piwik no script img

Debatte FreiheitsbegriffDer Kampf um Freiheit

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Die Konservativen haben den Freiheitsbegriff geklaut. Die Progressiven haben es ihnen nicht eben schwer gemacht. Nun sollten sie ihn sich jetzt schleunigst zurückholen.

Neobundespräsident Joachim Gauck führt mit seinem „Freiheit“-Büchlein seit Wochen die Sachbuch-Bestsellerlisten an. Bild: dapd

Z ugegeben: Ganz neu ist das nicht, dass sich die Priester eines ökonomischen Fundamentalliberalismus als „Kraft der Freiheit“ großtun und den Linken und Progressiven die Punze anhängen wollen, diese seien für Gängelung. Man muss nur „Der Weg zur Knechtschaft“ des Wirtschaftsnobelpreisträgers Friedrich von Hayek aus dem Jahr 1944 lesen.

Hier beklagt er, nicht zuletzt wegen zaghafter Schritte in Richtung eines Wohlfahrtsstaates in den USA, in Großbritannien und Schweden: „Nur diejenigen, die sich noch an die Zeit vor 1914 erinnern können, wissen, wie eine liberale Welt ausgesehen hat? Schritt für Schritt haben wir jene Freiheit der Wirtschaft aufgegeben, ohne die es persönliche und politische Freiheit in der Vergangenheit nie gegeben hat.“ Ulkig: Der Räuberbaronkapitalismus vor 1914 war die goldene liberale Welt, Roosevelts „New Deal“ die Aufgabe der Freiheit.

Seit nunmehr mindestens dreißig Jahren stoßen Hayeks Adoranten tagein, tagaus in dieses Horn. In jüngster Zeit wurde dieses Lied noch einen Dreh schriller: Neobundespräsident Joachim Gauck singt hier mit, sein „Freiheit“-Büchlein führt seit Wochen die „Sachbuch“-Bestsellerlisten an, und FAZ-Wirtschaftsredakteur Rainer Hanz stimmt ein schwulstiges „Hoch auf die Freiheit“ an. Die Freiheit am Markt ist für ihn die ewige Urquelle bürgerlicher Freiheit und überhaupt von allem Guten.

Überladene Begriffe

Nun kann man sich da doch ein bisschen darüber wundern: Man hätte annehmen können, dass die Chorbrüder einer solchen ideologisch überladenen „Wirtschaftsfreiheit“ ein bisschen leiser treten, nachdem ja seit dem Beinahekollaps der globalen Marktwirtschaft 2008 empirisch klar ist, wohin uns radikale Wirtschaftsfreiheit geführt hat. Schließlich haben die Anhänger der „ganz freien Marktwirtschaft“ die „real existierende Marktwirtschaft“ beinahe ruiniert.

ROBERT MISIK

lebt als freier Publizist in Wien (www.misik.at) und schreibt für die taz, den „Falter“ und für „Profil“. Außerdem setzt er sich in seinem Video-Blog mit Globalisierung und Wirtschaftspolitik auseinander.

Warum also gerade jetzt? Nun, seit 2008 geben die Progressiven – im weitesten Sinn gesprochen: Politiker, Denker, Autoren, Aktivisten – nicht mehr gar so klein bei. Sie wagen es auch zu sagen, dass die soziale Gerechtigkeit unter die Räder gekommen ist. Sie sprechen sogar wieder das Wort „Gleichheit“ aus. Mehr noch, sie untermauern mit viel empirischen Beweisen den Hinweis, dass mehr Gleichheit sowohl ökonomisch wie gesellschaftlich günstige Auswirkungen hätte. Sogar der IMF und die OECD sagen das schon. Es gibt also zumindest wieder eine Minivariante einer ideologischen Auseinandersetzung, also schwenken manche Konservative und neoliberale Stellungskrieger ihr „Freiheit“-Winkelement.

Viel Freiheit für die einen, wenig für die anderen

Freilich haben es die Progressiven den Konservativen auch nicht eben schwer gemacht. Wenn die Konservativen im Grunde behaupten, dass erstrebenswerte Grundprinzipien wie „Freiheit“ und „Gleichheit“ wie kommunizierende Gefäße funktionieren, wir also, wenn wir Freiheit wollen, Ungleichheit in Kauf nehmen müssen, und umgekehrt, wenn wir mehr Gleichheit wollen, dafür die Freiheit opfern müssten, dann haben sich die Linken ein wenig in dieses Setting gefügt: Sie haben den Konservativen den Freiheitsbegriff überlassen und sich ganz auf die Begriffe „Gerechtigkeit“ und „mehr Gleichheit“ kapriziert.

Das ist natürlich eine Falle: Denn „Freiheit“ und „Gleichheit“ sind keine Antipoden, sondern Zwillinge. Freiheit unter den Bedingungen von Ungleichheit hat grob freiheitseinschränkende Wirkungen für jene, die weniger begütert sind, die weniger materielle und kulturelle Ressourcen haben. Das heißt dann: Viel Freiheit für die einen, wenig Freiheit für die anderen.

