Debatte USA und China: Die Unberechenbaren
Donald Trump und Xi Jinping sind sich ähnlicher, als es scheint. Sie lassen es verbal krachen, es sieht aber nur nach einem Handelskrieg aus. Oder?
E in Handelskrieg zwischen Amerika und China wird zurzeit heraufbeschworen, und wichtiger als die Tausenden Details ist dabei der schlichte Fakt, dass Trumps Regierung es offiziell bedauert, dass China überhaupt als Mitglied der Welthandelsorganisation am Ende des unheilvollen Jahres 2001 aufgenommen wurde. Denn die damalige Entscheidung stellte eine Art Hochwassermarke des optimistischen Multilateralismus des 20. Jahrhunderts dar: eine Art Wette, dass das Reich der Mitte durch Handel und Wohlstand einzubetten sei, wie einst das besiegte Deutschland. Donald Trump will darauf nicht mehr setzen.
In diesen Tagen löst sich aber auch der Chinese Xi Jinping von den Leitlinien seines späten 20. Jahrhunderts. Denn Deng Zhao Pings Motto war bekanntlich: „Verstecke deine Kraft und warte ab.“ Offenkundig hat Xi, der gerade verkündet hat, lebenslang regieren zu wollen, nicht vor, seine Macht unter den Scheffel zu stellen.
Seit seinen Tagen als Reality-TV-Star kündigt Donald Trump gerne Verträge auf theatralische Art: An seinem dritten Amtstag sagte er die Teilnahme am pazifischen Freihandelsabkommen ab. Xi Jinping hat in den letzten Jahren durch Antikorruptionskampagnen seine Rivalen ebenfalls alle verdrängt.
Trump und Xi werden sich kaum auf dem Schlachtfeld begegnen, wenigstens so lange nicht, wie Steak und Hummer in Mar a Lago zu genießen sind. Dort, in Trumps West-Palm-Beach-Anlage, wurden sie durch Henry Kissinger zusammengebracht. Der Kissinger, Chefdiplomaten der chinesisch-amerikanischen Annäherung, der einmal gesagt hat, dass er nach einer Pekingente wohl jedem Abkommen zustimmen würde.
Deutliches Säbelrasseln
Das Säbelrasseln ist dennoch deutlich zu hören. China feiert mit Militärparaden seine weltgrößte Armee, und Xi will weiter aufrüsten. Trump dagegen lässt wissen, dass sich seine Industriepolitik hauptsächlich in der Rüstungsproduktion entfalten wird. Die von ihm erträumte epochale Militärparade hat Trump zwar in Paris abgeguckt, doch die Drohsignale gelten Peking.
Trump und Xi haben zu Hause alle Kontrahenten niedergerungen oder niedergeknüppelt. Von Xi heißt es, dass er geradezu obsessiv auf die Konkurrenz mit den USA fixiert ist. Beide Politiker haben seit ihrer Jugend den Machtkampf auch als Straßen- und Überlebenskampf begriffen. Das hat sie zu Führern der Massen gemacht, mit der Fähigkeit, diese Massen auch in Marsch zu setzen.
Beide wurden zwar mit silbernen Löffeln im Mund geboren, aber Xi geriet früh in die Wirren der Kulturrevolution. Sein Vater wurde als Führungsfigur inhaftiert, musste auf der Bühne vor Frau und Sohn einen riesigen Narrenhut tragen; vor Publikum denunzierte seine Ehefrau den eigenen Sohn. Xi musste um sein nacktes Leben kämpfen, mit den gleichaltrigen Söhnen der Elite, die in Maos Rote Garde gegangen waren. Im Sommer des Jahres 1966 wurden Tausende in den Straßen Pekings ermordet, wo Xi überlebte. Als der stets glatt gestriegelte Xi auf dem Tiananmenplatz die Militärparade 2015 anführte, ging es ihm sicherlich auch darum, niemals wieder solches Chaos zu erleben, niemals die hierarchische Ordnung aufs Spiel zu setzen.
Trump seinerseits wurde wegen unaufhörlichen Ungehorsams in eine Militärakademie nördlich von New York verbannt. Nach allen Aussagen ist er dort nie in den Alltagskämpfen unterlegen. In den ritualisierten Paraden stand er immer ganz oben in der Hackordnung.
Die großen Erzählungen
Vor diesem Hintergrund versteht sich fast von selbst, dass die Massen in Amerika und in China auf eine Art gegenseitiges Wetteifern getrimmt werden. Xi und Trump sind nach Finanzkrisen zur Macht aufgestiegen. In diesen Jahren seit 2008 in Amerika und 2015 in China wurde klar, dass viele Probleme kaum gelöst werden würden. Daher haben Trump und Xi die Nostalgie für Reagan beziehungsweise Mao gepflegt. Beide schrieben an großen Erzählungen, wieso ihre Landsleute unglücklich werden mussten. Der amerikanische Nationalschatz wurde Trump zufolge von China geraubt. Und das von dem chinesischen Volk gebrachte Opfer würde sich dennoch auszahlen in einer neuen glorreichen Rolle auf der Weltbühne, so Xi.
In beiden Ländern gibt es eine neue populistische Kultur gegen den Liberalismus. Die chinesischen Nationalisten nennen Liberale „White Lotuses“; die amerikanischen Populisten sprechen dagegen von „Snowflakes“. Solche Sprache macht Ethik und Pazifismus denkbar unattraktiv. Auch grassiert die Zentralisierung der Macht. Die Washington Post ist im Besitz von Amazon-Gründer Jeff Bezos, die South China Morning Post wurde vor Kurzem von Alibaba-Gründer Jack Ma gekauft. In Filmen wie „Wolf Warrior II“ kämpfen rambo-artige chinesische Helden mit Amerikanern, die mit üblen rassistischen antichinesischen Parolen glänzen, ehe sie von einfachen chinesischen Kämpfern niedergemetzelt werden.
Und was macht der oberste amerikanische Straßenkämpfer, der geschasste Rattenfänger Steve Bannon, der Trump zur Kündigung des pazifischen Freihandelsabkommens riet, und der zu verständnisvollem Umgang mit dem rechtsradikalen mordenden Autoraser von Charlottesville aufrief? Bannon tourt diese Woche durch Europa und beschwört den kommenden Krieg zwischen China und dem von ihm so genannten judeo-christlichen Westen. Er wirft China vor, die Amerikaner wie Barbaren zu behandeln.
Dabei vergleicht er die Chinesen sogar mit den Nazis: „Chinesen sind wie die Deutschen die rationalsten Menschen, bis sie es plötzlich nicht mehr sind“, so zitiert ihn der Journalist Michael Wolff. Bannons Lösung? „We are going to go barbarian“, also wir müssen uns wie die Berserker wehren. So ist für Bannon Amerika der Führer des judeo-christlichen Westens, bis es das plötzlich nicht mehr ist, sondern sich selber barbarisch gebärden muss. So gesehen fängt das Spiel des 21. Jahrhunderts gar nicht so anders an als das des 20. Jahrhunderts – berechenbar nur in seiner Unberechenbarkeit.
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