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Debatte LumpenproletariatProdukt des Sittenverfalls

Kommentar von Christian Semler

Marx sprach vom "Lumpenproletariat". Die britische Elite spricht von "Kriminellen", wenn sie die Randalierer in den Städten meint. Beide machen es sich zu einfach.

Der "Lumpenmann" geht um in Hackney/London. Bild: dapd

M an glaubt sich unversehens ins 19. Jahrhundert zurückversetzt, in die Zeit der Angst vor der "ruchlosen Masse". Für David Cameron sind die Plünderer und Brandschatzer in Englands Großstädten einfach Pöbel. Nach Gründen suchen? Überflüssig. "Das ist", so Cameron, "schlicht und einfach Gewalt, der wir entgegentreten und der wir ein Ende bereiten müssen." Es geht um "pure Kriminalität".

Artikulierter sozialer Protest war bei den Unruhen tatsächlich nicht sichtbar. Die Randalierer gehörten zur Unterschicht, entstammten aber keinem einheitlichen Milieu. Politische Motive sind nicht auffindbar. Vergeblich wird man nach der Spur von Ideen fahnden, die aus dem Umkreis des Anarchismus stammen und zur Umverteilung durch Go-ins in die Konsumpaläste der Reichen oder gar deren Brandschatzung aufrufen.

Zwar war, wie häufig, der Anlass eine Polizeiaktion mit Todesfolge, aber die Randalierer gingen der Polizei förmlich aus dem Weg. Also doch nur "pure Kriminalität"? Der Erklärungsgrund für "pur" beruht auf der Tautologie, wonach die Kriminalität aus der Begehung von Straftaten resultiert.

Christian Semler

ist seit 1989 Autor der taz. In frühen Jahren war er kurzfristig Jurist und hatte ein offenes Ohr für kollektive Enteignungsmaßnahmen. Es musste aber politisch zugehen. Heute steht er brav an der Kasse und zahlt.

Um etwas tiefer zu schürfen, entfachen die britischen Konservativen jetzt eine Debatte über den Werteverfall in der Gesellschaft. Und einige der rechten Kritiker gehen sogar so weit, die britische Machtelite anzuklagen, weil sie es versäumt habe, der Bevölkerung ein Vorbild zu sein.

Tatsächlich haben die Engländer gerade in den letzten Wochen mit dem Murdoch-Skandal ein Panorama des Sittenverfalls bei ihren Eliten miterleben können. Aber wie lässt sich außer allgemeinen Jeremiaden über die Herrschaft des Geldes die Kriminalität an der Spitze der Gesellschaft mit der an seiner Basis in Verbindung bringen?

Traditionell werden von der Linken gesellschaftliche Gründe für Krawalle und Gewaltexzesse in Stellung gebracht. In linearer Ableitung versagen Erklärungsversuche, die die jüngsten Krawalle unmittelbar als sozialen Protest der Unterschichten sehen. Genauer verfahren Untersuchungen, die die sozialen Beziehungen innerhalb der "Unterschicht" in den Blick nehmen.

Sie zeigen uns einen rapiden Verfall bislang allgemein akzeptierter Verhaltensweisen. Der normative Kitt, der die Gesellschaft über Klassengrenzen hinweg zusammenhält, bindet nicht mehr. Ein Leben nach festen moralischen Regeln würde voraussetzen, dass man es auf halbwegs funktionierende Weise bewältigen kann. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Die kriminelle Innovation

Der amerikanische Soziologie Robert Merton hat diese um sich greifende Gesetzlosigkeit, diese "Anomie" im Hinblick auf die Kriminalität untersucht. In der von ihm entwickelten Typologie sieht er Kriminalität dort entstehen, "wo jemand, weil er die von ihm erstrebten Ziele mit legalen Mitteln unter den vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen nicht erreichen kann, zu illegalen Mitteln greift, um zum Ziel zu kommen".

Er nennt dies "Innovation". Die Innovatoren teilen mit den "Konformisten" bei Merton die Ziele: etwa den Wunsch nach einem guten Leben. Sie lehnen es aber ab, sich bei der Verfolgung dieser Ziele auf legale Mittel zu beschränken. Die Wirksamkeit der kriminellen "Innovatoren" bemisst sich nach ihrem Erfolg, die anomische Basis in der Bevölkerung zu erweitern, neue Anhänger gesetzlosen Handelns zu gewinnen.

