Debatte über Elbphilharmonie-Papiere: Transparenz kommt später
Opposition will noch vor 198-Millionen-Vertragsabschluss mit Hochtief alle internen Papiere sehen. Senat mag die aber erst nach der Entscheidung herausgeben.
Hamburgs Bürgerschaft will bei der Elbphilharmonie mitbestimmen. Dieses Ansinnen ist zwar nicht neu, und es ist sogar ihr gutes Recht, handelt es sich doch um öffentliches Geld. Außerdem soll die Philharmonie ja ein „Haus für alle“ werden. Trotzdem hat es bislang oft an Transparenz gefehlt, wenn es darum ging, Bürgerschaft und Öffentlichkeit über Existenz und Zustandekommen von Kostensteigerungen zu informieren.
Das hat Hamburgs Parlamentarier misstrauisch gemacht, und am Mittwoch hat die Opposition die Konsequenz gezogen: Bis zum 7. Februar, so das Ultimatum von CDU, Grünen, Linksfraktion und FDP, soll der Senat sämtliche Akten, von Behörde, Realisierungsgesellschaft und Hamburg Musik vorlegen. Betroffen ist der Zeitraum von April 2012 – dem Ultimatum des Senats an Baukonzern Hochtief – bis Dezember 2012, als man entschied, ein Hochtief-Angebot zum Weiterbau zu prüfen.
„Wir wollen nachvollziehen, warum der SPD-Senat mit Hochtief weiterbauen und dafür 198 Millionen mehr zahlen will“, sagte Dietrich Wersich (CDU). „Wir wollen wissen, wie dieser Betrag zustande kam – und welches die Alternative gewesen wäre.“ Letztere hatte die städtische Realisierungsgesellschaft Rege errechnet und war auf eine ähnliche Summe, aber ein höheres Risiko gekommen.
„Wir wollen die Kostentabellen sehen und für beide Szenarien vergleichen können“, sagte auch Anja Hajduk (Grüne). Nur dann könne die Bürgerschaft kompetent entscheiden, ob sie jene 198 Millionen Euro trotz des bereits beschlossenen Sparhaushalts nachbewillige. Das könnte im März 2013 nötig werden, falls die Stadt am 28. Februar den Hochtief-Vorschlag in einen Vertrag überführt.
November 2011: Hochtief stoppt wegen statischer Bedenken die Arbeit am Dach, die Bedingung für den Gesamt-Weiterbau ist.
Mai 2012: Ultimatum der Stadt endet mit Hochtiefs Versprechen, bald weiterzubauen.
Juni 2012: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erwägt Hochtief-Kündigung.
September 2012: Der Bau steht weiter still, weil es noch keinen Neuordnungs-Vertrag gibt.
November 2012: Hochtief hat das Dach abgesenkt.
Dezember 2012: Hochtief unterbreitet ein Angebot zum Weiterbau und will alle Risiken tragen.
28. Februar 2013: Entweder Vertragsunterzeichung oder Trennung von Hochtief.
Doch das Zeitfenster für die Vertragsverhandlungen und also auch für die Nachbewilligung des Geldes ist knapp, und dieser Termindruck, der auch 2008 vor Nachtrag 4 herrschte, als erstmals ein „Pauschalfestpreis“ definiert wurde, kommt der Opposition bekannt vor. Damals war zwar CDU-Bürgermeister Ole von Beust am Ruder und nicht die SPD. Strukturell aber ähnelt sich die Situation, und deshalb will die Opposition diesmal wenigstens drei Wochen – vom 7. bis 28. Februar –, um sich in die Materie einzuarbeiten.
Am späten Mittwochnachmittag billigte die Bürgerschaft dann auch das Aktenvorlagebegehren der Opposition – die SPD-Mehrheit aber beharrt auf einem späteren Zeitpunkt. Bis zum 7. Februar „in nur elf Werktagen alle Akten vorzulegen, ist unrealistisch“, sagte SPD-Fraktionsvize Gabi Dobusch. Es werde alles offen gelegt werden, aber erst nach dem Verhandlungsprozess. Wenn am 28. Februar ein Vertrag vorliege, „ist der richtige Zeitpunkt, durch Transparenz Akzeptanz zu schaffen“. Der Vertrag stehe dann unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die Bürgerschaft, und „in diesem Kontext wird alles vorgelegt werden“, so Dobusch.
Auch Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) wies darauf hin, dass die Verhandlungen mit Hochtief noch nicht beendet seien. „Während laufender Verhandlungen alle Unterlagen offenzulegen, schwächt die Position Hamburgs und stärkt die von Hochtief“, so Kisseler: „Das wäre ein Bärendienst an der Stadt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter