sondern um das stehende Fahrzeug gegen Wegrollen zu sichern. Wieder einmal wird der unzutreffende Eindruck erweckt, neue Schulden seien die einzige Möglichkeit, um z.B. den in der Tat drängenden Investitionsstau bei der Infrastruktur aufzulösen. Dabei kommen gleich zwei manipulative Elemente aus der Rhetorik-Trickkiste zum Einsatz: Framing bzw. Agendasetting durch ständige Wiederholung und das TINA-Prinzip (there is no alternative).



    Dabei ließen sich die benötigten Summen auch anders auftreiben. Allein durch die von finanzwen-de.de aufgelisteten 10 wichtigsten Steuerprivilegien könnten die zitierten 80 Mrd. € pro Jahr finanziert werden. Weitere Milliarden wären z.B. durch Abbau umweltschädlicher Subventionen oder der Schattenwirtschaft möglich.

  • Die Investitionen in Dinge, die langfristig ein Plus bringen, steigen nicht trotz höherer Einnahmen. Diese Wahrheit* stets zu ignorieren und nach mehr Schulden zu rufen, bringt absolut gar nichts.



    Das Geld kommt rein und wird verplempert.

    Änderung der Regeln zu Schuldengrenze ohne eine komplette Evaluierung ALLER Ausgaben ist komplett sinnfrei.

    Mal abgesehen davon, dass dann zum Beispiel jegliche Hilfe ins Ausland eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen ist, wenn Deutschland nicht einmal seine eigene Rechnung begleichen kann. Und diese Hilfen sind mitunter sehr wichtig.

    * Statista Bruttoinvestitionen bis 2023

  • Also erstmal, was hohe Staatsausgaben auf Pump bewirken kann man gerade in Frankreich sehen. Dass andere Länder sich überschulden (und daraufhin in tiefe Krisen rutschen) sollte uns doch nicht als Vorbild oder Entschuldigung dienen. Investitionen können durch Schulden finanziert werden, aber das muss gut geplant sein,. Im Miment sehe ich nur dass Ausgabenlücken gedeckt werden sollen, ohne Plan. Bei der Bw wird das Geld verschwendet ohne dass eine dringendst notwendige Strukturreform gemacht wird durch die die Kosten um 30-40% sinken könnten. Und hier liegt der Hase im Pfeffer: ohne gleichzeitige Reformen (Digitalisierung, Entbürokratisierung, Verringerung der Kosten der Sozialsysteme) werden durch neue Schulden doch nur die Fehlentwicklungen der letzten 20 Jahre Merkel und Scholz und Habeck zeitweise übertüncht und fortgeschrieben. Die Frage ist doch: was passiert wenn die Kohle weg ist? Dann sind wir praktisch genau da wo wir vorher waren.