piwik no script img

Debatte GentechnikDas perfekte Kind

Durch die neue Entschlüsselung des Genpools beschwören Kritiker die Gefahr des Designerbabys herauf. Fakten spielen kaum eine Rolle.

Gegner der Analyse menschlicher DNA sehen das Designerbaby auftauen. Bild: ap

Es soll groß, blond und blauäugig sein, hochbegabt und sportlich.“ „Kein Problem, dann kreuzen Sie das im Fragebogen an. Wir schauen, was wir für Sie und ihr Ungeborenes tun können.“

Zugegeben, das ist eine sehr zugespitzte Vision eines Szenarios in der Sprechstunde eines Frauenarztes, eines Humangenetikers oder in einer Kinderwunschpraxis. Aber die Angst vor dem maßgeschneiderten Baby, das sich Mutter und Vater mit Hilfe der Medizin in der Petrischale oder durch Schwangerschaftsuntersuchungen basteln, wird offenbar immer größer.

Jetzt wird sie zusätzlich beflügelt durch eine vor kurzem bekannt gewordene Methode zweier amerikanischer Wissenschaftler: Jacob Kitzman und Jay Shendure haben einen Test entwickelt, mit dem der Genpool eines Kindes identifiziert werden kann, ohne in den Mutterleib einzugreifen. Auf diese Weise können Eltern lange vor der Geburt ihres Kindes erfahren, welche Behinderungen oder todbringende Krankheiten der Fötus in sich trägt.

Die Meinungen darüber, ob das ein Segen oder ein Fluch ist, gehen weit auseinander. Auf der einen Seite stehen Experten, die sagen: Endlich gibt es eine Methode, die Eltern und Kind helfen, auf der sicheren Seite zu sein. Kein Kind muss mehr mit Schäden auf die Welt kommen, die es im Leben kaum ertragen kann. Und: Eltern können selbst entscheiden, ob und welche Last sie auf sich nehmen.

Bild: taz
SIMONE SCHMOLLACK

ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz. Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an den Schnittstellen zwischen Politik, Wirtschaft und Privatheit.

Auf der anderen Seite beschwören Bioethiker, Behindertenverbände, die christlichen Kirchen und Lebensschützer das Bild vom Designerbaby herauf: „Ein Kind nach Maß“, wie die grüne Politikerin Christine Scheel es nannte. Und sie alle warnen: Immer mehr Frauen werden abtreiben, wenn das Kind in ihrem Bauch nicht diesem Maß entspricht.

Warum habt ihr nicht abgetrieben?

Vor allem christliche Fundamentalisten treiben diese Debatte mit dem „Schöpfungsargument“ voran. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) bezeichnet Reproduktionsmedizin als „Generalangriff auf die Menschenwürde“, andere sprechen von Mord, manche sogar von Euthanasie. Wiederum andere Kritiker sagen, Eltern, die heute trotz aller Möglichkeiten ein behindertes Kind bekämen, müssten sich dafür rechtfertigen: Warum habt ihr nicht abgetrieben?

Jedes dieser Argumente ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Ja, es gibt den Druck zur Optimierung des Menschen, vor allem den Wunsch nach dem perfekten Kind. Ja, die medizinische Forschung greift tief in den natürlichen Entstehungs- und Entwicklungsprozess des Menschen ein. Ja, viele Eltern werden solche Tests machen lassen. Und ja, es wird Frauen geben, die nach einer schweren Diagnose abtreiben.

Aber ist das alles nur verantwortungslos, behindertenfeindlich und diskriminierend? Zeigt sich nicht auch Verantwortung in der Entscheidung, ein Kind nicht zu bekommen, das voraussehbar große Schmerzen erwarten oder das einen frühen, qualvollen Tod sterben wird? Spricht es nicht für Verantwortungsgefühl, wenn Eltern auch an ihre schon vorhandenen Kinder denken, um die sie sich dann vielleicht nicht mehr so kümmern können, wie es nötig wäre?

All diese Fragen können Betroffene am besten selbst beantworten. Sie sind die einzig zulässigen RichterInnen in dieser Debatte, die eher moralischen Normen folgt als dem Sachverstand. Und grundsätzlich sei noch gesagt: Keine Frau treibt gewissenlos ab, schon gar nicht, weil das Kind nicht so ist, wie sie es haben will. Darüber hinaus können sie mit Gentechnik gar nicht steuern, wie sich das Kind in ihrem Bauch entwickelt, das können sie bestenfalls mit ihrer eigenen Lebensweise.