Dies geschieht umso leichter, wenn der Konformitätsdruck, sich "anständig" (so Camerons Forderung) zu verhalten, dadurch nachlässt, dass bei den Eliten selbst Kriminalität grassiert - und die Täter ungestraft davonkommen. Kriminelle aus der Elite dienen Plünderern und Brandschatzern zur Rechtfertigung, wenn nicht sogar zum Vorbild.

Wie stabil ist die Gruppe der gesetzlosen "Inovatoren"? Für Marx und Engels wäre die Sache klar gewesen: Sie erfanden die Kategorie des "Lumpenproletariats" zu ihrer Charakterisierung - und die war drastisch. Lumpenproletariat war für sie der "Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen".

Das sind nach Marx "Leute ohne bestimmten Arbeitszweig, Herumtreiber, dunkle Existenzen, nie den Tagesdiebcharakter verleugnend". Mag sein, sagt er, dass das Lumpenproletariat zum Teil "in die proletarische Bewegung hineingeschleudert wird, aber es wird bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu lassen".

Keine Unterschichtentruppe

Dem Lumpenproletariat steht nach Marx und Engels eine disziplinierte kampfstarke Arbeiterbewegung gegenüber. Sie ist der Antagonist und Totengräber der Bourgeoisie. Die Arbeiterbewegung verkörpert die Zukunft, das Lumpenproletariat ist nur ein Fäulnisprodukt der niedergehenden bürgerlichen Ordnung.

So stellte es sich den "Klassikern" dar, aber welchen Erklärungswert hat heute, nach dem Niedergang der organisierten Arbeiterbewegung, noch die Kategorie "Lumpenproletariat"?

Bei Marx und Engels ist der Begriff polemisch gegen die Anarchisten zugespitzt: kein Bündnis mit den Lumpenproletariern, wie es Bakunin fordert. Marx zählt mit geradezu liebevoller Akribie die Gruppen von Lumpen auf, vom verkrachten Lebemann über Gaukler bis zu Scherenschleifern (nicht zu vergessen: die Literaten) und betont damit die Heterogenität des Lumpenproletariats, seine Distanz zur Arbeiterklasse.

Deshalb ist er nicht willens, die engen Beziehungen zur Kenntnis zu nehmen, die zwischen der Arbeiterklasse und dem Lumpenproletariat bestanden. Seine Schlussfolgerung: Man muss sich diese Bande vom Hals halten. Den Rest wird die Revolution besorgen. Doch die ist leider ausgeblieben.

So unrecht Marx und Engels mit ihrem generellen Verdammungsurteil hatten, so recht hatten sie, wenn sie die Vielfältigkeit, die "Buntheit" des lumpenproletarischen Milieus hervorzuheben. Das gilt auch heute. In London und anderen Großstädten hat keine Gang zugeschlagen, keine homogene Unterschichtentruppe.

Viele der kriminell Gewordenen leben unter einem Dach mit Leuten, die eine geregelte Arbeit haben. Die grassierende Anomie ruft in den armen Vierteln individuelle wie kollektive Gegenwehr hervor. Anomie ist ansteckend. Aber Solidarität ist es auch.

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16 Kommentare

 / 
  • C
    Chris

    Wir könnten uns ein Beispiel an der Natur nehmen, wie sie ein perfektes System erschaffen hat, worin jede Zelle für das Wohlsein der anderen arbeitet. Siehe unser Körper.

     

    Und unsere Gesellschaft zeigt uns, wie es allen, vor allem den gelangweilten Jugendlichen an Aufgaben fehlt, die keine Ziele haben, für die es sich lohnt, sich anzustrengen oder sich einzusetzen, dass sie ohne Lob und Preis sind, denn sie sehen ja auch, dass Geld allein nicht gluecklich macht, sondern höchstens Befriedigung bringt, und die dann auch bald wieder vergeht.

     

    Wir müssen uns kümmern, dass diese Geschehnisse ein Bild der Vergangenheit bleiben.

  • H
    Hans

    Der Begriff Lumpenproletariat und diePlünderung bzw. der Aufruhr sind nicht unbedingt so verbunden, dass sie für eine Analyse wirklich taugen würden. Es ist vielmehr die Pauparisierung, die tendenzielle Verarmung in der Entwicklung des Kapitalismus, die hier wirklich bedeutsam sein könnte, denn die Plünderer sind auch das Produkt einer sinnlosen Werbe- und Konsumwelt, einem Anreizsystem, dass die Menschen aggressiv auf Konsum trimmt.