Die Progressiven haben sich den Freiheitsbegriff klauen lassen, was umso bizarrer ist, waren sie doch immer die Kraft der Freiheit: Von 1848 über die frühe Arbeiterbewegung, die Versammlungsfreiheit und das gleiche Wahlrecht durchsetzte, über den Sturz der Monarchien und die Gründung demokratischer Republiken; von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung bis zum Nonkonformismus von Hippies bis Punks oder zu Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ – dieses eigentümliche Pathos der Freiheit war es ja immer, das Menschen dazu brachte, sich der Sache der Linken anzuschließen. Immer ging es hier: um Würde; um die Freiheit, seine Lebensziele und Träume zu realisieren; ein spannendes Leben zu führen, das den eigenen Idealen entspricht; um das Recht, nicht kommandiert zu werden.

Eliten in der Wagenburg

Heute ist auch der ungezügelte Markt der Feind der Freiheit, weil er vielen Menschen die Ressourcen versagt, die für ein selbstbestimmtes Leben nötig sind, weil er die Voraussetzungen nicht garantiert, die für die Freiheit, aus seinen Talenten und seinem Leben etwas zu machen, notwendig sind.

Die Wagenburgmentalität der ökonomischen Eliten – Soziologen sprechen schon von „Refeudalisierung“ – unterbindet soziale Mobilität. Wirtschaftliche Ungleichheit übersetzt sich in die Aushöhlung politischer Freiheit: Lobbys und starke Einflussgruppen können heute Gesetze kaufen und Regeln diktieren, während normale Bürger das Gefühl haben, dass ihre Stimme nicht zählt – „marktkonforme Demokratie“ nannte das Frau Merkel in einem Moment beredter Offenheit. Jene Nischen, die früher so etwas wie „Brutplätze“ der Freiheit waren, werden heute durch Kommerzialisierung bedroht.

Auch die lebendige Debatte – die „Meinungsfreiheit“ – wird heute vielleicht weniger durch Zensur beschränkt denn durch die Verwandlung von Medien in bloße kommerzielle Geschäftsfelder. Es sind (nicht nur, aber unter anderem) diese Prozesse, die heute die lebendige Freiheit sklerotisieren lassen, keineswegs aber wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Gleichheit zu realisieren, oder gar die Gefahr kollektivistischer Gleichmacherei.

Dass der Staat, beim Versuch, diese Bedrohungen abzuschirmen, zu Überregulierung und Paternalismus tendieren kann, ist eine Gefahr, die man nicht leugnen soll, der aber am besten durch die Stärkung der Rechte des Einzelnen begegnet wird, durch die Schaffung von Bereichen unumschränkter Freiheit, die durch eiserne Regeln geschützt sind.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • KK
    Karl K

    Verschollen im Datennebel? So denn Version 2.0

    @ von hamlet

     

    Ja, der Stein bestimmt das Bewußtsein;

    Rentenklau, Sozialstaat schreddern, die Vermögenden

    aus der eh weitestgehend ausgetricksten Steuerlast mehr und mehr entlassen;

    wer davon nicht reden will, soll nicht von bürgerlicher Freiheit schwadronieren;

    hatte diese doch bei allen bourgiousen Tendenzen immer Gleichheit als Unterpfand.

    Nach den Erfahrungen von zwei Weltkriegen haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dies im Gleichheitssatz des Art 3 und in der Verschränkung von Sozial- und Rechtsstaat in Art 20 festgeschrieben.

     

    Die jetzigen Versuche - Gauck de Gauch et al - hieran Abstriche vorzunehmen, reihen

    sich zwanglos in die Versuche der lebenden " Gespenster" des 3. Reiches ein, zu Beginn der Republik deren Grundpfeiler zu relativieren.

    So suchten von Mangold und Maunz im Wege ihrer Grundrechtskommentare

    "das Rad zurückzudrehen". Nazikronjurist Carl Schmitt (" Der Führer schützt das Recht")

    ging trotz Lehrverbot noch raffinierter vor. Seine Apologeten - von Roman Herzog über Wolfgang Böckenförde bis zu einem gewissen Dr. Helmuth Bimbes Kohl - wanderten ins Sauerland zum Ritterschlag und schrieben, kommentierten, handelten in seinem Sinne.

    Dieser reaktionären " Schmitt-Fronde" bot erst die "Freiburger Schule" mit Horst Ehmke, Konrad Hesse, Peter Häberle et al die Stirn.

    Und es soll nicht vergessen sein, daß es " Mielke auf Rädern" Schäuble 2.0 als Innenminister war, der sich dezidiert auf einen rückhaltlosen Carl-Schmitt-Apologeten für seine Gesetzesvorhaben bezogen hat.

     

    Bei Lessing in Minna von Barnhelm findet sich die schöne Anmerkung Minnas über ihren 'Lover' Tellheim " er spricht so viel von Gelddingen, ich glaub, der Mann ist ein Verschwender!"

