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Debatte Sexismus in HollywoodThe show must not go on

Kommentar von Theresa Hein

Harvey Weinstein, Marlon Brando? Ihre Filme sehe ich mir nicht mehr an. So habe ich in der Hand, welches Menschenbild ich unterstütze.

Harvey Weinstein: Kann man einen Film von seinen Entstehungsbedingungen trennen? Foto: ap

W enn mir ein Film gefällt, ist meine Leidenschaft kompromisslos. Ich war schon gleichzeitig in Natalie Portman, Mila Kunis und Vincent Cassel verliebt. Als „LaLaLand“ herauskam, war ich so oft im Kino, dass ich am Ende allein gehen musste, weil von meinen Freundinnen und Freunden niemand mehr bereit war, mich zu begleiten. Ich liebe Filme. Jetzt muss sich etwas ändern. Die Zeit der Kompromisslosigkeit ist vorbei.

Harvey Weinstein, der als ausführender Produzent an vielen meiner Lieblingsfilme mitwirkte, hat Frauen sexuell missbraucht. „August: Osage County“, „The Cider House Rules“, „Der Englische Patient“. Habe ich mich bei diesen Filmen gefragt, wer die Menschen hinter der Industrie sind? Wie Castingentscheidungen getroffen werden? Ich habe es nicht, und ich schäme mich dafür. Die Verdinglichung der Frau, über die ich sonst lese, schreibe, gegen die ich mich stemme, hat jetzt den Ort erreicht, an dem ich die Füße hochlege, meinen Kopf frei bekommen will, mich abkapsele von der Welt da draußen: meine Couch.

Natürlich gibt es dieses Problem nicht erst seit ein paar Tagen, siehe Roman Polanski, siehe Woody Allen, siehe Klaus Kinski. Und jeder, der glaubt, die Hollywood-Industrie (oder eine andere große Filmindustrie) sei eine ethisch korrekte, sittlich einwandfreie „Traumfabrik“, der ist naiv. Aber spätestens jetzt ist der Moment gekommen, auch privat auf ein Problem zu reagieren, das wir bisher toleriert haben.

Wir leben in einer Zeit, in der wir uns entscheiden können, ob wir Fleisch essen, in der wir bewusst mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren anstatt mit dem Auto, welche Kleidung wir kaufen. Warum fällt es uns so schwer, moralische Entscheidungen auch auf unseren kulturellen Konsum zu übertragen?

Fernseher an, Gehirn aus

Gibt es nicht viel schwerwiegendere Probleme auf der Welt, als Diskriminierung in der Kulturindustrie? Natürlich. Aber wir alle, die wir Zeitungen wie die taz lesen und das Glück haben, in Deutschland aufgewachsen zu sein, müssen uns nicht fragen, wo die nächste Mahlzeit herkommt. Oder ob wir verhaftet werden, wenn wir frei unsere Meinung äußern. Wir sind privilegiert, weil wir uns am Sonntagabend entscheiden dürfen, welchen Film wir ansehen. Aber das heißt auch: Fernseher an, Gehirn aus –, das geht mit dem Wissen, das wir haben, nicht.

Letztes Jahr wurde ein Video veröffentlicht, in dem Bernardo Bertolucci, Regisseur von „Der letzte Tango in Paris“, äußerte, dass er und Marlon Brando die junge Schauspielerin Maria Schneider mit der Vergewaltigungsszene in „Der letzte Tango in Paris“ überrumpelten. Ich werde in Zukunft auf Filme mit Marlon Brando verzichten. Das ist zwar schade. Aber es ist nichts, was mich ein Leben lang verfolgen wird, wie die Schauspielerin Maria Schneider, die sich nach dieser Szene vergewaltigt fühlte.

Ich möchte die Frau achten, die für eine Szene um der „glaubwürdigen Emotionen“ willen manipuliert und benutzt wurde, und ihre Menschenrechte würdigen. Zugegebenermaßen in einem sehr privaten Rahmen. Aber immerhin ignoriere ich nicht bewusst, was ihr angetan wurde. Ich will nicht die Kunst eines Mannes unterstützen, der Frauen wie minderwertige Objekte behandelt und dabei von der Hollywood-Industrie geschützt wird.

Seit letzter Woche bedeutet dieser Vorsatz, dass ich auch auf Filme der Weinstein-Company verzichten muss, wenn ich konsequent sein will. Werde ich das tun? Und ist Verzicht überhaupt die logische Folge? Nicht unbedingt. Denn dann würde ich auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Films dafür mit verurteilen, dass ihr Chef ein Schwein ist. Dann müsste ich wohl in eine Hütte im Perlacher Forst ziehen, mir ein Gewand aus Blättern schneidern und mich von Grashalmen ernähren.