     

    Und absurderweise haben ein paar Tausend Briten dann auf ihre Weise konsumiert, ohne aber an der Kasse zu bezahlen. Wer aber meint, dies sei per se nicht politisch, dem würde ich schon entgegenhalten, dass so ein massiver Gesetzesverstoß in kollektiver Weise ein politischer Akt ist, der mir zwar nicht gefällt, aber dennoch eine ablehndende Botschaft an die Herrschenden aussendet.

     

    Und nach Marx geht's im Kapitalismus mit den Gewinnen bergab und dafür müssen die Arbeitskräfte eben immer mehr verarmen und immer stärker ausgebeutet und um ihren Lohn gebracht werden. Genau diese Mechanismen sind in England schon lange nachvollziehbar, weil eben nur wenige wirklich von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren. Andererseits ist gerade die Alltagskultur in Großbritannien von massiver Werbung und Konsumzwang geprägt, ein alternatives Bewusstsein für Konsum und Einkauf gibt es kaum nocht, oder ist längst selbst Teil der echten Mainstreamkultur geworden.

  • SZ
    Strahlende Zukunft

    Nachdenklicher als Kommentare im Stile des Autors Christian Semler stimmt dieses Zitat:

     

    "Diese Jugendlichen sind die Opfer einer kriminellen Elite, die den Reichtum massiv von unten nach oben verteilt hat und völkerrechtswidrige Kriege in Afghanistan und im Irak führt. Nun werden sie von den eigentlichen Verbrechern in Schnellverfahren abgeurteilt, und ihre Familien sind mit Maßnahmen konfrontiert, die an die schlimmsten Auswüchse von Polizeistaaten erinnern."

    ( aus: http://www.schattenblick.de/infopool/medien/altern/glei3801.html)

  • UK
    Unsichere Kantonistin

    Hiermit bekenne ich mich zum Lumpenproletariat. Erkennbar bin ich am Kapuzenpulli, er ist mir zweite Haut und Tarnkappe in Einem. Was mir wirklich am Herzen liegt: der Prophet Marx samt seinen Anhängern können mich mal gern haben.

  • W
    w.-g.esders

    ob die unruhen in nordirland ´was damit zu tun haben, dass die englische oberschicht da mal so einige hunderttausend leute hat verhungern lassen? DAS war kriminell.

  • T
    Trauermob

    Mehr politische Aufklärung für Anarchisten!

  • S
    Sternchen

    Soso, die Kriminellen wehren sich also nur. Sie sind nur Opfer der Gesellschaft. Und das macht es sich nicht einfach?

     

    Zitat: "wo jemand, weil er die von ihm erstrebten Ziele mit legalen Mitteln unter den vorherrschenden gesellschaftlichen Bedingungen nicht erreichen kann, zu illegalen Mitteln greift, um zum Ziel zu kommen"

     

    Wer sagt, dass er das nicht kann? Vielleicht wollen sie es nur einfach nicht, weil es zu anstregend ist? Obiges Zitat ist pure Entschuldigung für gewöhnliche Kriminelle.

     

    Zitat: "Den Rest wird die Revolution besorgen. Doch die ist leider ausgeblieben."

     

    Nein. Gott sie Dank. Auf Mauer und Gulag sollten wir alle verzichten können! Und was anderes ist bei diesen Revolutionen ja nie rausgekommen. Ja, ich weiß, echter Kommunismus sähe natürlich ganz anders aus. Nur der in der verdammten Realität ist so brutal. Nun, das liegt aber vielleicht daran, dass Sozialismus/Kommunismus und Realität nicht so gut zusammengehen. Es ist wie mit diesen Gremlins. Sie sind furchtbar süß, nur wenn sie mit Wasser in Berührung kommen, werden sie zu Monstern. Nun: Das Wasser des Sozialismus ist die Realität.

  • B
    Bitbändiger

    Danke, @Warumundwieso, für die vermutlich gelungene Zusammenfassung der (mir bisher nicht bekannten) Sennett'schen Analyse des Problems - alles einsichtig. Leider hat Sennett offenbar keine Rezepte,sonst hätten Sie sie sicher erwähnt.