    Es ist eben immer verdächtig, wenn ein Paster - also ausgerechnet ein Protestant - etwas wie eine Monstranz vor sich her trägt.

    Und sei es die Freiheit!

    Vor allem wenn er zudem als dem Grundgesetz verpflichtetes Verfassungsorgan

    die Gleichheit fälschlicher Weise als nachgeordnet oder gar minder glaubt links liegen lassen zu dürfen.

    Diesen Tendenzen gilt es ( erneut) entgegen zu treten!

  • B
    Bonk

    Zu "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit" fällt mir auf, das klingt wie TINA, nur ohne Pathos..

    http://de.wikipedia.org/wiki/TINA

  • H
    hamlet

    Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit,wurde

    schon im Anti-Dührung festgestellt.Welche Notwendigkeit dies ist,beanwortet Gauck und seine

    Anhängerschar nicht.Wie auch,müssten sie doch die

    realen Verhältnisse in Betracht ziehen.Spätestens

    jetzt könnte man sehen,welche Freiheit Gauck meint.

    Das soll nicht geschehen,deshalb bleibt dieser Begriff im Diffusen.Die Freiheit zum schlechten

    Gebiss oder Parkbank sind im Kapitalismus tatsächlich

    vorhanden.

    Ein Parvenu namens Schröder hat das System immer

    schon hervorgebracht,insofern taugt dieser Hinweis

    nichts.Allenfalls die Brutalität,Rücksichtslosigkeit

    mit die der Sozialstaat zugunsten einiger Weniger

    geschreddert wurde, waren atemberaubend.Die

    gigantische Umverteilung des Volksvermögen gleicht

    einem Verbrechen.

    Karl Marx hatte recht"300 Prozent und es existiert

    kein Verbrechen selbst auf Gefahr des Galgens"

  • AL
    Adam Lauks

    Es ist ein schöner Sonntag ! -Zitatende.

     

    Ich besuchte meinen alten Freund Werner Krüger im Säuferheim Haus TERESA, wir unterhielten uns beim Kaffee und Kuchen. 160 Säufer um such zu haben als Antialkoholiker ist auch eine "Freiheit" von der uns der Joachim Gauck bei seiner Antrittsrede NICHTS gesagt hatte... Werner hatte seine blendende Erinnerung und sein Humor niemals verloren, trotz 99 Monate; STASI-Uhaft - davon 2,5 Jahre - der Rest Bautzen 2. Im Mai 1937 empfung R. Ley Adolf Hitler im Tempelhof mit worten: "Mein Führer, der Mai ist gekommen...!!!- Ach halten Sie das Maul war die Antwort gewesen.

     

    und dann erzählte er noch über einem Fall der in der DDR Justiz verzeichnet sei. Auf dem Alexanderplatz, trug ein Halbstarker sein DDR-Gethoblaster und hörte RIAS. Ein Bürger trat an ihn heran, riss ihm das Radio aus der Hand und warf es auf den Boden. Die Strafanzeige, wegen Sachbeschädigung war vom Gericht abgewiesen-die Handlung des Bürgers war richtig-rechtens!?? Bis heute weiß ich nicht von welcher Freiheit ER uns zu predigen versucht !??

  • J
    Julian

    Guter Artikel, nur zu gemäßigt. Aber gut :)

     

    @Thorsten Reinert: Geh und beute ein paar Arbeiter aus, oder was du sonst so machst.

  • S
    Stefan

    Leicht daneben. Die Linke hat nur die Deutungshoheit um die Worthülse Freiheit denen überlassen, die das Wort mit wahrem Leben füllen können. Wie sonst kann man die Solidaritätsbekundungen mit offen faschistoiden Ideologien sehen. Was ist aus "Freiheit ist immer die Freiheit des anderen" geworden? Genau: Alle anderen haben die Freiheit uns und andere aller Freiheiten beschränken zu können. Und wenn man sich für diese lange erkämpften Freiheiten ausspricht ist man...? Genau, Nazi!

    Freiheit ist eben für die Linke eine Worthülse, die nur als Kampfbegriff genutzt wurde.

  • B
    Bernd

    Ich verstehe den Sinn des Kommentars nicht. Wer gilt denn für den Autor als "progressiv"? Eine faschistische, rechtsextreme Partei wie "Die Linke"? Oder die bekennenden Anti-Semiten vom Kreuzberger schwarzen Block, die BMW/Juden/USA/Ausländer allgemein hassen? Na da ist mit der ruhige und völlig uncoole Herr Gauck doch deutlich lieber.

  • TR
    Thorsten Reinert

    „Freiheit unter den Bedingungen von Ungleichheit hat grob freiheitseinschränkende Wirkungen für jene, die weniger begütert sind, die weniger materielle und kulturelle Ressourcen haben. Das heißt dann: Viel Freiheit für die einen, wenig Freiheit für die anderen.“

     

    Das ist vollendeter Blödsinn. Dies ist der Grundirrtum, in dem die Linken befangen sind und der es den Linken unmöglich macht, kreativ und produktiv über Freiheit zu reden.

