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Debatte Freie JournalistenArm, ärmer, Autor

Kommentar von Hilal Sezgin und Hilal Sezgin

Die Lage freier Journalisten ist dramatisch. Medien und Institutionen zahlen immer geringere Honorare, gleichzeitig drängen ehemals Festangestellte auf den Markt.

V or einem guten Jahr schrieb die freie Journalistin Gabriele Bärtels in der Zeit "Schreiben macht arm". Der Text erreichte einen, noch bevor man die Zeitung aufgeschlagen hatte. Von Dutzenden, Hunderten Freien eifrig an sämtliche Freunde weitergemailt, landete der Link zu Bärtels Text gleich mehrfach auch in meiner Mailbox. Sie klagte über die miserable Arbeitssituation und Bezahlung freiberuflicher Journalisten, sie sprach uns allen aus der Seele, auch viele fest angestellte Redakteure waren schockiert. Hat es aber etwas genützt?

Bild: privat

Hilal Sezgin lebt als freie Publizistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt erschien ihr Buch "Mohammed und die Zeichen Gottes" (zusammen mit Nasr Hamid Abu Zaid) im Herder Verlag über den Islam im Umbruch.

Die Lage der freien Autoren ist, so will es mir nach einem Blick ins Auftragsbuch und die dort vereinbarten Honorare scheinen, eher noch schlechter geworden. Die Budgets der meisten Medien sind weiter geschrumpft. Also sparen die Redakteure, ohne böse Absicht, oft sogar unwissentlich, an uns. Ich will den fest angestellten Kollegen nicht zu hart gegen das Schienbein treten; sie sind meine Auftraggeber, und viele dieser Auftraggeber auch meine Freunde. Und auch ich habe schließlich einmal innerhalb einer Redaktion gearbeitet, sieben Jahre lang, und Aufträge an Freie vergeben.

Falls Kollegen einmal zu fragen wagten, wusste ich damals oft nicht zu sagen, wie viel Honorar wir für die jeweilige Textsorte zahlten. Ebenso wenig kenne ich auch heute - trotz umgekehrten mehrfachen Nachfragens - von den meisten der Medien, für die ich arbeite, das Zeilengeld. Immerhin weiß ich jetzt, was diese mangelnde Auskunft für den Menschen am anderen Ende des Internets oder des Telefons bedeutet. Es bedeutet, dass dich jemand anruft und mit dir einen verbindlichen, termingebundenen Auftrag vereinbart, bei dem du trotzdem viele Wochen später noch nicht weißt, wie viel du daran verdienen wirst. (Die meisten Zeitungen rechnen nur einmal im Monat ab, und es gilt der Monat nach jenem, in dem der Text erschienen ist.)

Wenn die Abrechnung kommt, ewig später, erfährst du, dass eine Summe, auf die du insgeheim gehofft hattest, wieder einmal nicht eingetroffen ist. Für die Rezension in einer Tageszeitung hat man vielleicht ein 400-seitiges Buch sorgfältig Seite für Seite gelesen; leider wurde aus Platzgründen nur eine Kurzfassung gedruckt, für die es dann 90 Euro gibt. 140 Euro erhält man, wenn man Glück hat, in einer überregionalen Tageszeitung für einen Kurzessay wie diesen, nachdem man mit dem Thema zwei Wochen schwanger gegangen ist, einen Tag geschrieben und zwei weitere daran gefeilt hat. Zum Glück hat die Woche der Freiberufler sechs bis sieben Tage; Urlaub machen wir sowieso fast nie. Einige Kollegen, die ich kenne, haben sich zum Ziel gesetzt, monatlich 2.000 Euro brutto zu verdienen; dann blieben ihnen nämlich etwa 1.200 Euro netto, bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Das Ziel bleibt Traum; die 2.000-Euro-Marke wird von den wenigsten erreicht.

