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Debatte UrheberrechtCopy&Paste machen das Leben schön

Kommentar von Julia Seeliger

Angesichts der Guttenberg-Debatte hätten die Kulturpessimisten es endlich raffen können: Das Netz ist kein "rechtsfreier Raum", in dem "geraubt" wird. Doch leider: Fehlanzeige.

Schuhe gegen Guttenberg: Da ist auch CCC-Sprecher Frank Rieger dabei. Bild: dapd

E igentlich sollten die Kulturpessimisten nach der Guttenberg-Debatte es doch endlich mal verstanden haben: Wer sich für eine Reform des Urheberrechts ausspricht, will das Urheberrecht mitnichten abschaffen, sondern: reformieren. Fitmachen fürs digitale Zeitalter. Der real existierenden "Copy & Paste" Welt realistisch begegnen.

Doch Konservative und Holzmedien werden nicht müde zu behaupten, die Internetaktivisten und die Piratenpartei hätten sich eine Abschaffung des Urheberrechts auf die Fahnen geschrieben. Und: Guttenberg hätte doch genau das gemacht, was diese Piraten immer fordern: Alles markieren, kopieren, einfügen. So wäre sie eben, die "Copy & Paste Generation". Was ist es, das diese Kulturpessimisten dazu treibt, solche Lügen weiterhin zu verbreiten? Wieso glauben sie, Kopieren sei vergleichbar mit einem Raubüberfall? Ist es Vorsatz? Oder ist es Dummheit, mangelnde Information?

Für das zweite spricht einiges. Zynisch betrachtet, hatten die Konservativen mit den Aspekten des Urheberrechts im digitalen Zeitalter bislang ja nur dahingehend zu tun, dass sie darüber beraten mussten, ob man "Raubkopierern" das Internet kappen, es der Verwerterindustrie leichter machen soll, zivilrechtlich gegen sie vorzugehen – oder ob man doch gleich Netzsperren gegen den “Ideenklau” im "rechtsfreien Raum Internet" einrichten sollte.

Zumindest Ulf Poschardt sollte sich mit Urheberrecht auskennen. Immerhin arbeitet er bei einer Zeitung. Das hielt den Springer-Feuilletonisten aber nicht davon ab, mit dem Argument "Sampling – eine Kulturtechnik, die zu Guttenberg passt" Äpfel mit Birnen zu vergleichen und zu postulieren, Guttenbergs Wissenschaftsbetrug käme bei der Jugend von heute gut an. "Der Jay-Z der bürgerlichen Politik: Beim jüngeren Publikum wird die Erregung über Guttenbergs Umgang mit Zitaten die Zuneigung eher verstärken, hat es sich doch in Zeiten des Copy and Paste daran gewöhnt, einen Teil seiner Schul- und Unileistungen durch virtuose Quellenrecherche zu perfektionieren". In ein ähnliches Horn stieß Khue Pham auf Zeit Online und verstieg sich zu der Analyse: "Guttenberg war ein Pirat".

Was für ein Unsinn! Axolotl Reloaded – dummes Gerede ohne Substanz. Vor einem Jahr, als die Feuilletons eher hilflos mit Helene Hegemans Roman Axolotl Roadkill, für den Hegemann per Copy & Paste aus Weblogs "recherchiert" hatte, umgehen mussten, dominierte die Sichtweise "so macht die Internetgeneration das eben". In der taz wurde Hegemanns Arbeitsweise mit einer Aktion "wir haben abgeschrieben" aufgegriffen. Gravierender wiederholte sich die Geschichte mit Guttenbergs Wissenschaftsbetrug. Und wieder wurde von der "Copy & Paste" Generation gesprochen.

Bild: privat
JULIA SEELIGER

JULIA SEELIGER ist Redakteurin bei taz.de.

Andreas Popp, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei, hat in dem Beitrag "Warum Guttenberg kein Pirat ist" den Knackpunkt genüsslich auseinanderdifferenziert. "Ohne Zitation hat sich Guttenberg einer Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht. Da wir Piraten das Urheberrecht ja eh blöd finden, sollten wir Guttenbergs Aktion dann nicht gut finden? Die Antwort lautet hier: Nein! (…) Das, was Guttenberg hier getan hat, hat nichts mit Filesharing zu tun und auch nichts mit dem gewünschten akademischen »Remix«, es ist schlicht und ergreifend Betrug". Popp schreibt in seinem Beitrag auch sehr genau auf, dass ein Unterschied zwischen privater Nutzung und einer Veröffentlichung besteht.

Witzig ist das langsam nicht mehr, wie ohne Sinn und Verstand die guten Forderungen in der Netzpolitik lächerlich gemacht werden. Das ausgeklügelte Creative-Commons-Lizenzsystem ist das Gegenteil von Regellosigkeit. Die von unzähligen Urhebern gemachte Wikipedia – so gut wie, vielfach besser als Offline-Lexika. Und auch die von vielen als "Monstrum" gescholtene Kulturflatrate ist so unrealisierbar nicht, hat sie doch ein analoges Vorbild: das pauschale Vergüten. Seit Jahrzehnten zahlt der Verbraucher auf Leermedien und Kopiergeräte eine Abgabe, die in einen Topf kommen – der wird über die Gema und die VG Wort an die Kreativen verteilt. Eine Transformation der Idee ins digitale Zeitalter steht noch aus.