     

    Die Freiheits- und Grundrechte gelten für alle GLEICHermaßen, egal ob sie begütert oder arm sind. Auch Arme haben Meinungsfreiheit, sie haben die Freiheit, sich zu organisieren, politisch tätig zu sein, sie haben die Freiheit, an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen zu dürfen usw. Alle freiheitlichen Grundrechte gelten unabhängig von der sozialökonomischen Lage.

     

    Gerhard Schröder ist ein sehr schönes Beispiel dafür. Er war Kind des ländlichen „Prekariats“ (seine Mutter war allein erziehende Putzfrau), und er wurde Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt massenhaft viele ähnliche Beispiele.

     

    Viele Arme engagieren sich und nutzen ihre Freiheitsmöglichkeiten. In Parteien, Vereinigungen, Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen usw. Die Behauptung, Freiheitsrechte gebe es einzig und alleine nur für „die Reichen“, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.

     

    Der Artikel ist gut gemeint. Der Autor versucht, das Thema Freiheit für die Linke zu erschließen. Die verwendete Methode der Dialektik von Gleichheit und Freiheit ist jedoch untauglich. Es ist ein falscher Denkansatz, was eigentlich schon lange innerhalb des gesamten Diskurses bekannt ist. Es ist erschreckend, in welch alten, überholten Denkmustern linker Vorurteile sich der Autor bewegt.

     

    Traurig aber wahr: Nichts Neues von Links zum Thema Freiheit.

  • A
    aura47

    Der KOMMENTAR VON ROBERT MISIK hat es auf den Punkt gebracht.

    Der größte Teil der Bevölkerung, das sind nun einmal die Normalen und die Schwachen,

    werden durch die Protagonisten des Neoliberalismus und ihrer Propaganda für die Freiheit des Einzelnen in einen real existierenden Raubtierkapitalismus, um ein gerechtes und erfülltes Leben in Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit gebracht.

  • V
    –vjr–

    Gute Kritik, danke! Wie alle vereinfachten Sichtweisen – Thilo Sarrazin nicht unähnlich, auch wenn weniger demagogisch – bietet nun Joachim Gauck jede Gelegenheit dazu.

  • AM
    Andreas Müller

    ehr geehrte Damen und Herren,

    same procedure as almost every day? Muss man, muss ich auch jetzt wieder gegen die Unterdrückung missliebiger Meinungen durch die taz-Zensoren kämpfen? Oder ist schlicht Wochenende, an welchem auch dem taz-Redakteur vor allem an Frieden gelegen ist und die saublöden, lästigen, weil Arbeit und Verdruss bereitenden Leserkommentare ziemlich Hekuba sind?

    Also meinethalben wieder dasselbe: Wenn meine Anmerkungen zu Daniel Bax' Kommentar zu dem Anschlag in Toulouse (Der nützliche Waffensammler, 23. März) und die zu Robert Misiks Kommentar vom heutigen bzw. gestrigen Tage nicht bis 15 Uhr veröffentlicht werden, mache ich sie und ihre Unterdrückung durch die taz-Zensur andernorts bekannt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Andreas Müller

  • H
    HamburgerX

    Über den Freiheitsbegriff kann man sich endlos streiten.

     

    Aber weder sind „Freiheit“ und „Gleichheit“ immer Antipoden noch immer Zwillinge. Als die vom Kommunismus stark beeinflussten 68er in die Politik drangen, war die Parole "Diktatur des Proletariats" (zur Durchsetzung der Gleichheit) geradezu die Antipoden-Formel schlechthin. Und natürlich ist es kein Problem, in einem totalitären Staat alle gleich arm, gleich gefangen oder gleich tot zu machen.

     

    Da die Natur Gleichheit praktisch kaum kennt und nichts variantenreicher ist als die Natur selbst, ist jeder Versuch, mehr Gleichheit zu erzeugen, mit mehr Regeln verbunden.

     

    Wenn die Regeln mehr Freiheiten und mehr Freiraum schaffen, als sie einschränken, dann können Gleichheit und Freiheit auch einhergehen.

     

    Aber bitte: Nicht jede Freiheit gibt es geschenkt. Die Freiheit, einen Porsche kaufen zu *können*, und wenn es nur ein gebrauchter ist, muss man sich erarbeiten/erkämpfen. Ihn kaufen zu *dürfen*, diese Freiheit gibt es geschenkt.

     

    Nicht für jede Form von Freiheit haben unsere Vorfahren also gestritten. Freiheit bedeutete für Sie in erster Linie, nicht eingekerkert zu werden, wenn man die Obrigkeit kritisiert, nicht verbrannt zu werden, wenn der Nachbar einen denunziert und nicht verfolgt zu werden, wenn man seine Religion wechselt.