Wenn es denn nur die Zeitungen wären, die immer stärker sparen - aber die anderen Einrichtungen stehen ihnen ja nicht nach! Jede hat ihren eigenen Budgetrahmen, und jede bietet einem ein anderes Trostpflaster an. Nach einem Vortrag im politischen Rahmen sprach mich ein Herr aus einer Partei an, ob ich über ein ähnliches Thema auch in seiner Gruppierung referieren könne. Er zog sein Angebot zurück, als er erfuhr, dass ich nicht in Berlin lebe - eine Fahrkarte könne sein Verband leider nicht zahlen. Bei der Gelegenheit stellte sich heraus, dass auch keineswegs an ein Honorar gedacht worden war. "Ich dachte, Sie schütteln das aus dem Ärmel", meinte er. Es war als Kompliment gedacht, und als solches habe ich es zunächst gern angenommen. Aber auch ein Ärmel muss gekauft, gewaschen und gebügelt werden, überlegte ich. Und merkte, dass ein solches Kompliment zweischneidig ist. Sollte ich jetzt zugeben: "Was sich so simpel angehört hat, dafür habe ich drei Tage recherchiert, drei weitere nachgedacht und einen geschrieben"?

Neulich bekam ich eine E-Mail von einer deutschen Kultureinrichtung aus dem Ausland, wegen einer Podiumsdiskussion. Drei Wochen lang konnte man mir nicht sagen, wie viel Honorar man dafür zahlen würde. Dann schrieb man mir: "Als Honorar bieten wir Ihnen 250,00 Euro an. Ich bin mir darüber im Klaren, dass es klein ist, aber Sie würden mit dem Aufenthalt in einer der interessantesten europäischen Städte darüber getröstet werden." - Einen Tag hin, Veranstaltung, einen Tag zurück … Ich mache das nicht als Urlaub, das ist Arbeit! Und der schöne Blick auf Paris, Oslo oder Madrid zahlt daheim die Miete nicht.

Am selbstbewusstesten sind vermutlich die Leute vom Fernsehen. Sie kommen zu dir nach Hause, erfragen deine Expertenmeinung, die du tagelang aufgefrischt und vertieft, Pardon, aus dem Ärmel geschüttelt hast. Nachher kämpfst du mehrere Wochen um einen Betrag von 150 Euro (wer Fernsehbudgets kennt, weiß, das ist ein Witz). "Aber so etwas ist doch Werbung für dich", entfuhr es einer Freundin, die selbst beim Fernsehen arbeitet. Werbung - wofür? Dafür, dass ich danach irgendwo anders das nächste unterbezahlte Gespräch führen darf?

Es ist ja nicht so, dass ich im Brotberuf Wäscheklammern verkaufe, die ich während eines Interviews in die Kamera halten könnte. Ich habe nichts zu bewerben und nichts zu verkaufen außer meiner Kompetenz, meinem Urteil, meinen Worten. Denn viele Freie sind auf einigen Gebieten hoch spezialisiert; solches Wissen muss aufwendig gepflegt werden. Gleichzeitig müssen wir Generalisten sein, sonst werden wir zu selten gebraucht. Zur Unterstützung können wir weder auf Sekretärinnen noch Hilfskräfte, noch auf eigene Archive zählen. Wir sind ein ganzes Büro in einer Person. All das müsste beim Festsetzen von Honoraren mitbedacht werden; sonst leidet zunächst zwar nur der Mensch, später aber auch die Qualität - in genau dieser Reihenfolge. An der Qualität fangen sämtliche Freiberufler, die ich kenne, als Letztes zu sparen an.

Paradoxerweise wird unsere Leistung immer stärker nachgefragt, während gleichzeitig die Preise weiter sinken. Immer mehr Redakteure werden entlassen und verstärken den Pool der Freien; immer mehr von uns rangeln sich um immer kleinere Budgets. Wer will da "selbstbewusst verhandeln", wie es in wohlfeilen Ratgebern heißt? Wer will einem Redakteur mit Geldfragen auf die Nerven gehen, wenn im Hintergrund so viele Kollegen stehen, die lieber die angebotene Summe bekämen als gar nichts?