Forschung ist nicht aufzuhalten

Medizinische Forschung lässt sich nicht zurück- und schon gar nicht aufhalten. Wer argumentiert, die moderne Reproduktionsmedizin betreibe Selektion und führe zum „Tod bei Zweifel“, der vergisst, dass Medizin zunächst einmal Leben rettet. Auch das Leben von Babys, die dank moderner Medizin notfalls schon im Mutterleib operiert werden können. Solche Therapien ersparen den Kindern, wenn sie erst auf der Welt sind, viele Qualen.

Dafür sind Eltern dankbar. Zahlreiche Krankheiten werden bereits vor der Geburt des Kindes entdeckt. Denn schon lange gibt es die Möglichkeit, bei einem Ungeborenen Genveränderungen feststellen zu lassen, zum Beispiel durch eine Fruchtwasserpunktion. Dabei wird mit einer Spezialnadel durch die Bauchdecke der Schwangeren gestochen, es werden Zellen entnommen, die beispielsweise auf Trisomie 21 (Down-Syndrom) oder den offenen Rücken (Spina Bifida) untersucht werden. Das lassen in Deutschland jährlich zehntausende Frauen machen – 90 Prozent von ihnen entscheidet sich bei „negativem“ Ergebnis für einen Abbruch.

Das Problem bei der Punktion ist allerdings das hohe Risiko einer Fehlgeburt, unabhängig davon, ob der Fötus gesund ist oder nicht. Durch das neue Verfahren aus Amerika wird ein Abort vermieden. Das ist in jedem Fall ein Fortschritt, Leben wird geschützt und nicht getötet.

Eines leistet die Forschung allerdings nicht: psychologische Begleitung. Halten es Eltern aus, wenn ihnen gesagt wird, dass das Kind, das sie sehnlichst erwarten, furchtbar krank sein wird? Wie durchleben sie die Monate der Schwangerschaft, wenn sie sich dafür entscheiden, kein gesundes Kind zu bekommen? Wie reagiert die Umwelt? Und was macht es mit Müttern und Vätern, wenn sie trotz aller negativen Voraussagen ein Kind ohne Fehlbildungen bekommen? Nicht jeder Test ist heute hundertprozentig korrekt.

Kein Zwang zum Test

In der psychologischen Betreuung Betroffener liegt die große Herausforderung der Reproduktionsmedizin. Wenn die gegeben ist, wird es Frauen und Männern leichter fallen, eine reife Entscheidung zu fällen.

Allerdings wird niemand gezwungen, sein künftiges Kind oder sein eigenes Genmaterial testen zu lassen. Wer das nicht will, darf sich der Medizin durchaus verweigern und alles auf sich zukommen lassen. Unabhängig davon werden die meisten Menschen nach wie vor auf natürlichem Wege Kinder bekommen und sich an ihnen erfreuen. Egal, was für ein Kind es ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • "Andere Kritiker sagen, Eltern, die heute trotz aller Möglichkeiten ein behindertes Kind bekämen, müssten sich dafür rechtfertigen: Warum habt ihr nicht abgetrieben? " Im Fall mit Gammy wäre Abtreibung eine vernünftige Lösung, wenn die thailändische Agentur überhaupt professionell und vernünftig gewesen wäre.

  • PP
    Peter Paulsen

    Ich freue mich, dass zu diesem Artikel gute Kommentare geschrieben sind, insb. der erste lange von Partizanka und der von Branko.

    Hinzufügen möchte ich an diejenigen gerichtet, die für eine Austragung plädieren, daß zu einer verantwortlichen Handlungsweise immer gehört, die Konsequenzen seiner Entscheidungen zu tragen. Wer also prinzipiell dafür ist (im Artikel werden "Bioethiker, Behindertenverbände, die christlichen Kirchen und Lebensschützer" genannt), haben diese somit die Aufgabe, sich intensiv um behinderte Menschen zu kümmern. Bis auf die Behindertenverbände habe ich noch nichts davon gehört, dass die anderen Gruppen dieses in breitem Ausmaß tun.

  • RS
    Reinhard Szibor

    Ein ausgewogener und sehr vernünftiger Artikel! Um ehrlich zu sein, das hätte ich der taz nicht zugetraut.

  • M
    Murks

    "90 Prozent von ihnen entscheidet sich bei negativem Ergebnis für einen Abbruch. "

     

    Ich bin überzeugt, dass an dieser stelle ein positives Ergebnis gemeint ist...