Erst dann würde ich wirklich moralisch einwandfrei handeln. Aber das wird nicht passieren, denn ich hänge an den Bequemlichkeiten des 21. Jahrhunderts. Das ist auch nicht schlimm. Was viel wichtiger ist: Das Eis des Schweigens in einer angeblich modernen Welt, in der Frauen nach wie vor objektifiziert werden, hat Risse bekommen. Es ist unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es bricht.

Verbrechen ausblenden

Der Begriff „Kunstgenuss“ hat in der Hollywoodindustrie eine neue Bedeutung bekommen. Werke wie die der Weinstein-Company, von Roman Polanski oder Bill Cosby kann nur genießen, wer Verbrechen um des Kunstwerks willen ausblendet. Selbstverständlich steht es jedem frei, Künstlerinnen und Künstler von deren Werk zu trennen. Aber ist das nicht eher bequem als reflektiert?

Es kann nicht sein, dass wir uns über Missbrauch empören, in unserem Kulturkonsum aber bekannte Tatsachen über Künstler zugunsten ihrer Kunstwerke ausblenden. Wir können uns nicht mit den Adjektiven „feministisch“ und „humanitär“ schmücken und uns abends „Der letzte Tango in Paris“ ansehen, weil es eben „ein Klassiker“ ist. Die Diskussion darüber müssen wir annehmen und immer wieder führen, auch wenn wir anderen damit auf die Nerven gehen. Denn wer aufstöhnt und davon nichts wissen will, hat das Ausmaß des Problems nicht verstanden.

Für die Betroffenen verjährt Vergewaltigung nicht, genauso wenig, wie sexuelle Belästigung je verjährt, weil die psychischen Folgen, die durch diese Taten entstehen, nicht nach ein paar Jahren vergessen sind.

Es geht hier nicht um veganen Apfelkuchen oder Mülltrennung. Es geht nicht nur um das theoretische Frauenbild in unserer Gesellschaft. Sondern auch ganz praktisch darum, was für ein Leben diese Gesellschaft Frauen zugesteht. Wenn wir über Darsteller, über das Drehbuch und den Schnitt eines Films reden, dann reden wir bitte in Zukunft auch über das Menschenbild dahinter. Damit der Fall Harvey Weinstein kein Skandal bleibt, der nach zehn Tagen wieder abflaut. Sondern damit, dass er zu einer Chance wird, im gesellschaftlichen Bewusstsein etwas zu ändern. Auch in der Kultur haben wir, die Konsumentinnen und Konsumenten in der Hand, was wir kaufen. Welche Menschen wir damit unterstützen.

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17 Kommentare

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  • Harvey Weinstein hat zum Beispiel "Der Vorleser" mitproduziert. ( Und er verlangte von Kate Winslet anscheinend, dass sie ihn in ihrer Oscarrede lobend etwähnte- was sie nicht tat.) In der aktuellen "Emma" beschreibt der Mitproduzent, dass trotz Weinsteins Interaktion ein sensibles Drama entstand, aber auch, wie ihn die Bedingungen mental und finanziell geschadet haben. Etwa, weil Weinstein aus Kostengründen weitestgehend auf Werbung in Deutschland verzichten wollte. Obwohl der Film im Nachkriegsdeutschland spielt, auf dem Buch eines deutschen Autors basiert und der männliche Hauptdarsteller Deutscher war.

     

    Ich finde die Grundidee der Autorin gut, letztendlich ist es aber teilweise komplexer. Ich persönlich will keine Woody Allen Filme mehr im Kino sehen. Letztendlich ist Weinstein aber die Spitze des Eisbergs. Viele Klassiker beinhalten zwar keine gefilmt Vergewaltigungen wie "der letzte Tango". Die Kumpanei zwischen Regisseuren und männlichen Hauptdarstellern, die die weibliche Hauptdarstellerin ausschließt, bildet die ätzend-alltägliche Folie vieler Klassiker. Sei es Kubrik in "Shining", der Nicholson in seiner Exzentrik zum Wohl des Films befeuerte und Shelley Duvall so zusetze, dass ihr Nervenzusammenbruch nur teilweise gespielt war. Obwohl sie in anderen Filmen (mit konstruktiven Regisseuren) bewies, dass sie Schauspielerin kann. Destination Hoffmann, der in "Die Reifeprüfung" in einem nicht abgesprochenen Spontaneinfall seiner Filmpartnerin von hinten an die Brustkrebs Grafschaft und nicht etwa, wie es im Film erscheint, hilflos bebend weint, sondern unter seiner Hand einen hysterischen Lachanfall verbirgt. Robert de Niro und Scorsese in "Taxidriver", die nicht damit klar kamen, dass die Schauspielerin der konservativen Wahl- kämpferin zur Drehzeit schon eine gestandene Filmschauspielerin mit beachtlicher, zurückliegenden Karriere war.De Niro, der sie anschrie, sie solle nicht die Diva spielen, als sie von jemand einen Handventilator gegen die Hitze bekam

    • @Wallis:

      Best of Autokorrektur..