Ich glaube nicht, dass sich dieses Problem - die Sicherung von Existenzen und damit auch von publizistischer Qualität - durch die Hartnäckigkeit einzelner Freiberufler allein lösen lässt. Wir brauchen verbindliche, quasigewerkschaftliche Verhandlungen und Preislisten, die den Abwärtstaumel der Honorare stoppen. Wir brauchen Solidarität von den Kollegen aus dem Innern der Redaktionen. Wir brauchen Fairness. Angesichts dessen, was wir für die deutsche Medienlandschaft leisten, ist doch hoffentlich nicht auch das schon zu viel verlangt.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.
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19 Kommentare

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  • T
    Tipptoppschreiber-IN

    Na ja, auch wenn Sie als Mann nicht schwanger gehen können, ob mit oder ohne Idee, muss Ihnen aber nicht schon beim bloßen Denken an Pflegekräfte oder Erzieherinnen (die auch schwanger werden können) im Kontext des Artikels speiübel werden. Denn diese tatsächlich sehr belasteten Berufsgruppen jammern auch bzw. steigen oft nach wenigen Jahren aus ihrem Beruf aus oder müssen ihn wegen chronischer Rückenschmerzen aufgeben.

  • HS
    Hans-Jürgen Sander

    Hallo Herr Frank Weber und (Herr)Flusenleger. Mit tiefer Überzeugung empfehle ich ich Ihnen Beiden: Entwicklung der Presönlichkeit von Carl R. Rogers. Nach Lesegenuss könnten Sie erwachsen geworden sein.

    - hoffentlich!

    Gruss

    HJ Sander

  • MW
    Melanie Winzig

    Ich schlage eine neue Kampagne vor unter dem Arbeitstiel: "Mein Freund ist freier Journalist". Dazu: Solidaritätsabgabe von 5 cent auf Gebrauchs- und Kulturgüter als Freie-Journalistenabgabe sowie die Pflicht der Unterzeichnung: Freier Autor unter den Beiträgen. Spaß beiseite - es hilft schon viel, wenn die Öffentlichkeit von unserer Situation erfährt. Meinen erweiterten Dispo habe ich dem Artikel von Gabriele Bärtels in der "Zeit" zu verdanken; der Sparkassenfilialleiter lächelte mich an und sagte, wir wissen, wie es Ihnen geht, Sie können nichts dafür, sind kein faules Aas, wir wollen helfen.

    Dies als Gedankenstütze, vielleicht fällt jemandem noch was Besseres ein...

    Melanie Winzig

  • S
    stiletto

    Was mich als freie Journalistin darüberhinaus am meisten ärgert, ist der ignorante und herablassende Umgang von Redaktionen mit freien Autoren.

     

    Autorenknebelverträge kriegt man erst, nachdem man seinen Text schon abgeliefert hat und wird dann damit erpresst, dass man sein Geld für den bereits gelieferten Text nur kriegt, wenn man den Vertrag auch unterschreibt. Und der gibt dem Verlag alle Rechte zur Wiederverwertung in allen seinen Publikationen im In- und Ausland sowie in allen Medienformen (also auch online) - selbstverständlich alles zum Pauschalpreis!

     

    Wiederverwertung für den Autor, um finanziell überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen, ist damit ausgeschlossen.

  • HH
    hede hell

    stimmt, es geht nur gemeinsam. Daher möchte ich hier auf www.freischreiber.de verweisen, eine hoffentlich bald starke Interessenvertretung aller freien Journalistinnen und Journalisten. Freischreiber vernetzt alle Freien, damit wir weiter frei und trotzdem zu fairen Bedingungen arbeiten können. Für angemessene Honorare! Gegen Knebel-AGBs! Gemeinsam für qualitativ hochwertigen Journalismus!

  • B
    blau

    Hilal Sezgin hat völlig Recht - vergessen hat sie nur noch, wie anstrengend und nervig für Freie häufig die Zusammenarbeit mit Redaktionen ist. Wenn die was von einem wollen, brennt immer die Hütte und sie sind superfreundlich und liebenswürdig. Ist es umgekehrt, ist es umgekehrt. Auf eine Reaktion auf seine Texte kann man lange warten, meist kommt schlicht und einfach nichts. Ideen, Themenvorschläge wirft man meist in ein großes schwarzes Loch - Resonanz null. Nur - in einem luftleeren Raum zu arbeiten laugt aus und ermüdet, immer derjenige zu sein, der kommt, die Iniative ergreift, Vorschläge macht usw. macht auf Dauer mürbe und frustriert. Und auch das gehört zur Arbeit eines freien Journalisten: Wieviel Vorschläge muss ich machen, anrecherchieren, als Kurz-Exposé schreiben, bis mal einer davon angenommen wird. Die Vorarbeit - klar - bezahlt niemand, aber vom Honorar für den angenommenen Themenvorschlag lässt sich das auch schwer bezahlen.