  • P
    Partizanka

    @Tobias76:

    Was meistens übersehen wird: Die neuen reproduktionsmedizinischen Technologien schaffen nicht nur die Möglichkeit, Kinder behinderungsfrei auf die Welt kommen zu lassen, sondern auch Kinder gezielt mit Behinderungen auszustatten. Eltern, die finden, daß Menschen mit Trisomie ganz toll sind, könnten sich ein Baby mit Trisomie21 "designen" lassen. Gentechnisch ist das wahrscheinlich die einfachste Übung! Oder sie könnten eine andere "passende" Behinderung für ihr Kind anstreben. Das ist weder ein absurdes Hirngespinst noch Zukunftsmusik, wie man hier nachlesen kann:

     

    http://www.zeit.de/2002/18/WUNSCHKIND

  • P
    Partizanka

    @Jakob A.:

    Ein Leben mit Behinderung ist eben nicht Teil der Evolution, sondern Teil der menschlichen Zivilisation (und verbessert sich mit dem Maß an Zivilisation). Es gibt keine behinderten Tiere in der Wildnis. Nicht einmal kranke Tiere. Ein behindertes oder krankes Beutetier wird gefressen, ein behindertes oder krankes Raubtier verhungert (oder wird ebenfalls gefressen). Siehe meinen ersten Kommentar.

  • P
    Partizanka

    Welchen Sinn hat es, Kommentare zu verfassen, die niemals erscheinen?

     

     

    Anwort der Redaktion: LiebeR Partizanka, manchmal haben wir personelle Engpässe und das Freischalten verzögert sich. Wir hoffen auf Ihr Verständnis.

  • A
    aurorua

    In einer Welt in der ausschließlich das Geld regiert sind Kinder nach Maß doch quasi alternativlos. Weiter so "Schöne neue Welt" und die dummen, starken und wasserdichten in die Leiharbeit!

  • DD
    Dr. Down

    Oh Mann, das in der taz: Down-Syndrom = Krankheit. Unglaublich. Und Abtreibungen als gute Tat am Kind. Ich fasse es nicht. Unser Sohn mit Down-Syndrom hat kein Problem mit seinem Leben.

    Ich finde nicht, dass irgendjemand gezwungen werden kann oder sollte, ein behindertes Kind zu bekommen. Die Frage ist aber, ob es in Zukunft noch möglich sein wird, sich bewusst gegen einen Test bzw. bewusst für ein Kind - mit wie vielen Chromosomen auch immer - zu entscheiden. Der soziale Druck wird sicher zunehmen, ein nicht-behindertes Kind zu bekommen. Und das macht mir Sorgen.

  • T
    tazleser_by

    Das mag ja alles sein dass alles für einen guten Zweck ist und keine Frau gerne abtreibt; auch heutzutage gibt es Trisomie Test, Nackenfaltenmessung am US, etc.

     

    Aber wie man die Menscheit so kennt wird es eben weitergehen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse werden irgendwann angepasst und im schlimmsten Fall geht dann nichts mehr ohne. Zumindest für die, die es sich leisten können.

     

    Ein Zukunftsszenario wäre daher auch, die Frauen aus der "Unterschicht" tragen für Geld die genoptimierten Kinder der Oberschicht aus.

     

    Oder gleich alles im Reagenzglas!

     

    Ich empfehle "Brave New World"!

  • H
    Horst

    Hmmm...,

     

    damals, früher, wurden Ultraschallbilder wahrscheinlich auch verteufelt - und, wer möchtre darauf verzichten?

     

    Allein der langsam, über die Jahre entstehende Perfektionsdruck bereitet mir Sorge.

     

    Bin mir noch nicht sicher.

  • KK
    Karl K

    Diese Rückführung auf die eigene, individuelle Entscheidung der Eltern ist der richtige, einzig akzeptable Ansatz.

     

    Die darüber hinausgehende Aufregung hat was pharisäerhaftes.

    Das ist wohlfeil, weil diese Personen ja nicht in die Pflicht treten - das Kind nicht sein müssen.

     

    Als meine Frau und ich unser erstes Kind in der Geburt, möglicherweise wegen einer nichterkannten Placentainsuffizienz verloren, war bei allem Schmerz und aller Trauer auch der Gedanke - ähnlich von Ringelnatz da "…starb dein Kind nun weine …- … abgeschnittne Kinderlöckchen werden nimmer grau…" - Was immer uns dreien möglicherweise bei aller Demut auch entgangen/erspart geblieben ist.

     

    Neu ist dieser Konflikt - auch und gerade in der Moderne - ja zudem nicht. So hatten einige Paare auf meiner mutterseitigen Familie - freigeistig/humanistischer Tradition verpflichtet - bewußt keine Kinder, weil es bei deren Vorfahren behinderte Kinder gegeben hatte und sie nach dem damaligen Forschungsstand von einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Behinderung ausgingen.