  • L
    Links=Unfrei

    Überall wo Linke regierten gab und gibt es keine Freiheit, von der Freiheit die Fresse zu halten oder nach Bautzen, ins Gulag etc. zu gehen mal abgesehen. Dem stand im Westen sehr wohl eine "konservative" Gruppe entgegen, welche die Freiheit verteidigte. Als es sie noch gab auch Sozialdemokraten. Eine Gruppe welche zwar die Freiheit nutzte aber anderen die freiheit zugunsten "der guten Sache" nehmen wollte war die Bewegung der verschiedenen linken totalitären Gruppen welche heute ihre Vergangenheit verklären. Ihre Meinung haben zu dürfen bedeutet für diese Bewegung Freiheit. Da haben dann alle in dieser "Freiheit" gleich zu sein. Seid kritisch, denkt neu und kommt am Ende genau zum vorgegebenem Ergebnis. Realität verliert dabei stets gegen die Theorie. Solchem Denken stehen Leute wie Gauck gegenüber, weshalb sich nun die taz, das Zentralorgan der Eiheitsfreiheit, also der Freiheit linksextrem, linksradikal oder etwas weniger linksradikal zu sein und sämtliche Dogmen der Bewegung zu akzeptieren, tierisch aufregt. Hätten Leute wie der Autor die Möglichkeit, dann gäbe es bei uns wieder die "Freiheit" der DDR, wenn auch unter neuen Begriffen. Im Alltag haben wir das bei manchen Themen bereits. Man hat die Freiheit Multikulti super zu finden, die Freiheit Homosexualität als super anzusehen, die Freiheit jedem Andersdenkendem auf die Fresse zu hauen und es "zivilen Ungehorsam" zu nennen etc. Der Wind dreht und man versucht nun wie in der Sarrazin-"Debatte" mit der medialen Macht die eigene Meinungshoheit zu verteidigen. Es wird nicht auf Dauer klappen. Dieses mal wird keine 5te Kolonne in ARD&Co. warten.

  • F
    flora

    Für einen positiven Freiheitsbegriff vielleicht auch mal (wieder) "Development as Freedom" von Amartya Sen lesen, er bezieht sich ausdrücklich auch auf "entwickelte" Länder (z. B. beim Thema Arbeitslosigkeit).

  • AM
    Andreas Müller

    Sehr geehrte Herr Misik,

    Ihre Leitidee, "die Progressiven haben sich den Freiheitsbegriff klauen lassen" von den liberaldemokratischen bis hin zu den konservatv-liberalen Apologeten der kapitalistischen Gesellschaft und ihres politischen Staates ist ebensolcher Unfug wie die Parole, die Linke dürfe Vaterland und Nation nicht den Rechten überlassen. Wohin das unermüdliche Bestreben der deutschen Sozialdemokratie führte, das Odium der vaterlandslosen Gesellen loszuwerden, dürfte Ihnen nicht ganz unbekannt sein: zur Burgfriedenspolitik, der Bewilligung der Kriegskredite, Millionen von Toten, dem Ebert-Groener-Abkommen, welche zur staatsterroristischen Niederschlagung der Revolution führte und zur militärischen Zerschlagung der Märzrevolution im Ruhrgebiet 1920, die alle Wesensmerkmale einer wirklich sozialen Revolution trug.

     

    Wer so redet, weiß - trotz aller Marx-Exegese - entweder nicht, was er sagt, oder er geht von erschütternd naiven theoretischen Voraussetzungen aus. Begriffe existieren nicht 'an sich', frei floatierend im Spektrum politischer Meinungen, sondern sind im Horizont ihres Gebrauches zu explizieren. Dies ist eine Erkenntnis des linguistic turns in der zeitgenössischen Philosophie, die von Wittgensteins grandiosen Philosophischen Untersuchungen angestoßen wurde, hinter die kein wie auch immer geartetes Philosophieren zurückfallen kann, das seine Zeit in Gedanken er(!)fassen will. Im Binnenhorizont der Tradition linker Gesellschaftstheorie folgt daraus das verbindliche Prinzip der Kritik, und zwar nicht einer dogmatischen Kritik, welche der herrschenden Ideologie eine ideologischen Gegenstandpunkt konfrontiert, wie das in der leninistischen Positivierung des Ideologiebegriffes geschieht; sondern im Sinne eines - meinethalben - dialektischen, jedenfalls kritischen Kritikbegriffes, einer Kritik, die sich weder vor ihren Resultaten noch vor dem Konflikt mit den vorhandenen Mächten schert. Soweit müssten Sie mir eigentlich zustimmen können, oder etwa nicht? Ich will nicht annehmen, dass Sie von solch intellektueller Einfalt sind wie die taz-Chefredaktion unter der saublöden Bascha Mika, welche dieses Grundprinzip linker Öffentlichkeit umstandslos zum privaten Steckenpferd einiger Ewiggestriger erklärte.