     

    Auch ich habe leider keine Rezepte.

     

    Selbstverständlich wüsste ich zu jedem einzelnen Punkt, wie durch (zumeist nur global mögliche) Regulierung Abhilfe geschaffen werden könnte, und würde spätestens nach dem 3. Spiegelstrich als "Sozialist" beschimpft. Der Zeitgeist ächtet den Einsatz menschlicher Intelligenz zur Lösung sozialer und ökonomischer Probleme und propagiert ungeachtet ständiger Verschlimmerung die "Selbstheilungskräfte des Marktes" (sprich: den Primat der Gier) als heilsbringende Religion. Wolfsrudel handeln weitaus intelligenter.

     

    Ein wichtiger Punkt fehlt allerdings in Sennetts Analyse: Die Systeme werden durch ihre ins Unermessliche wachsende Größe, nämlich mittlerweile global 90% Übervölkerung (und dies nicht nur in der 3. Welt, sondern vor allem auch bei uns!), immer unbeherrschbarer. Und da die unverdrossene Wachstumsideologie in absehbarer Zeit mit der Endlichkeit der globalen Ressourcen frontal kollidieren wird, besteht immerhin die Chance, dass die danach radikal verkleinerte Gattung homo sapiens sapiens die sapientia vielleicht doch noch einsetzt.

     

    Für mich hoffe ich in diesem Zusammenhang auf die "Gnade des rechtzeitigen Ablebens". Aber für meine Kinder und Enkel sehe ich schwarz.

  • G
    grafinger

    Ach Ja? Angeblich findet zur Zeit eine "Enthumanisierung der Gesellschaften" statt. Nur kann ich dafür keine Indizien erkennen!

    Vor nicht einmal 100 Jahren wurden Millionen junger Menschen in sinnlosen Schlachten niedergemetzelt oder durch willkürliche Todesurteile ermordet und die "Gesellschaften" schrien Hurra dazu.

    Arbeiter sind heute bis auf wenige Länder weit davon entfernt von Hunger, Krankheit und Elend bedroht zu werden.

    Die heutigen Möglichkeiten der Mitgestaltung durch engagierte Bürger hätte den Willi Brandt zu einem erstaunten "Soviel Demokratie wagen?" veranlasst.

    Ganze Berufsgruppen leben davon dass in den letzten 20 Jahren durchschnittlich SIEBEN Personen pro Jahr Opfer rechtsradikaler Gewalt wurden.

    Das einzige was der "Gesellschaft" widerfahren ist ist ein infantiler, egozentrischer Hedonismus. Klar, dass manche ausrasten weil die Fürsorge nicht das neueste Smartphone und die ach soo wichtigen "Apps" finanziert und das Appartment in Top-City-Lage voll ausstattet.

  • EV
    Elena von Trier

    Unser egoistischer Widerstand gegen die globale und assoziierte Natur kann nicht unendlich dauern; denn die Menschheit entwickelt sich weiter – unsere Gegensätzlichkeit verstärkt sich von Tag zu Tag, und als Folge dessen werden wir uns in einer tieferen und vielseitigeren Krise wiederfinden.

     

    Dies kommt zum Ausdruck durch soziale Proteste, Revolutionen oder sogar Weltkriege – die Menschheit wird gewöhnliche egoistische Methoden verwenden und „nach Gerechtigkeit suchen“. Die Natur wird aber „gewinnen“ und uns zwingen, über die Ursache und das Ziel des Leidens nachzudenken.

     

    Die Ursache liegt in der Differenz zwischen der Natur und der Menschheit: Wir sind die geborenen Egoisten, und die Natur ist die assoziierte Einheit. Das Ziel ist unsere Einheit mit der Natur, um eine volle Verschmelzung mit ihr zu erreichen. Wir sollen ihr Prinzip, „Liebe den Nächsten wie dich selbst“, verwirklichen. Die Natur zwingt uns dazu, entweder das Ziel zu begreifen und es zu verwirklichen oder sie wird uns „schlagen“: entweder Brot oder Peitsche – die Wahl ist frei!

  • E
    ebi

    ein anderer ansatz. ein weiterer versuch, motive für diese sinnlosen aktionen zu finden. kriminologen sind die tage zur genüge zu wort gekommen. die wissen immer gleich so genau über die ursachen bescheid, diese schlaumeier. denken wohl stets daran, wie und wo sie gelder für eine neue untersuchung locker machen können.

    unsere gesellschaftlichen probleme sind doch nicht neu. wenn es um die veränderung der gesellschaft geht, ist ein blick zu marx und engels nie verkehrt.

