Alter ist nicht der einzige Indikator für die Zukunftsfähigkeit einer Partei. In Hamburg Mitte sammelt sich die dämlichste, zugleich jüngste Nachwuchstruppe der Partei in Westdeutschland. Wer gesehen hat, wie dieser Funktionärskader in die Revolte gegen Mathias Petersen (ehemaliger Spitzenkandidat der HH-SPD) gegangen ist, der weiß, dass junge Menschen auch große Instabilität und Impulsivität bringen können. Innerparteiliche Demokratie dem Willen einer Scharr junger Leute zu opfern, wie geschehen in Hamburg, ist kein Rezept.
Tobais Dürr ist im Übrigen ein parteiischer Betrachter der Szene. Er arbeitet für eine Parteizeitung und war früher mal ein unabhängiger Wissenschaftler. Wer die Leiche SPD beleben will, der muss ihr ein Profil schärfen, das zu ihrer Grundausrichtung als einer linken, demokratischen und liberalen Volkspartei entspricht. Wenn diese Partei einfach eine wendige Kehrtwende macht und Kurs auf die FDP nimmt, dann landet sie auch dort, wo die Liberalen bei Wahlen stehen: Zwischen 6 und 3, 5 Prozent.
Die Berliner Republik, jenes Organ der SPD, das von Tobias Dürr betreut wird, zählt praktisch die gesamte Führungsriege der SPD zu ihren Herausgebern und ist keinesfalls ein überparteiliches Forum. Die SPD krankt doch im Kern an ihrer verdorbenen Identität als Partei des sozialen Ausgleichs (Harz-IV) und ihrer nicht vorhandenen Liberalität (Doppelte Staatsbürgerschaft, Terrorgesetze). Und dies waren die zentralen Elemente der SPD-Politiker von 1998-2005 – noch heute erzählen die Herausgeber der Berliner Republik, wie erfolgreich diese Politik gewesen sei. Allerdings verliert die SPD seit 2003 konsequent bei Wahlen. Aber auch die eigenen Reihen lichten sich: Bis 2008 war der SPD die mitgliederstärkste Partei Deutschland und dies ist wirklich ein Phänomen.
Ich hoffe, dass die taz in Zukunft auf Analytiker und Journalisten zurückgreift, die entweder offensiv parteiisch oder aber tatsächlich unabhängig sind. Die lauwarmen Ausdeutungen eines Tobias Dürr schmecken so, wie sich seine Republik dürftig liest. Dürr ist zudem auch Politikerberater – von welcher Partei wohl? Und was ist eigentlich substantiell an seinen Ausführungen? Was wissen oder ahnten wir davon noch nicht?
Die Wahrheit ist doch, dass der langsame Abstieg der SPD auch die Chance für neue Kräfte und neue Parteien bietet, das sie für neue Formen der politischen Arbeit und Debatte sorgen werden. Das Konglomerat aus Gewerkschaft, Arbeiterwohlfahrt und Partei war schon lange ein Auslaufmodell und hatte den Charme einer Curry-Wurst im Ruhrgebiet – irgendwie rustikal und lustig, aber wer will das täglich haben? Die Herausgeber der Republik speisen lieber in Mitte und sind im Trend und verlieren dabei die Wähler und Anhänger aus den Augen, die durch Aldi-Märkte streifen, gebrauchte Autos fahren und sich über die Job-Center ärgern.
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