    Honorige Menschen - einige hab ich noch gekannt - :" …wir wollten einem Kind diesen Leiden nicht aussetzen…!"

    Andere mögen das anders machen.

    Die übrigen aber - sollen den Rand halten.

     

    Vor allem diese  Schwarzkittel, die da gar von ' leichtfertig' glauben faseln zu dürfen.

    Wer nicht aufgehört hat - ob das 'in-den-Krieg-gehen' nun leichtfertig war oder nicht - Waffen zu segnen und gegen ' Gott mit uns' auf Koppelschlössern nicht aufgestanden ist, der hat ab da erstmal 2000 Jährchen auf der Strafbank verdient und sich für diesen kirchlich überschaubaren Zeitraum aus moralischen Konfliktfragen ungefragt rauszuhalten. Diese Zeit ist noch all lang nicht um. Dann sehen wir mal weiter.

  • B
    Björn

    Wenn wir den Menschen vorwerfen, dass sie Designerbabies wollen und alles Leben wegschmeißen, dass nicht ins Bild passt, dann müssen wir einen Schritt weiter gehen und uns fragen, ob diese Menschen überhaupt Kinder großziehen dürfen!

     

    Also entweder sparen wir uns endlich diese Vorwürfe oder wir fangen an viel unbequemere Fragen zu stellen...

  • T
    Tobias76

    ich finde es moralisch verwerflich, dass die autorin die abtreibung von kindern mit trisomie 21 als positives beispiel anführt. ich finde es beschämend, dass auf den strassen immer weniger kinder mit downsyndrom unterwegs sind. niemand möchte ein behindertes kind, aber gerade menschen mit downsyndrom sind nach meiner erfahrung ganz tolle mitmenschen, ehrlich, warmherzig und emotional oft kompetenter als wir "normalos". dies möchte ich nicht missen und möchte auch nicht in einer gesellschaft leben, in der solche menschen nicht mehr existieren (dürfen).

  • JA
    Jakob A.

    Bitte nicht Behinderung und Krankheit gleichsetzen. Eine Behinderung ist etwas sehr Relatives, und die meisten Behinderten haben kein prinzipielles Problem mit ihrer Behinderung.

    Die große Frage ist da: Sorgen sich die Eltern um ihr Kind, oder nicht vielmehr um sich selbst? "Behinderung" ist ein Teil der Evolution und der Diversität. Und nicht gleich Krankheit, also Schmerzen, früher Tod o.Ä.

  • B
    Branko

    Es geht hierbei nicht um die Frage, was die Gemeinschaft tragen will und kann.

     

    Sicher ist es richtig, die ethische Diskussion zu führen.

    Man führt aber eine bornierte Diskussion und blendet einen bedeutsamen Aspekt aus, wenn man meint die ethische Debatte von den monetären Interessen getrennt betrachten zu können - was fatale Auswirkungen haben wird.

    Denn wir können die Debatte "Mensch, Ethik und Moral" nicht unabhängig von den 'freien Märkten' führen, weil wir dies alles bereits aus der Obhut des Staates in die privatwirtschaftenden Hände von Unternehmen gelegt haben.

     

    Ich habe das nicht gewollt, und bin nachwievor für eine Rückkehr zu einer Teilverstaatlichung des Gesundheitswesens - zumindest der KK.

    Aber das ist nicht der status quo und die Richtung geht hin zu einer immer weiteren 'Liberalisierung'.

    (Mit Freiheit hat diese nämlich nix zu tun.)

     

    Das Problem steckt hierin mal wieder, dass moralische und ehtische Fragen einer Solidargemeinschaft in einer Welt privatwirschaftlicher Interessen gestellt werden.

    Und das passt nicht zusammen.

     

    Denn wir haben ein (teil)privatisiertes Gesundheitssystem, das nicht Wenigen immer noch nicht privatwirtschaftlich ("liberal") genug ist.

    Das Hämmern an die Pforte, die gesetzliche Krankenversicherung - die Solidargemeinschaft - ganz abzuschaffen, hört ja nicht auf.

     

    Die Kernaufgabe eines jeden privatwirtschaftenden Unternehmens - und somit auch der Krankenkassen - ist es, die Gewinne zu maximieren, wozu Kostensenkung ein wesentliches Mittel ist.

    Da geht es nicht um Ethik und Moral, da geht es um Geld und um absolut rein nichts anderes als nur um Geld.

    Aus Sicht einer KK gibt es Einnahmen in Form von Beiträgen und Kosten in Form von Behandlungsleistungen.

