Debatte Wirtschaftskrise: Allianz für Arbeit und Umwelt
Ökologische Kompetenz der Umweltverbände und Durchsetzungsstärke der Gewerkschaften: Plädoyer für ein ungewohntes Joint Venture.
D ie Weltwirtschaftskrise hat das politische Koordinatensystem kräftig erschüttert. Die Maßnahmen, die gegenwärtig in der G 20 oder den UN diskutiert werden, sprengen den politischen Horizont der vergangenen Jahrzehnte. Doch der aktuelle politische Epochenbruch findet fast ohne relevante Einmischung progressiver Kräfte statt. Ohne deren Druck wird sich der entstandene Spielraum aber kaum in reale Verbesserungen übersetzen. Es ist höchste Zeit für neue Allianzen. Eine Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Umweltverbänden könnte die Kräfteverhältnisse nachhaltig verändern.
Gerade um die Umweltbewegung ist gegenwärtig still geworden. Dabei stehen ihre ureigensten Anliegen auf dem Spiel: Wenn eine rasche Krisenbewältigung misslingt, wird der Klimaschutz wieder auf die lange Bank geschoben. Der Trend steigender Emissionen muss aber in den nächsten zehn Jahren gebrochen werden. Die Milliarden, mit denen jetzt die Wirtschaft versorgt wird, sind eine einmalige Chance, die Welt kohlenstoffärmer zu machen.
Auch langfristig muss der Umweltbewegung daran gelegen sein, das Ende des Finanzmarktkapitalismus zu befördern. Denn gerade die rasante Dynamik des globalisierten Shareholder-Value-Prinzips hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten für einen wachsenden Umweltverbrauch gesorgt. Die weitgehende mediale Abwesenheit der Umweltverbände zeigt auch, dass kaum jemand der Bewegung die ökonomische Kompetenz zuspricht, die sie bräuchte, um wirklich Einfluss zu nehmen. Und mobilisierungsschwach ist sie allemal. Sie benötigt einen strategischen Bündnispartner.
Und hier kommen die Gewerkschaften ins Spiel, die Durchsetzungsstärke und Kompetenzzuschreibung mitbringen. Auch sie können von einem solch ungewohnten Joint Venture profitieren. Zwar ist ihre allererste Sorge derzeit, Arbeitsplätze zu sichern. Aber die gegenwärtige Krise stellt nicht nur eine einfache Konjunkturdelle dar, sondern einen strukturellen Bruch. Nach dem Scheitern des bisherigen Wachstumsmodells (Wachstumsmotor USA - Exportweltmeister Deutschland) geht es nicht mehr nur darum, den Stellenabbau zu verhindern, sondern Antworten auf die Frage zu finden, womit und wofür hierzulande in Zukunft gearbeitet wird. Für diesen Strukturwandel bietet sich das nachgewiesene Potenzial an "green jobs" an - Millionen Arbeitsplätze in der Umweltbranche oder den ressourcenleichten Dienstleistungsbereichen.
Daneben stehen die Gewerkschaften vor einer strategischen Herausforderung, die sich am "Fall Opel" offenbart. Allzu oft gelten sie als Besitzstandswahrer, die an überkommenen und unwirtschaftlichen Industrien festhalten und angestaubte keynesianische Konzepte aus der Schublade holen. Wenn IG-Metall-Chef Huber warnt, die "industrielle Substanz" dürfe nicht angetastet werden, klingt das nicht nach Aufbruch. Stattdessen müssten die Gewerkschaften viel stärker deutlich machen, dass es ihnen um mehr geht: um eine zukunftsfähige und lebenswerte Gesellschaft. Was wäre hierfür besser geeignet als das moralische Kapital der Umweltverbände? Dass sich trotzdem keine tragfähige Kooperation entwickelt hat, liegt an beiden Seiten. Zu lange hat sich die Umweltbewegung getreu dem Motto "Uns geht es um die Rettung des Planeten, während ihr nur an eure eigenen Arbeitsplatz denkt" in einer moralischen Trutzburg verschanzt, die Existenzangst und soziale Lage vieler Menschen außen vor hielt. Im Verlauf einer zunehmenden Professionalisierung hat sich die Bewegung aber auch bequem in ökologischer Fachpolitik eingerichtet, die keinen Platz für Fragen nach zukunftsfähigen gesamtgesellschaftlichen Visionen ließ.
Die Gewerkschaften hingegen befinden sich seit Beginn der 1990er-Jahre in einem Abwehrkampf gegen neoliberale Angriffe und wurden durch die Globalisierung geschwächt. Umweltschutz fiel da hinten runter. Aussetzer wie der Schulterschluss mit den Energiekonzernen in Sachen Kohlekraft - der vergleichsweise wenige Arbeitsplätze schafft, aber in den Gewerkschaften ein Machtfaktor ist - haben das Klima unnötig vergiftet.
Das Beispiel der USA zeigt, dass solche Gräben überwunden werden können. 2006 haben sich dort die United Steelworkers als größte Industriegewerkschaft und der mitgliederstarke Sierra Club zur Blue-Green-Alliance zusammengeschlossen. Inzwischen sind vier weitere Gewerkschaften und Umweltverbände hinzugekommen. Mit gemeinsamen Fernsehspots, Studien und Lobbyinitiativen setzen sie sich öffentlichkeitswirksam für die Schaffung von "green jobs" mit sozialem Ausgleich ein. Sie unterstützen sogar einen ambitionierten Gesetzesvorstoß für verbindliche CO2-Emissionsobergrenzen. Ziel der Arbeitnehmervertreter bei dieser ungewöhnlichen Allianz ist neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen explizit, ihre gesellschaftliche Isolierung aufzubrechen und neue SympathisantInnen zu gewinnen. Die Umweltverbände hingegen hoffen auf mehr Zuspruch bei den ArbeitnehmerInnen. Eine solche pragmatische Allianz zwischen Gewerkschaften und Umweltverbänden kann offenbar für beide von Vorteil sein.
Die hierzulande lange kultivierte gegenseitige Abneigung verschwindet nicht von heute auf morgen. Aber um das historische Fenster zu nutzen, bleibt ihnen kaum etwas übrig, als mit konkreten politischen Projekten Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu rücken. Für das dritte Konjunkturpaket könnten Umweltverbände mit Ver.di und IG BAU gemeinsame Anforderungen präsentieren, die die Schaffung von "green jobs" zum Schwerpunkt haben. Mit anderen könnte über den Umbau jener Wirtschaftsbereiche diskutiert werden, die ökonomisch und ökologisch wenig Zukunft haben.
Warum stricken IG Metall und VCD nicht gemeinsam an einem Konzept für einen modernen Mobilitätsdienstleister "Opel", in dem ArbeitnehmerInnen und Umweltbewegte gemeinsam das Sagen haben? Das alles löst zwar die Krise nicht. Die ungewohnte Allianz zwischen Arbeit und Umwelt könnte aber verhindern, dass fortschrittliche Stimmen im Krisenchor komplett untergehen.
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