     

    Eine solche Kritik kommt in ihrem Kommentar jedoch nicht einmal einen Zentimeter weit in Bewegung. Dass die taz, welche vorgestern noch mit gutem Grund Gauck für einen blamablen Grüß-August hielt, ihm gestern eine Frist des Lernens einräumte (um die sein Vorgänger vergeblich bettelte), um ihm heute beinahe schon den roten Teppich auszurollen, nur weil er sich zu einer Anerkennung der Leistungen der 68er hinsichtlich der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit herabließ-, das verwundert angesichts der gesellschaftskritischen Begriffslosigkeit ihres grün-alternativen Selbstverständnisses nicht im mindesten. So wie die Grünen, die der aggressiven, anti-aufklärerischen Rede des Papstes vor dem Bundestages standing ovations spendeten, nur weil der Kerl die Ökologiebewegung für ihre Bestrebungen dankte, die von Gott geschöpfte Welt zu erhalten (Baldur Springmann ließ grüßen), so gehen auch sie vor der liberalistischen Marktideologie eines Hayek auf die Knie, statt deren innere Widersprüche soweit aufzudecken, dass sie als Ideologie im strikten Sinne aufgewiesen werden. Sagen Sie jetzt bitte nicht, dazu sei bei der Begrenzung auf n-Zeichen eines taz-Kommentars gar nicht der Raum, und außerdem wollten die Leser nicht mit der german Ableitungsdiskussion belästigt werden. Zum ersten: Sie haben sich doch intensiv mit der Philosophie, welche hier von Belang ist, auseinandergesetzt, folglich muss es auch möglich sein, in einem Kommentar deren Resultate wirken zu lassen. Oder etwa nicht? Zum zweiten: Glauben Sie wirklich, dass die taz-Leser in ihrem dogmatischen Schlummer nicht gestört werden möchten und sich stattdessen lieber glücklich-lallend den Freuden des grün-alternativen Lebensstiles hingäben? Sie kennen doch das Elend dieser Lebensform viel zu gut, als dass Sie diesem Irrtum verhaftet sein könnten. Das überlassen Sie mal Jan Feddersen, Giovanni Lorenzo und dem früheren Kollegen Patrik Schwarz, der vor dem Papstbesuch auf der Titelseite der 'Zeit' verkünden durfte, das außereheliche Rumvögeln hat doch nichts gebracht, weshalb die katholische Sittenlehre des gestrengen Benedictus doch Hand und Fuß habe.

     

    Ganz abgesehen davon, dass Gaucks penetranter Gebrauch von der Freiheitsvokabel psychoanalytisch betrachtet größte Skepsis rechtfertigt, bei dem Lautsprecher handle es sich tatsächlich um eine freie Persönlichkeit, lässt der inflationäre Gebrauch dieser Vokabel und die damit reklamierte Gesinnung erkennen, dass Freiheit im Gauckschen Sinne nichts anderes als eine Affirmation der herrschenden Zustände beinhaltet. Das nachgeschobene ethische Prinzip der Verantwortung ist gleichermaßen abstrakt und gerade deshalb offen für die christliche Bestimmung des menschlichen Lebenszweckes: ora et labora. Nach dessen Maßgabe redet der Pfaffe auf dem Posten des bundesdeutschen Grüß-August dann den in staatlicher Regie verarmten Bevölkerungsschichten auch ins Gewissen, sich gefälligst nicht aufzugeben, ihrer freiheitlichen Verantwortung inne zu werden, die Ärmel aufzukrempeln und ihr Los mit Würde, Anstand und - ja auch die Ästhetik bleibt da nicht unberücksichtigt - mit Anmut zu tragen. Das ist zwar meilenweit, von dem Stil entfernt, den wenige intelligente Konservative wie Karl-Heinz Bohrer hierzulande so vermissen. Dafür aber spendet die Öffentlichkeit von 'BLÖD', über 'Zeit' und SZ, PlasbergMaischbergerJauchWill bis hin zur taz kräftig, weil erleichtert Beifall: na also, geht doch!

     

    Seine Kritik an der jakobinischen Wohlfahrtsdiktatur fasst Hegel in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie in dem genialen Satz zusammen:

    "Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören". Genau das geschieht in Gaucks inflationärem Freiheitspathos. Diese Abstraktheit folgt unmittelbar aus der an sich großartigen Idee der liberalen Gesellschaftstheorie. Die Monopolisierung physischer Gewaltsamkeit durch den Staat sollte eine machtneutralisierte Sphäre der Marktgesellschaft absichern, in der jedermann sein Glück auf die von ihm für richtig erachtet Art und Weise verfolgen kann. Dieses Glücksstreben ist freilich auf die Achtung des geltenden Rechts einzuschränken, damit nicht daraus, dass jeder seinem Eigennutz folgt, ein bellum omnium contra omnes nach dem Motto resultiere: 'Oh wundervolle Harmonie, was er will, will auch sie'. In der Konkurrenz um knappe Ressourcen ist damit freilich jeder auf die ihm zu Gebote stehenden Mittel verwiesen und hat die bestehenden Besitzverhältnisse zu respektieren bzw. sie ausschließlich mit den von Rechts wegen vorgesehenen Mitteln an ihrer zerstörerischen Dynamik zu hindern, woraus das sozialdemokratische Programm von parlamentarischer Repräsentation und Sozialreform entsprang.