       

      "Dustin Hofman, der in einer nicht abgesprochenen Spontanidee seiner Szenenpartnerin von hinten an die Brust grabscht (...)"

    • @Wallis:

      Ich denke, die Machostrukturen im Film sind als verkrusteter Hintergrund aus den 60 bis 90er Jahren da. Und die Tendenz, so etwas zu akzeptieren oder auch als eigentlich bewundernswerte Freiheit der "Jungen Wilden" zu akzeptieren, ist erstaunlich hartnäckig.

  • Ich finde Sie sind nicht sehr konsequent in Ihrem Filmkonsum. Wenn Sie einerseits schreiben, wie wichtig ein bewusstes Leben ist, aber andererseits: "...an dem ich die Füße hochlege, meinen Kopf frei bekommen will, mich abkapsele von der Welt da draußen: meine Couch."

     

    Ein bewusstes Filmschauen ist eben nicht nur Entertainment und macht es auch möglich Filme zu schauen, deren Macher mehr als fragwürdig sind. Beispielsweise ist es extrem wichtig die Vorbehaltsfilme zu erhalten und zu wissen, wie die Nazis mit Mitteln des Films versucht haben Einfluss zu nehmen.

     

    Außerdem finde ich Ihre Zeitrechnung sehr seltsam. Kein APOCALYPSE NOW mehr zu sehen, weil Marlon Brando unter Umständen später ein Leben zerstört hat Straftat ist für mich irgendwie unlogisch. Irgendwie gleicht das einer Vorverurteilung: "Du wirst später Straftäter".

    Naja letztendlich bringen Sie sich um die Kunst.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "die ausbeutung unterdrückung und den missbrauch an männern dem an frauen gleichzusetzen ist eine fahrlässige oder boshafte verharmlosung."

     

    Ich denke, die im Kriegsgefallenen (überwiegend Männer) dieser Welt sind bestimmt nicht alle leichten Muts und mit Enthusiasmus für's Faserländ gestorben. Man(n) fabriziert sich die Welt, wenn man die Ausbeutung der Menschen geschlechtsspezifisch auflädt, um dann die Geschlechter gegeneinander auszuspielen. Allein wir mit unserem Konsum tragen zum Elend in der Welt bei und dabei fragt niemand, wen das trifft - und wenn er fragt, dann ist er'S bestimmt nicht zufrieden, wenn er hört, dass es nur Männer und männliche Kinder trifft, oder? Ausbeutung und Unterdrückung hat viele Gesichter, aber keins davon ist ausschließlich weiblich.

  • es ist meiner meinung nach sehr wohl legitim, einen verbrecher zu ächten, auch wenn es meine möglichkeiten übersteigt, alle verbrecher zu ächten.

     

    und wenn ich einen film nicht mehr angucke, weil er mit jemandes hilfe entstanden st, der ein verbrechen begangen hat, ist das legitim. und wenn ich über diese entscheidung spreche, ist das auch legitim.

     

    und wer mich dafür angreift, schränkt mein recht auf freie entscheidung unangemessen ein.

     

    klar, ich darf nicht hingehen und diesen menschen erschießen oder einsperren, aber selbstverständlich darf ich ihn als verbrecher identifizieren und selbstverständlich darf ich mich entscheiden, seine filme nicht mehr zu sehen. auch wenn er nicht der einzige verbrecher ist.

     

    "ich mache das nicht, weil ich sonst konsequenterweise auch dies und jenes nicht mehr konsumieren könnte" finde ich nicht überzeugend:

     

    erstens: besser ein kleiner schritt in die richtige richtung, als stehenbleiben und sich dann als konsequent loben.

     

    zweitens: vielleicht ist es keine schlechte idee, die werke vieler ächtenswerter künstler zu meiden. es gibt immernoch genug kunst von menschen die keine täter sind. und sogar kunst von betroffenen und überlebenden von gewalt.