     

    Abhilfe schafft hoffentlich bald der Verein freier Journalisten:

    www.freischreiber.de

  • K
    Krankenbruder

    Krankenschwestern, lieber Flusenleger, haben einen Durchschnittslohn von knapp 2000 Euro brutto. Soviel dazu.

    Und auf der Autorin rumzuhacken, weil sie beklagt, dass in der Medienbranche die Honorare geringer und die Ansprüche höher werden, halte ich für ziemlich unverschämt. Man kann das als Gejammere bezeichnen, man kann aber auch einfach sagen, dass sie Recht hat.

  • FZ
    Felix Zimmermann

    Schon merkwürdig, mit welchem Hochmut und welcher Gehässigkeit hier einige die durchaus treffenden Beobachtungen aus der Lebenswelt freier Journalisten kommentieren.

     

    Über Stilistik läßt sich trefflich streiten, über den Inhalt des von Hilal Sezgin Geschriebenen aber wohl kaum: Die Situation freier Journalisten ist in den letzten Jahren nur insofern besser geworden, als daß immer mehr Arbeit aus den Redaktionen an Freie vergeben wird. Anständig verdienen läßt sich damit aber nur selten, denn die Honorare sind mitunter erheblich gesunken – wenn sie denn je über Taschengeldniveau hinaus gekommen sind. Und zwar das Taschengeld, das knauserige Eltern ihren Kindern bereit sind zu geben. Ja, es gibt viele Freie, die von ihrer Arbeit leben können; aber es gibt ganze Heerscharen von Freien, die am Rande des Existenzminimums kratzen. Und für die, die davon leben können, wird die Luft dünner. Ja, selbst für etablierte Autoren und Preisträger.

     

    Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, auf Freischreiber aufmerksam zu machen, den jüngst gegründeten Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten. Sinkende Honorare, AGBs, die freien Journalisten sämtliche Rechte an ihren Werken nehmen, und die offenkundieg Unzufriedenheit vieler Freier mit den etablierten Gewerkschaften haben uns diesen Verband gründen lassen. Dort geschieht, was Hilal Sezgin sich wünscht: Freie tun sich zusammen, um nicht weiter als Einzelkämpfer Dinge geschehen zu lassen, die den freien Journalismus schon bald zum schlecht oder gar nicht bezahlten Hobby werden lassen.

  • MS
    Matthias Spielkamp

    Sezgin hat Recht, die Lage vieler freiberuflicher Journalisten ist so schlecht, wie sie sie beschreibt. Dennoch sollte der Artikel ein Ärgernis sein für alle, die sich für bessere Arbeitsbedingungen und Honorare einsetzen. Warum? Hier: http://immateriblog.de/?p=308

  • W
    Werner

    Die gewerkschaftliche Solidarität sieht so aus, dass mir die dju NRW (Düsseldorf) in der Gewerkschaft ver.di seit nunmehr zwei Monaten den Presseausweis verweigert, weil ich meine Brötchen als (Sach)Buchautor und Journalist verdiene. Ich legte dem Antrag die KSK-Bescheinigung über das Einkommen von 2008 bei. 6.000 Euro waren der NRW-dju offenbar zu wenig, um als Journalist anerkannt zu werden. (Wäre auch zu wenig zum Leben, wenn meine Frau nicht ebenfalls einen Job hätte – beim DGB). Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin seit 1981 als Autor und Journalist Mitglied der IG Medien, die 2001 in ver.di aufging. Den Presseausweis besaß ich ununterbrochen von 1984 bis 2006. Nur 2007 und 2008 hatte ich keinen beantragt, da ich ihn nicht dringend benötigte. (Ich gab in der Zeit unter anderem Seminare für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, weil man mit 58 Jahren inzwischen auf vielen Hochzeiten tanzen muss, um überhaupt noch was zu verdienen). Jetzt brauche ich ihn für ein Sachbuchprojekt zur Finanzkrise. Ohne komme ich an einige Quellen nicht ran. Das Projekt liegt dadurch jetzt auf Eis.