     

    Es ist mir schleierhaft, weshalb Sie, Herr Misik, als ausgewiesener Marx-Kenner und Philosoph, den die taz immer dann zur Feder bittet, wenn linke Gesellschaftskritik journalistisch zu gebrauchen ist, von Ihren Kenntnissen so gar keinen Gebrauch machen. Bereits im ersten Kapitalbuch hat Marx das Geheimnis der bürgerlichen Freiheit scharfsinng durch deren Darstellung kritisiert, und das obendrein in einer Prosa, die in der deutschen Wissenschafssprache - aber nicht nur dort - ihresgleichen sucht. Da Ihnen die Stelle offensichtlich entfallen ist, zitiere ich sie hier nochmals ausführlich (MEW 23, S.189ff):

     

    "Die Sphäre der Zirkulation oder des Warentausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, war in der Tat ein wahres Eden der angebornen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham. Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt [.....] Die einzige Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihrer Privatinteressen." Verlassen wir die Sphäre des Marktes, so Marx, "verwandelt sich, so scheint es, schon in etwas die Physiognomie unsrer dramatis personae. Der ehemalige Geldbesitzer schreitet voran als Kapitalist, der Arbeitskraftbesitzer folgt ihm nach als sein Arbeiter; der eine bedeutungsvoll schmunzelnd und geschäftseifrig, der andre scheu, widerstrebsam, wie jemand, der seine eigne Haut zu Markt getragen und nun nichts andres zu erwarten hat als die - Gerberei."

     

    Könnte einem doch zu denken geben, nicht wahr? 'Natürlich' marschieren nun in Heerscharen wieder auf, die das methodisch geübte Kannitverstan immer virtuos in Anschlag bringen, wenn man überhaupt mal zu denken anfängt. Da entdecken sie dann, dass dieses und jenes noch feht, vor allem die notwendige Differenzierung, mittels derer noch jeder Gegenstand der Erkenntnis zum Verschwinden gebracht wird. Derweil hat der skizzierte Zusammenhang doch eminent praktische Bedeutung: Herrn Maschmeyer, von Frau Maischberger befragt, ob Veronica mit ihm auch dann vögeln würde, wenn er nicht so steinreich wäre, überkommt eine momentane Schwäche, denn er gesteht: "Zu 99% nein". Voilà-, wer nun geht da ins Schlafzimmer schmunzelnd voran, wer folgt wie jemand, dem gleich das Fell gegerbt wird? Herr Gauck, bitten übernehmen Sie, schließlich sind Sie einschlägig qualifiziert, indem Sie ohne Trauschein im Amtssitz des Bundespräsidenten Geschlechtsverkehr zumindest potentiell ausüben. Wenn das der HEILIGE VATER wüsste, Herr Lammers.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Andreas Müller

  • H
    Heiner

    Ein gelungener Artikel und insgesamt finde ich diese Argumentation völlig überzeugend. Jedoch möchte ich an einem Punkt einen Akzent hinzusetzen: Die Unternehmer haben bereits im 19. Jahrhundert, in der Gründungsphase der Gewerkschaften in den 1870er Jahren ganz emphatisch mit dem Begriff der "Freiheit" die Freiheit des Unternehmers, sog. "marktgerechte Löhne" zahlen zu können verteidigt. Arbeiterkoalitionen und Streiks seien quasi "unnatürliche" gesellschaftliche Eingriffe in den freien Arbeitsmarkt. Die Streikwelle der 1870er Jahre war ein Hintergrund für die Durchsetzung des Verbotes der sozialistischen Gewerkschaften und der SPD durch Bismarcks Sozialistengesetz von 1879.

    Mit dieser langatmig erscheinenden historischen Skizze möchte ich darauf hinweisen, dass es die gesellschaftlichen Realitäten sind, aus denen die Vorstellung der Kapitalbesitzer erwächst, kollektive Diskussionen, Absprachen, Entscheidungen seien Einschränkungen "freier" Entscheidungen. Demokratie und soziale Gerechtigkeit erfordern nun einmal eine gewisse Verlangsamung von Entscheidungsprozessen, weil viele einbezogen werden müssen. Dies kann durchaus auch zu Verkrustungen führen, die den Schluss nahelegen, der ganze "Sozialklimbim" sei überflüssig.

    Zweitens darf man bei Forderungen zur "Freiheit" z.B. von Niedriglohnbeziehern nicht realpolitisch zu kurz springen. Beispielsweise forderte die SPD-Grüne-Landesregierung von NRW im Bundesrat die Einbeziehung von Niedriglohnbeziehern in die Sozialversicherung. Diese Forderung ist zweischneiding und stößt bei den Betroffenen u.U. meist nicht einmal auf Gegenliebe. Denn beim gegebenen Lohnniveau bedeutet z.B. die Zahlung von Rentenbeiträgen - bei der Aussicht, im Alter dennoch aufgrund viel zu niedriger Beiträge nur die Grundrente zu erhalten - eine Senkung des eh schon niedrigen Nettolohnes.