     

    weiterhin möchte ich anmerken, dass entgegen eines kommentars mnner und frauen gleichermaßen betroffen sind. klar, auch männer, aber seltener und weniger drastisch. die ausbeutung unterdrückung und den missbrauch an männern dem an frauen gleichzusetzen ist eine fahrlässige oder boshafte verharmlosung.

    • @chn:

      Da stimme ich Ihnen zu!

  • Na ja, ich weiß nicht. Ich halte das für etwas zu kurz gedacht. Natürlich ist so ein Verhalten absolut nicht akzeptabel, aber ich finde, den Punkt, dass man hunderte anderer Leute damit mitbestraft, kann man nicht so einfach in einem Satz wegfegen. Für mich steht eher die Message des Films im Vordergrund. Wenn die in die gleiche Kerbe schlägt, dann wäre ein Boykott für mich sinnvoll, aber wenn der Film z. B. vielleicht sogar eine wichtige, gesellschaftskritische Botschaft hat, wäre ein Boykott vielleicht sogar eher schädlich. Dass man sich Filme deswegen nicht extra auf DVD/BD oder online kauft, klar verständlich. Aber dass man auch aufhört, sie dann z. B. im Fernsehen zu gucken, wenn sie laufen, ergibt für mich nicht so viel Sinn.

  • Vielen Dank für diesen Artikel. Auch wenn Roland Barthes den Tod des Autors schon vor Jahrzehnten besungen hat, würde ich ihnen zustimmen, dass ich z.B. bei dem Konsum des Essen sehr penibel darauf achte, wie der Produktionsprozess verlief, aber trotzdem habe ich mir den letzten Woody Allen Film im Kino angesehen. Meine Strategie ist zumeist wie beim Essen dann auf Quellen zurückzugreifen, wo die Produzenten keinen finanziellen Vorteil davontragen, also eine weitere Produktion in meiner Utopie nicht mehr lukrativ erscheint. Auf den Film bezogen müsste man also auf die Bibliotheksauswertung, Freunde, die eine DVD besitzen oder auf illegale Streaming-Seiten zurückgreifen. Die Filme als solches zu verdammen halte ich persönlich für schwierig. Falls diese sexistische oder misogyne Tendenzen aufweisen muss darüber geredet werden, aber gerade nach dem Schauen von Last Tango in Paris war ich erstaunt, dass vom Film her gesprochen sogar feministische Ansetze zu finden sind und die Ausbeutung der Frau durch die Kamera klar adressiert und vorgeführt wird (Szene in der U-Bahnstation). Mir fällt es definitiv schwerer einen Strich zu ziehen, aber vielleicht bin ich auch nur der Fleischfresser, der sagt ihm schmeckts halt so gut.

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    News: Nachdem dieser Artikel veröffentlicht wurde, hat die Harvey-Weinstein-Company direkt ein Containerschiff gechartert. Es wird vollständig mit Tempotüchern beladen.

  • "Es kann nicht sein, dass wir uns über Missbrauch empören, in unserem Kulturkonsum aber bekannte Tatsachen über Künstler zugunsten ihrer Kunstwerke ausblenden."

     

    Ein Kunstwerk steht für sich. Ist es vollendet, löst es sich vom Künstler. Man kann sehr wohl Filme, Gemälde, Bücher, Musik usw. auch dann lieben, wenn ihr Schöpfer / ihre Schöpferin ein Arschloch ist.

     

    Und übrigens: Herr Weinstein ist kein Künstler, sondern "nur" Produzent. Er ist an der Weinstein-Company "nur" beteiligt. Die dort produzierten Filme sind nicht "seine" Filme. Sie sind den Köpfen vieler Drehbuchautoren, Regisseure und Schauspieler entsprungen, die ich nicht in Sippenhaft für Weinsteins Straftaten nehmen werde.

     

    Nebenbei: Wie man so liest, wird die Firma wohl künftig von den kreativen Köpfen boykottiert werden. Vermutlich machen die ehemaligen Teilhaber Weinsteins unter anderem Namen weiter. Ich hoffe, die Filmemacher, die jetzt ihre Projekte zurückgezogen haben, finden dafür eine neue Heimat.

