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Debatte im Berliner AbgeordnetenhausRasse in schlechter Verfassung

SPD und CDU können sich vorstellen, dem Antrag von Grünen und Piraten zu folgen und die „Rasse“ aus der Landesverfassung zu streichen.

Alle hier wollen gegen Rassismus sein - aber wie drückt man das am besten aus? Bild: dpa

Die Koalition aus SPD und CDU zeigt sich offen für eine Streichung des Begriffs „Rasse“ aus der Berliner Landesverfassung. „Wir werden ergebnisoffen diskutieren, ob der Begriff noch zeitgemäß ist“, sagte der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier am Donnerstag im Abgeordnetenhaus bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes. Kohlmeier sah aber auch Probleme in dem konkreten Formulierungsvorschlag von Grünen und Piraten. Die beiden Fraktionen hatten vorgeschlagen, in Zukunft nicht mehr die Diskriminierung „wegen der Rasse“ zu verbieten, sondern „aus rassistischen Gründen“. Kohlmeier: „Wer legt eigentlich fest, was rassistische Gründe sind? Im gängigen politischen Diskurs denken immer die anderen rassistisch.“ Er schlug eine Expertenanhörung im Rechtsausschuss vor.

Der CDU-Abgeordnete Sven Rissmann sagte: „Wir werden uns überlegen, wie man das sprachlich sinnvoll lösen kann.“ Er kritisierte allerdings das einseitige Vorpreschen von Grünen und Piraten: „Es gab einen Konsens zwischen allen Fraktionen, dass wir uns dieses Anliegens annehmen. Schade, dass Sie diesen positiven Ansatz aufgegeben haben und parteipolitische Profilierungsversuche unternehmen.“

Grüne und Piraten machten deutlich, dass man über die genaue Formulierung reden könne – dass aber aus ihrer Sicht an der Streichung des Begriffes „Rasse“ kein Weg vorbei führe. „Es kann doch nicht gelingen, den zunehmenden Rassismus in unserer Gesellschaft bekämpfen zu wollen mit dem Begriff ’Rasse‘“, sagte der Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt. „Die Vorstellung, es gebe unterschiedliche Menschenrassen, ist nur für eines gut: Die Verfolgung von Menschen bis hin zum Genozid.“ Als die Verfassung so formuliert wurde, waren das „damals sicher gut gemeinte Motive“. Inzwischen sei die Vorstellung, dass es so etwas wie Rassen überhaupt gebe, allerdings überholt: „Dieses Denken haben wir überwunden.“

Rechtfertigung von Sklaverei

Der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt kritisierte, der Begriff der „Rasse“ habe „der Rechtfertigung von Sklaverei und Kolonialpolitik“ gedient: „Bei den Nationalsozialisten waren Rassenlehre und Antisemitismus untrennbar miteinander verknüpft. Sie stellten den 'Rassenkampf' ins Zentrum ihrer menschenverachtenden Ideologie.“

Fabio Reinhardt sagte, durch die Ersetzung von „Rasse“ durch „aus rassistischen Gründen“ werde „der Wechsel von einem angenommenen Fakt der Rasse hin zu einem Vorurteil deutlich betont.“ Es gehe darum, „den Blick auf die Geisteshaltung der Täter und deren rassistische Motivation zu lenken“. So lange „Rasse“ beibehalten werde, „lässt sich Rassismus gerade nicht glaubwürdig bekämpfen“. Reinhardt verwies auch auf Brandenburg, das erst im November seine Verfassung vergleichbar geändert hatte.

„Rasse“ durch „Ethnie“ ersetzen?

Der Linken-Landesvorsitzende Klaus Lederer warnte davor, „dass man dem Anliegen, das man vertritt, keinen Schaden zufügt“. Er sagte: „Der vorgeschlagene Begriff der ’rassistischen Gründe‘ erfordert Motivforschung“ – weil herausgefunden und belegt werden müsste, was in einem Vermieter oder Arbeitgeber vorgeht, der einen Schwarzen ablehnt. Eine Alternative könne sein, Diskriminierung wegen der „Ethnie“ zu verbieten. Lederer schlug vor, auch gleich Alters- und Behindertendiskriminierung zu untersagen. Derzeit verbietet die Verfassung die Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, der religiösen oder politischen Anschauungen und der sexuellen Identität.

Der Piraten-Landesvorsitzende Christopher Lauer warf die Idee ein, die gesamte Aufzählung zu streichen. Er fragte: „Warum schreibt man da nicht einfach: Kein Mensch darf diskriminiert werden?“

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16 Kommentare

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  • Bescheuerte Wortklauberei.

     

    "Diskriminierung aufgrund der Rasse" ist genauer als "Diskriminierung aus rassistischen Gründen". Bei letzterem kann man eine gewisse Höhe der Diskriminierung ansetzen ab dem eine "Diskriminierung aufgrund der Rasse" eine "rassistische" ist. Und auf Eindeutigkeit kommt es an. Im AGG steht das übrigends auch so.

