Mir gefällt E. Steinbach auch nicht - aber die Hass-Kampagne in Polen ist einfach unanständig gewesen - man stelle sich einmal Vergleichbares in Deutschland vor! Laut jüngster Umfrage rangiert übrigens E. S. in Polen als Angst-Gegner an zweiter Stelle gleich nach Putin, der immerhin über den Geheimdienst FSB und über Atomwaffen verfügt.
Und was Geschichts-Verfälschung angeht: Jahrzehntelang wurde in Polen die Geschichte der "wiedergewonnenen Gebiete" (Ziemie odzyskane) bewusst und systematisch verfälscht. Das war angewandte "Geschichtspolitik". Das ist seit Solidarnosc besser geworden, aber davon steckt noch viel in den Köpfen. Eine Gedenkstätte an die Vertreibungen - das Selbstverständlichste von der Welt - würde die Reste dieser Geschichtspolitik in Frage stellen, und erzeugt deshalb beträchtliche Unruhe.
Wer in Polen macht sich schon Gedanken darüber, was z.B. eine Tafel "1945-Heimkehr ins Mutterland" ("powrot do macierzy") für Gefühle bei einem Vertriebenen oder Nachkommen von Vertriebenen auslöst - in einem ehemaligen Heimatort, der nachweislich von Deutschen im Mittelalter gegründet worden ist? Oder der überall an den Fassaden und Gedenksteinen die Spuren ausgelöschter Inschriften gesehen hat - nicht weil es Nazi-Texte gewesen wären, sondern weil sie an die Tatsache erinnerten, dass die Häuser von Deutschen (vor der Hitlerzeit) gebaut worden waren, dass die Gedenktafeln (vor der Hitlerzeit) von Deutschen errichtet worden waren.
Es ging eben darum, im besten stalinistischen Stil die Geschichte ganzer Landschaften umzuschreiben, zu übertünchen, zu polonisieren. Hat jemand in Deutschland deswegen eine Kampagne wegen "Geschichtsverfälschung" geführt? Man hat es ausserhalb der Vertriebenenkreise nicht einmal wahrgenommen.
E. Steinbach mag unsympathisch sein, sich undiplomatisch verhalten, oder wie ein Elefant im Porzellanladen. Man kann auch ihre politischen Ansichten ablehnen.
Aber ohne ihre Hartnäckigkeit gäbe es bestimmt kein "sichtbares Zeichen", nicht zuletzt, weil die Erinnerung an jene Ereignisse seit dem Krieg gegen Serbien wegen der Vertreibungen im Kosovo allen Beteiligten sehr unangenehm ist. Man hätte die Welt eben so gerne in schwarz-weiss gemalt: hier die Guten, da die Schlechten, und wehe wer da stört!
Dass die Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen nicht nur der Deutschen, sondern von Millionen Angehörigen verschiedenenr Völker von Finnland bis nach Rumänien, von Istrien bis zur Krim und sogar innerhalb Polens (Akcja Wisla) nicht allein Konsequenz des Krieges, sondern Ergebnis eines Kuhhandels der westlichen Alliierten mit Stalin waren, dem zweiten grossen totalitären Führer jener Zeit - das passt halt nicht ins Bild.
Aber wofür mußten die vertriebenen oder zwangsumgesiedelten Finnen, Balten, Polen, Ukrainer, Lemken, Ungarn, Rumänen, Italiener, Wolgadeutschen, Tataren usw. bezahlen? Waren die auch alle an Hitlers Krieg schuld?
Es hiess mal, man solle nicht aufrechnen. Gilt das in beide Richtungen, oder nur wenns in den Kram passt?
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