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Debatte MittelmeerunionMittelmeerunion, au travail!

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Die Mittelmeerunion muss darauf bestehen, die Zivilgesellschaften im Süden zu stärken und in den Prozess einzubeziehen, sonst bleibt sie ein Klub zum geschäftlichen Austausch.

Keine Frage: Nicolas Sarkozy hat am Sonntag in Paris einen diplomatischen Erfolg davongetragen. Anlässlich des Gründungsgipfels der Mittelmeerunion ist es ihm gelungen, fast alle Staats- und Regierungschefs des Mittelmeerraums plus jene aus den EU-Ländern gemeinsam an einen Tisch zu bringen. Und das, obwohl viele dieser Staaten seit Jahrzehnten im Konflikt stehen oder sogar im Krieg gegeneinander liegen. Dass Damaskus und Beirut den Élysée-Palast gewählt haben, um eine schon länger angebahnte diplomatische Annäherung offiziell zu machen, ist ein zusätzliches Bonbon für Sarkozy.

Doch jenseits der Symbole ist in Paris noch nicht viel passiert. Wenn die Mittelmeerunion mehr bieten soll als einen einmaligen großen, internationalen und selbstredend medienwirksamen Auftrieb, dann beginnt die eigentliche Arbeit der Mittelmeerunion erst jetzt. Dabei tun sich zahlreiche neue Hindernisse auf.

Einmal ist das Interesse im Inneren der EU durchwachsen. Es fällt auf, dass einzelne EU-Länder - darunter so große wie Großbritannien - sich bislang komplett bedeckt gehalten haben. Und dass andere - darunter so große, wie Polen - sich stärker darauf konzentrieren, Konkurrenzorganisationen in Richtung Osten vorzubereiten, als die Mittelmeerunion zu unterstützen. Gleichzeitig ist klar, dass es die neue Organisation auf der südlichen Mittelmeerseite mit zahlreichen Partnern zu tun hat, die weder demokratisch gewählt wurden, noch viel mit Demokratie anfangen können.

Natürlich liegt es im Interesse aller Beteiligten, dass die Feindseligkeiten in der Mittelmeerregion gebannt werden. Auch die Intensivierung von Wirtschaftszusammenarbeit und das gemeinsame Vorgehen gegen Klimakatastrophe und Wasserverschmutzung sind überzeugende Gründe für eine bessere Zusammenarbeit. Doch Fortschritt hier kann nur in Kombination mit Demokratie funktionieren. Deswegen muss die Mittelmeerunion darauf bestehen, die Zivilgesellschaften im Süden zu stärken und in den Prozess einzubeziehen. Andernfalls bleibt sie ein Klub zum geschäftlichen und polizeilichen Austausch. Mit vielen Diktatoren. Und ohne Menschenrechte.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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