  • B
    Blablabla

    Wenn die Rasse gestrichen wird dann bitte auch der Rassismus. Entweder oder.

    • @Blablabla:

      Rassismus gibt es auch ohne Rasse. Das war schon immer so. Bloss weil es gar keine Rassen beim Menschen gibt, wird es trotzdem noch Leute geben, die an so einen Scheiß glauben.

      • @Fred Ferington Frost:

        Nein. Das eine geht nicht ohne das andere. Und wenn im Zweifel erst mit Rassismus Rassen entstehen. Wenn es das eine gibt, dann gibt es das andere. Aber nicht vice versa.

        • @Tim Leuther:

          Vielleicht kann eine Analogie den Sachverhalt besser verdeutlichen?

           

          Selbstverständlich gibt es Rassismus ohne Rassen.

           

          Analog gibt es ja auch Antisemitimus ohne Semitismus (im Sinne der Antisemitinnen und Antisemiten.)

  • SW
    S. Weinert

    Weshalb die Aufregung? Wie im Artikel bereits berichtet, hat Brandenburg den Schritt bereits hinter sich - und es gab keinen Aufschrei der Empörung und das Land funktioniert immer noch (mehr oder weniger, aber das weniger hat andere Ursachen).

    Vorsichtig sollte man jedoch dabei mit einer Gleichsetzung des (bisherig verwendeten) Begriff "Rasse" und "Ethnie" sein. Durch die verschiedenen geistes- und naturwissenschaftlichen Fakultäten hindurch wird der Begriff der "Ethnie" weder einheitlich genutzt, noch (juristisch) abschließend definiert.

     

    Aus diesem Grund sehe ich einen Verzicht des Rassebegriffs im Strafrecht - da dieses täter- und tatorientiert aufgebaut ist - als problematisch an. Der Täter ist Rassist, seine Beweggründe und Motive beruhen auf einer (falschen) Annahme rassischer und rassistischer Theorien und dies spielt natürlich für die Einordnung des Tatgeschehens eine zentrale Rolle. Hier eine Begriffsveränderung vorzunehmen könnte vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots und der (flapsig ausgedrückt) Parallelwertung strafrechtlicher Begriffe in der Laiensphäre des Täters Probleme verursachen, die weder der Gesetzgeber, noch die Allgemeinheit so wollen.

     

    Eher amüsant ist dagegen der abschließende Satz. "Kein Mensch darf diskriminiert werden". Da zeigt sich bei den Piraten wieder einmal ein leicht unterdurchschnittliches Bildungsniveau. Selbstverständlich darf im allgemeinen Geschftsverkehr diskriminiert werden. Dies ist eine Folge der Privatautonomie und genau so auch vom Gesetzgeber gebilligt. Ein Diskriminierungsverbot gilt regelmäßig nur für den Staat sowie in den (abschließend) aufgeführten Tatbeständen des AGG. Maria und Josef dürften im Deutschland des Jahres 2014 vom Herbergsvater noch genau so abgewiesen werden, wie es die Bibel beschreibt und wenn ich als Verkäufer keinen Bock darauf habe, Thor-Steinar-Klamotten in mein Sortiment aufzunehmen ist das allein meine Sache.

    • @S. Weinert:

      Nur zum Strafrecht: Eine Tat aus rassistischen Beweggründen bleibt auch weiterhin eine Tat aus rassistischen Beweggründen. Es geht beim Streichen des Begriffs Rasse aus der Landesverfassung ja bloss darum, dass ein Staat im 21. Jahrhundert nicht den Eindruck erweckt, er würde selbst an "Menschenrassen" glauben.

    • @S. Weinert:

      Zitat:

      "Vorsichtig sollte man jedoch dabei mit einer Gleichsetzung des (bisherig verwendeten) Begriff "Rasse" und "Ethnie" sein."

       

      Ich sehe keine Tendenz, diese Begriffe gleichsetzen. "Ethnie" entspricht ja noch am ehesten dem deutschen "Volk" (die sozialwissenschaftliche Definition ist logischerweise präziser), was etwas grundlegend anderes meint als "Rasse".

       

      Das Problem ist höchstens, dass manche Leute sich inzwischen hinter dem Begriff "Ethnie" verstecken, aber weiterhin "Rasse" meinen.

       

      Thilo Sarrazin beispielsweise ließ wissen:

      "Ich bin dann auch den meisten Textentschärfungsvorschlägen des Verlages brav wie ein Lamm gefolgt. Irgendwann in einer Spätphase meinte der Verlag, ich sollte doch überall das Wort "Rasse" durch "Ethnie" ersetzen. Das habe ich dann auch gemacht."

       

      (Eine auch sonst sehr interessante Aussage.)

  • "Wäre das Opfer vom Täter auch beleidigt/bespuckt/zusammengeschlagen/niedergestochen/ermordet worden, wenn es zur gleichen (ethnischen) Gruppe wie der Täter gehörte? Wenn ja, ist es kein Rassismus, wenn nein, dann ist es Rassismus." Solange man aber Rassismus in Deutschland anders definiert, ist es völlig irrelevant, welchen Begriff man dafür verwendet.