    • @Mark_Sch:

      Is ja nett, dass gleich jemand an die Filmemacher denkt. Solidarität und so, nur wenn’s passt! Da kann man sich auch mit Produzenten solidarisieren ;-), also so Lange sie nicht öffentlich an den Pranger kommen; schließlich müssen ja auch Filmemacher von etwas leben. Und wo soll Mann da die Grenzen ziehen, wie ich unten lese wird’s beim Öl ja auch schwer - dass ist wesentlich existenzieller. Praktisch ein globales Problem und nicht nur ein globales der halben Weltbevölkerung.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Das Problem wird schon beim nichtkulturellen Konsum problematisch. Deutschland importiert z.B. das meiste Öl aus Russland, Norwegen und Großbrittanien, aber auch aus Saudi Arabien. Wie sollen wir wissen, welches Benzin wir gerade tanken? Das des Diktators Putin, PC-Öl aus Europa oder Kopf-Ab-Öl aus Saudi Arabien? Am besten tanken wir gar keins und fahren nurmehr ÖPNV und dort nur Straßenbahn und Züge, die ohne Öl fahren. Aber der Strom kommt ja nun auch nicht allein aus der Steckdose. Konsumverzicht kann nicht total sein, aber er kann sich immer mehr in ihn einüben, indem man z.B. keine Hollywood-Filme mehr schaut. Es gibt ja genug "unabhängige" Filme(macher), die keinesfalls schlechter sind.

  • Wenn es so einfach wäre, solche Vorgänge zu boykottieren. Es sind eher typische Verhaltensweisen von Menschen in einer beliebigen Industrie, die eine Position erreicht haben, aus der sie anderen sagen können "wenn Du hier weiterkommen willst, musst Du aber erst XY". Und XY kann jede Form von Prostitution oder Selbstverleugnung sein und betrifft Männer und Frauen gleichermaßen, schon sehr lange.

     

    So gesehen muss man sich fragen, wieso nur der? Wieso gerade jetzt? Es gibt die Theorie, dass die aktuelle Geschichte von Trump-Anhängern angeleiert wurde, um Hollywood mal einen reinzuwürgen, das politisch anscheinend vorwiegend Democrats favorisiert.

     

    Aber das lenkt vom Thema ab. Der Machtmissbrauch ist so verbreitet und so in diesem System verankert, dass sich unterhalb einer saftigen Kulturrevolution mindestens vergleichbar mit dem Aufkommen der Umweltbewegung nichts, rein gar nichts ändern wird, dann kann man sich alle paar Wochen über sowas aufregen und schön, dass wir darüber geredet haben.

     

    Erst wenn wir grundsätzlich Kontra geben, wenn unsere Vorteile durch Missbrauch anderer erzeugt werden, wird sich hier etwas ändern. Ein einfaches Prinzip, aber momentan nur umsetzbar, wenn man in eine Höhle im Wald zieht und sich von Ameisen ernährt.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich mag es persönlich zwar mehr, wenn keine Kulturindustrie hinter der Kunst steht, aber bei Filmen ist das relativ schwer. Ich habe mich beim Lesen aber auch an die Wagner-Festspiele erinnert oder an den Protestantismus und seinen Luther. Idole mit fragwürdiger Vita gibt es auch im Liberalismus (z.B. die Sklavenhalter-Gründerväter oder Henry Ford) oder dem Kommunismus.

    Naja, wenn die eigene zentristische extremistische Mitte Gulags in Afrika baut, Lager des Vergessens der kapitalistischen Lagerlogististik für unwerte Menschen, dann ist bei der Auswahl ihrer Idole auch nicht viel zu erwarten.

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Richtig so, keine moralische Diskussion ohne schrille Überreaktion,das gehört sich so, so wird Moral stets neu verhandelt.

     

    Trotzdem, Filme, die man sich einmal gekauft hat, weil sie gut sind, weil sie einen berühren, im Regal stehen zu lassen, weil man über einen Beteiligten etwas Neues herausgefunden hat...? Aber jedes Jahr ein neues iPhone, obwohl man da echt mal was machen müsste... Diese Reaktion mag recht sein, vor allem aber ist sie billig. So billig, dass sie nächsten Monat wieder vergessen ist.

     

    PS: Wo, Frau Hein, ziehen Sie eigtl die Grenze, wenn Sie auf der einen Seite so obsessiv ins zutiefst sexistische Kino laufen und zahlen, Männern beim Egowichsen zuzusehen, andererseits aber Filme boykottieren, für die Sie schon gezahlt haben, bei denen der eine oder andere echte Wichser dabei war?

     

    Und was ist beispielsweise mit dem Leichenschänder Leo da Vinci und seinem Werk?

  • Sie besuchen auch keine antiken Baudenkmäler mehr, weil die damaligen Herrscher ...? Oder lesen keine Klassiker, weil die damaligen Autoren es mit gleichen Rechten für alle Menschen nicht so hatten? Ach, vielleicht sollten Sie einfach zwischen der Privatperson und dem Künstler/Filmschaffenden einen Unterschied machen ... alles andere ist substanzlos wie: "Ich kauf nichts von Nestle, weil die machen schlimme Sachen in Afrika ..."