    Als privatwirtschaftendes Unternehmen gilt es nun,

    Beiträge höher zu schrauben und Kosten zu senken - wie überall in der Wirtschaft.

     

    Wir erinnern uns,

    dass man nach dem 'Geniestreich' der Privatisierung der KK plötzlich Ausgleichsgesetze schaffen musste, weil es auf einmal Kassen gab, in denen nur noch alte, kranke Leistungsempfänger waren, während andere Kassen die jungen, gesunden Leistungserbringer mit günstigen Beitragszahlungen angelockt und gehortet hatten.

     

    Vor allem schwer behinderte Menschen stellen - rein finanziell aus Sicht der KK betrachtet - einen reinen Kostenfaktor dar, der nie Beiträge zahlen wird.

     

    Und es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis sich die KK Wege erschließen, um derartige Kosten, die mittels Gentests und Genmanipulation vermeidbar wären, auf andere abzuwälzen.

     

    Welche Auswirkungen das auf die Gesellschaft und evtl. sogar die ganze Menscheit haben wird, wenn Unternehmensinteressen willkürlich in die Evolution eingreifen, sind jetzt noch nicht absehbar.

     

    Aber zwei Dinge sind derzeitig bereits absehbar:

    1.) In einem privatwirtschaftlichem Gesundheitssystem werden "menschenoptimierende Massnahmen" nach und nach früher oder später kommen.

    Da werden Krebstherapien, pränatale Diagnostik und Genmanipulation als Heilungsmassnahmen bzw. Krankheitsprävention in einen Topf geschmissen - und dann wird das gemacht werden.

     

    2.) Und wenn sich dann in ein paar Jahrzehnten raustellen sollte, dass die willkürliche Genmanipulation eine große Gefahr für die Menscheit darstellt, wird man sich wieder Jahrzehnte als "linker Spinner, der aus Neid die Wirtschaft schädigen will" u.a. beschimpfen lassen müssen, um gegen diesen dann sehr mächtigen Wirtschaftszweig, seine Lobbyisten und Interessenvertreter und der Mehrheit in der Bevölkerung, die es noch nicht sieht, einen mühsamen, zähen, langwierigen Kampf zu führen.

     

    ----------------------------------------------------

    Will man diese Debatte auf rein moralischer und ethischer Ebene führen, muss sie zunächst von wirtschaftlichen Interessen unabhängig gemacht werden.

     

    Aber so geht es nur um Geld, Geld, Geld, und nichts anderes als Geld.

    Und die, die das meiste Geld haben, werden die Entscheidungen treffen - nicht Sie oder ich.

  • P
    Partizanka

    Der Alarmismus der Gegner moderner Diagnostik verkennt völlig, daß durch die Fortschritte in der Medizin nicht weniger, sondern ganz im Gegenteil immer mehr Menschen mit unvorteilhaften (im biologischen Sinne) Genveränderungen leben. Man sollte sich folgendes vergegenwärtigen: Bei jeder DNA-Replikation geschehen Fehler. Werden in den Keimzellen diese nicht durch die zelleigenen Reparaturmechanismen behoben, entstehen Mutationen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. In jeder Generation entstehen neue Mutationen. Die allermeisten davon sind nachteilig für die Individuen (ob Mensch oder Tier) - in der freien Wildbahn. Dort, in der Natur, gibt es einen einzigen Mechanismus, der die Anzahl ungünstiger Mutationen in Populationen begrenzt. Das ist die natürliche Selektion durch Tod oder geringe oder fehlende Fortpflanzungsfähigkeit. In der modernen Gesellschaft gibt es das praktisch nicht mehr (abgesehen von den Fällen, wo es nicht zur Bildung eines lebensfähigen Fötus kommt) - und das ist gut so! Die Kindersterblichkeit soll so niedrig wie nur irgendwie möglich sein, Behinderte und chronisch Kranke sollen ein beschwerdearmes und erfülltes Leben führen und wenn möglich, auch selbst Kinder haben etc.pp. Das wollen wir, dafür investieren wir in Forschung und Gesundheitswesen, und wir prangern an, wenn Behinderte und Kranke diskriminiert, nicht gefördert usw. werden - völlig zu Recht!

    Die Mutationen aber geschehen weiter, zu den bereits vorhandenen gesellen sich mit jeder Generation neue hinzu - es gibt noch keine Technologie, die sie verhindert ! Also, die Angst, die Welt könnte demnächst von genetisch "perfekten" Menschen übernommen werden, entbehrt jeder Grundlage.