  • TL
    Titus Löffler

    Es muss ja in Berlin noch schöner sein als in Bayern, wenn die Abgeordneten dort Zeit haben um sich um solche Nebensächlichkeiten wie "Wortwahl" befassen können.

     

    MFG

    Titus Löffler

    • @Titus Löffler:

      In Berlin ist es tatsächlich schöner als in Bayern. (Das scheint auch der geistigen Beweglichkeit zugute zu kommen.) Bei der geplanten Verfassungsänderung geht es nicht um die "Wortwahl" (womit Sie vermutlich meinen, dass eine Vokabel durch eine synonyme Vokabel werden soll), sondern um eine Veränderung des Inhalts bzw. Aussage. Was, wie man sehen konnte, aber nicht für alle ganz leicht verständlich ist.

  • K
    Kritischer

    Jaja, es gibt ja auch keine drägenderen Probleme als die Abschaffung des Wortes Rasse in der Verfassung, schrecklich wichtig und wird dieses Land und seine Leute bestimmt nachhaltig verändern, gerade in Deutschland wird ja allerorten schlimmstmöglich diskriminiert, sicher doch... Ist unseren Politkern langweilig oder was ist da los?

  • FD
    Frank Daschke

    Wie schon erläutert ist es völlig absurd, den Begriff Rasse zu eliminieren, da er international in allen Wissenschaften gebräuchlich ist und zwar bei allen eukaryonten Lebewesen inklusive dem Menschen.

    Es ist auch schlicht albern, den englischen Begriff "race" als rein soziale Definition interpretieren zu wollen.

    Race ist auch in Genetik Rasse, im Jahr 2014 ebenso wie zu Beginn der modernen Wissenschaft

    Arbeiten wie -nehmen wir mal eine x-beiliebige peer reviewte Arbeit aus dem index medicus 2014-

    Mandal S, Abebe F, Chaudhary J.

    -174G/C polymorphism in the interleukin-6 promoter is differently associated with prostate cancer incidence depending on race.

    Genet Mol Res. 2014 Jan 10;13(1):139-51. doi: 10.4238/2014.

     

    und Hunderte anderer, die explizit genetische Unterschiede zwischen Rassen beleuchten, haben nicht das geringste mit sozialen oder soziologischen Aspekten zu tun.

    Da können fachfremde Leser noch so oft Laienartikeln aus der Süddeutschen verlinken, die Realität in der Wissenschaft ist eine andere. Ethnie ist etwas völlig anderes.

    • @Frank Daschke:

      Ach, jetzt machen Sie hier weiter? Gut:

       

      Wie schon erläutert, ist es völlig absurd zu behaupten, der Begriff Rasse sei "in allen Wissenschaften gebräuchlich". Ebenso absurd ist es, zu behaupten: "In Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Medizin usw. ist der Begriff und die Unterscheidung menschlicher Rassen eine Selbstverständlichkeit. Ebenso die Skizzierung von Unterschieden zwischen ihnen auf allen Ebenen."

       

      Dieser abenteuerliche Unsinn wird auch nicht richtiger dadurch, dass Sie jeglichen Widerspruch großspurig als "laienhaft" bezeichnen. Wenn Sie sich über die Fachgebiete anderer Leute äußern, dann sind Sie der Laie, und nicht umgekehrt. Es ist fraglich, ob Sie überhaupt für irgendetwas Experte sind (außer für "Rassentheorie").

       

      Und zum zweiten Mal auch noch das Folgende: Die Vokabel "race", die im Amerikanischen tatsächlich noch regelmäßig gebraucht wird, hat eine andere Bedeutung als das deutsche Wort "Rasse". Inwiefern und weshalb das so ist, war den Texten zu entnehmen, die ich Ihnen das letzte Mal verlinkt hatte. Und da ich ein geduldiger Mensch bin, geben ich Ihnen selbstverständlich noch eine weitere Chance, sich zu bilden:

       

      http://www.sueddeutsche.de/politik/bevoelkerungspolitik-in-usa-hispanics-gelten-als-eigene-rasse-1.1442247

       

      http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb_ads/materialien/dim_pp_rasse.pdf?start&ts=1257943199&file=dim_pp_rasse.pdf

    • P
      PeterWolf
      @Frank Daschke:

      Genauso ist es.

      Und gegen die vereinfachte Formulierung von Christoph Lauer spricht, dass es ja auch durchaus gerechtfertigte Gründe für eine Diskriminierung geben kann.

      Sonst könnte ja ein Gynäkologe klagen, weil er die Chefarztstelle der Herzchirurgie nicht bekommen hat, nur weil ihm die Qualifikation fehlt.

      Wobei allerdings auch das bereits gültige Merkmal "Geschlecht" gelegentlich zur Diskriminierung berechtigt.