    Es geht also nicht ohne kräftige Lohnerhöhungen. Lohnerhöhungen setzen ein höhreres Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer, v.a. auch in den unteren Gehaltsgruppen voraus, durch gesellschaftliche Reformen, wie z.B. die Rücknahme der Hartz-IV-Gesetze. Im "New Deal" des Präsidenten Roosevelt in den 1930er Jahren gab es eine ganz Reihe von Maßnahmen - von Steuererhöhungen für Reiche bis zu staatlichen Investitionsprogrammen - die auch wesentlich bewirken sollten, dass die US-Gewerkschaften streikfähig werden sollten. Roosevelt wurde dafür zum bestgehassten Politiker in den oberen Mittelschichten und den Oberschichten, zum "Communist". Wer traut sich heutzutage in Deutschland, sich diesem scharfen Wind auszusetzen? Dietmar Gabriel? Jürgen Trittin? Mit ein bisschen mehr Freiheitspathos in der linken Hälfte des politischen Spektrums ist es also nicht getan. Willy Brandt in allen Ehren. Aber als 1973 die Wirtschaftskrise ausbrach, wurde er von seiner Partei durch Helmut Schmidt ersetzt.

  • S
    Stefan

    Merkel ist eben nicht nur genial darin, die jeweilige Mehrheitsmeinung als ihre zu verkaufen.

    Sie ist ebenso genial darin, ständig unauffällig auszutesten, wie weit man gehen kann, ohne einen Hauch von Gegenwind zu spüren.

    Aber wir Deutschen wollen sie ja.

    Wir bestätigen sie ja ununterbrochen darin.

     

    Ja, Lobbyisten können Gesetze kaufen.

    Das ist zwar wahr.

    Aber dieses Bild ist krass unvollständig.

     

    Lobbyisten können nur deswegen Gesetze kaufen, weil wir Wähler es geil finden, Parteien zu wählen, die es wiederum geil finden, dass Lobbyisten Gesetze kaufen können.

     

    Schuld, und zwar ganz alleine schuld, sind immer noch diejenigen, die sich das gefallen lassen; vollkommen freiwillig.

  • B
    Bonk

    Frei zu sein von der Gleichheit und stolz darauf sein zu dürfen.

    Ohne das so ein Kretin, durch seine pure undankbare Existenz, an den eigenen korrumpiert verdrängten Charakter erinnert.

  • M
    Matthias

    Der linke Freiheitsbegriff ist mindestens genau so lange unverändert wie der bürgerliche. Was also will uns der Author sagen, wenn er lamentiert, dass auf der aus seiner Sicht gegnerischen Seite des freiheitsbegrifflichen Spektrums immer ins gleiche Horn geblasen werde?

     

    Der linke Freiheitsbegrifflichen ist meines Erachtens nur ein relativer. Vor die Wahl gestellt, ob eine Gesellschaft eher gleich als frei sein soll, entscheidet sich die Linke für gleich. Deswegen war sie im Westen auch so lange "blind" gegenüber die Verfehlungen und Schwächen des Real Existierenden Sozialismus. In der Wirtschaft: Lieber alle gleich arm als einige wesentlich reicher als die anderen. In der Bildung: lieber alle gleich dumm als einige wesentlicher gebildeter als die anderen. Freiheit ist für die Linke kein absoluter Wert. Und das finde ich bedenklich.

     

    Ausserdem: Der Freiheitsbegriff von links wird einer immer individualiserteren und globalisierteren Gesellschaft immer weniger gerecht. Die "I-Generation" entfernt sich von der Vorstellungen ihrer TAZelnden Eltern zusehends.

  • J
    Johannes

    Auch wenn man das Pamphelt dieses Herrn mit guten Gründen kritisiert, so kann man seinen Namen doch korrekt wiedergeben: Rainer Hank heißt der Hardcore-Neoliberale und Leiter der Wirtschaftsredaktion der FAS.

  • J
    Johannes

    Auch wenn man das Pamphelt dieses Herrn mit guten Gründen kritisiert, so kann man seinen Namen doch korrekt wiedergeben: Rainer Hank heißt der Hardcore-Neoliberale und Leiter der Wirtschaftsredaktion der FAS.

  • KK
    Karl K

    Robert Misik zeigt einmal mehr: " Ein Konservativer ist jemand, der einen ehemaligen Revolutionär anbetet."

    UND - den er sich zuvor für seine Zwecke 'zurecht geschustert' hat.

    Gauck de Gauch zeigt's aktuell.

     

    Der unschlagbare Prototyp aber ist der erklärte Verfassungsfeind Dr. Helmuth 'Bimbes' Kohl. Er gab sich immer als ein großer Apologet des 'Freiheitsfanals' Hambacher Fest ( im Zuge dessen man Typen seines Schlages wohl ' a la laterne' befördert hätte).

    Er zögerte als Kanzler aber gleichzeitig keine Sekunde vor einem Bruch des Grundgesetzes zum persönlichen Machterhalt mittles eines ausgeklügelten 'Bimbessystems'!

  • S
    Stimmvieh

    Herr Misik, Sie treffen - wie immer - den Nagel auf den Kopf! Danke!