Dabei muss es aber verhältnismäßig zugehen. Es ist richtig, darauf hinzuweisen, dass ein Song in den heutigen paradiesischen Zeiten der unendlichen Kopierbarkeit weniger kosten muss als noch zu den Zeiten, da die Platten-Presswerke und die Logistik mitbezahlt werden mussten. Auch ist wenig gegen neue Geschäftsmodelle jenseits von großen Verwertungsgesellschaften, Verlagen und Musik-Labels einzuwenden. Dass diese etwas gegen ein offenes, verbraucherfreundliches Urheberrecht haben, ist wenig überraschend – sie wollen ja ihre Besitzstände wahren. Und wollen klagen, abmahnen, sperren. Im Zeitungsbereich soll ein "Leistungsschutzrecht" die Pfründe der Etablierten sichern, vereinbart im schwarz-gelben Koalitionsvertrag.

Dass sich die Piratenpartei und all die Aktivisten, die sich seit Jahren für ein verbraucherfreundliches Urheberrecht im digitalen Zeitalter einsetzen, gegen die Wünsche der Besitzstandswahrer wehren, ist richtig. Damit wollen sie noch lange keine "digitale Anarchie" und auch nicht einen "rechtsfreien Raum Internet", so wie die konservative Propaganda gern behauptet.

Das Internet ist nicht böse und rechtsfrei – im Gegenteil. Schon heute ist der Verbraucher beim Einkauf im Netz stärker geschützt als offline. Digitalisierung und Vernetzung ermöglichen auch, das Urheberrecht sogar noch besser zu schützen als in der Vergangenheit. Zitate zieren nicht nur, sie sind auch unbedingt nötig, wenn der Urheber dies will. Der Link ist die neue Fußnote, der Urheber im Netz nur einen Klick entfernt. Respektieren wir ihn! Denn "Copy & Paste" machen das Leben schöner. Schneller Zugang zu Wissen – auch für Herrn Guttenberg.

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5 Kommentare

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  • S
    Seeliger

    Hallo, Herr Merkel

    danke für die Hinweise. Ich habs mal umformuliert. jetzt besser?

     

    Schönen Sonntag

     

    Julia Seeliger

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Gerade, wer sich für die Reform des Urheberrechts einsetzt, sollte sich nicht scheinheilig über Guttenberg empören. Ich bin für die Reform des Urheberrechts und gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg.

  • RM
    Reinhard Merkel

    Wenn Journalisten ihren zunächst doch durchaus geneigten Lesern den Weg zu ihrem schlauen Räsonnement nur nicht immer durch grammatische Stolpersteine verlegen wollten! Zu deren populärsten gehört die Unfähigkeit, den Konjunktiv des Imperfekts von dem des Präsens zu unterscheiden. Wie schön wäre es, wenn Journalisten einem nicht mehr weismachen wollten, es sei richtig, z.B. diesen letzten Halbsatz als "es wäre richtig" anzubieten! Wieso glauben sie, der Satz "Wieso glauben sie, kopieren wäre vergleichbar mit einem Raubüberfall?" sei vergleichbar mit irgendetwas anderem als einem Überfall auf die deutsche Grammatik? Na, wird schon nichts werden mit einer Antwort. Beiläufig: Wenn jemand den blöden Satz X sagt, dann "entblödet er sich nicht, X zu sagen", nicht aber "entblödet er sich, X zu sagen". (Weil nämlich "sich entblöden" ersichtlich heißt, sich einer Blödheit zu entledigen, und nicht das genaue Gegenteil, nämlich sich eine Blödheit zuschulden kommen lassen.) Trotzdem die freundlichsten Grüße.

  • M
    Meneteqel

    Vielen Dank für diesen Kommentar!

     

    Nachdem ich den unsäglichen Artikel von Khue Pham auf zeit.de gelesen haben, wollte ich schon selbst etwas dazu schreiben.

     

    Gerade die alternativen Modelle nehmen die Persönlichkeitsrechte der Urheberinnen und Urheber sehr ernst. Bei Creative Commons ist die Namensnennung allgemein üblich. In der Wikipedia ist genau nachvollziehbar, wer wann was geschrieben hat. Bei Freier Software lässt sich auch sehr gut nachvollziehen, wer daran beteiligt war. Das ist bei Closed-Source-Software meist nicht der Fall.

     

    Der Fall Guttenberg ist zumindest ein guter Anlass, auf diese feinen aber wichtigen Differenzierungen aufmerksam zu machen.

  • ML
    Max Lissowski

    “Gute Künstler kopieren, großartige Künstler klauen” (Picasso)