  • H
    hto

    "Produkt des Sittenverfalls"

     

    Im Konsum- und Profitautismus des "freiheitlichen" Wettbewerbs gibt es keine Sitten, die eindeutig auf Kultur und Verstand von Vernunftbegabung zeugen würden, sondern nur Unwahrheiten und oberflächlichen Schwach- wie Blödsinn, der SYMPTOMATISCH ist, für die systematische Bildung zu Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Sündenbocksuche!?

  • W
    Warumundwieso

    Antworten auf die Fragen nach den Ursachen gibt unter anderem der amerikanische Soziologe Richard Sennett in seinen Büchern "Der flexible Mensch" und "Die Kultur des neuen Kapitalismus". Ursache ist die Enthumanisierung der Gesellschaften. Alle stabilisierenden Grenzen, Strukturen, Bindungen und Identitäten werden aufgelöst zugunsten eines effizienten globalisierten Kapitalismus, der keine Rücksichten mehr nimmt und für den 'der Mensch' nur noch eine wirtschaftliche Verfügungsmasse ist. Das betrifft alle sozialen Schichten, das erzeugt Entfremdung, Masslosigkeit, Orientierungslosigkeit, Frustration, Perspektivlosigkeit - und entlädt sich schließlich in Anarchie und Gewalt, bei den einen an den Börsen, bei den anderen auf der Straße. Nationalitäten, Kulturen, Familie, Gewerkschaften, Parteien mutieren zu einer 'Cloud' von (digital vernetzten) Einzelkämpfern, die spontan agieren, in losen, stets veränderlichen Strukturen. Ob in Nordafrika oder in London. Es irritiert traditionelle Autoritäten, dass man die neue Gewalt nicht mehr stereotypen Gegnern zuordnen und kontrollieren kann wie noch in den 70/80ern, weder links noch rechts. Weder die Freibeuter an den Börsen noch den Mobb auf der Straße, erst recht nicht die digitalen Piraten, die in Zukunft ganze Systeme lahmlegen könnten in einer Welt, in der es keine Verantwortung mehr gibt. Schon gar nicht seitens der Politik.

  • H
    Honer

    Mal wieder einer der (leider) vielen nichtssagenden Kommentare hier.

    Das höchste journalistische Armutszeugnis dürfte jedoch sein, sich zur Verwendung eines Begriffs wie "Lumpenproletariat" bei Wikipedia zu bedienen. Kaum ne Information aus dem Wikipedia-Artikel, die der Autor nicht auch benutzt.

    Bei so einem Anspruch kann man auch gleich das politische Lager wechseln und zur "Bild" gehen. Das Niveau ist dasselbe...

  • KM
    Karl Marx

    Der Artikel basiert doch lediglich auf "wissenschaftlicher" Verbrämung, Wortverdreherei und am Schluss wird noch einmal mit Marx abgeschmeckt. Klar kann man die Plünderer in London mit positiven Begriffen wie "bunt" und "Innovatoren" belegen. Dadurch werden diese aber keinen Deut besser.

     

    Also lasst doch bitte die Begriffe in ihrem Kontext: "Bunt" ist vielleicht ein multikultureller Sozialverein, "innovativ" ist vielleicht eine Universität oder ein Unternehmen. Die Kriminellen (!), die London verwüsten, sind weder das eine noch das andere, sondern schlicht - kriminell.

  • P
    P.Haller

    Es ist sehr einfach, alles, was nicht in's System passt als "kriminell" abzutun.

    Dann wird eben aus einer Oma, die im Supermarkt für ein paar Cents etwas klaut, eine Kriminelle.

    Und sie wird auch wie eine Kriminelle behandelt.

    Wer legt denn fest, was oder wer kriminell ist ?

     

    Die Politiker sind nicht kriminell, die Bänker auch nicht, der Unternehmer schon gar nicht.

    Was bleibt denn dann noch ?

    Eben diejenigen, welche nicht zu o.g. Kaste gehören und es evtl. auch noch wagen, nicht zu akzeptieren in die Schublade des kriminellen Gesindels gesteckt zu werden.

    Im Grunde jeder, der nicht dazugehört !!