    Ach ja - für den ver.di-Bezirk Emscher-Lippe Süd (drei Großstädte) machte ich übrigens seit 2001 die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Inklusive Internetredaktion für die Website. Für brutto 350 Euro im Monat. Dass ich Geld dafür bekam, passte wohl einigen in Düsseldorf nicht. Ich hätte es sicher „solidarisch“ umsonst machen sollen. Zum Dank gibt’s jetzt ein journalistisches Berufsverbot.

    Damit nicht später jemand von der dju sagt, ich hätte hier was Falsches behauptet: Erst war die KSK-Bescheinigung nicht ausreichend. Dann wurde unserer ver.di-Bezirksgeschäftsführerin von der dju NRW erklärt, ich sollte doch eine Bescheinigung des Steuerberaters beibringen. Der bescheinigte, dass ich als hauptberuflich selbstständiger Journalist und Autor in den letzten Jahren mein Einkommen beim Finanzamt Gelsenkirchen Süd versteuert habe. Nun hieß es, der habe ja nur die Vergangenheit bescheinigt. Also stellte er eine neue aus. Diesmal ohne zeitliche Begrenzung. Auch die war nicht genug. Daraufhin mailte er mir: „Ich weiß nicht, was ich Ihnen jetzt noch bescheinigen soll“. Ein Anruf beim zuständigen Finanzamt – zwecks Bescheinigung - ergab die Reaktion: „Wir können Ihnen doch nicht eine Bescheinigung für die Zukunft ausstellen, wenn wir gar nicht wissen, als was sie 2009 arbeiten und ihre Steuererklärung für 2008 liegt uns noch nicht vor“ (was stimmt). So beißt sich die Katze in den Schwanz: Ohne Presseausweis kein journalistisches Einkommen, ohne journalistisches Einkommen kein Ausweis. Und so viel zur gewerkschaftlichen Solidarität! Vergesst es!

  • FW
    Frank Weber

    Was für ein grandioses Beispiel von Selbstdemontage. Schließlich gibt es viele freie Journalisten, die gut von ihrer Arbeit leben können. Víelleicht hätte die gute Frau lieber mal ihre eigene Arbeit in Frage stellen sollen.

    Zumal gerade dieser Artikel sie als alles mögliche ausweisen mag, keinesfalls jedoch als Profijournalistin. Denn der Profi hat schon in den ersten Tagen seines Volontariats gelernt: Lasse die Finger von Themen, die dich selbst betreffen, denn das kann nur schief gehen weil die Befangenheit den Blick verklärt. Der Versuch von Lobbyarbeit in eigener Sache gar - nichts anderes ist dieser Text - disqualifiziert jeden Schreiber aufs schärfste. Zugleich wählt die Autorin auch noch die penetrante Ich-Form, was bei der taz zwar verbreitet ist, aber im Qualitätsjournalismus auch nichts zu suchen hat. Denn Ich-Artikel werden entweder zur Nabelschau oder zur Selbstdisqualifikation - in jedem Fall aber peinlich. Wie eben hier gelesen.

     

    Ein freier Journalist

  • JD
    Jutta Donat

    Toller Artikel über die Situation von freien Journalisten, den Hilal Sezgin geschrieben hat. Ich habe lange mit mir und meinem mangelnden Mut zu Honorarverhandlungen gehadert; seit den Orchesterstreiks Ende vergangenen Jahres bin ich überzeugt, wir schaffen eine Verbesserung unserer Lage nur zusammen mit den festangestellten Kollegen. Sie müssten mit uns zusammen auf die Straße gehen, vors Zimmer des Chefredakteurs oder wohin auch immer.

    Jutta Donat

    freie Journalistin, Leipzig

  • AR
    Alter Redakteur

    So lange es sehr viele Leute gibt, die das Lohndumping in der Branche mitmachen, wird sich nichts ändern (können!). Das habe ich bereits vor 20 Jahren geschrieben. Viele "Freie" haben noch immer nicht begriffen, dass sie "vogelfrei" sind.

  • S
    Silbenfrau

    Sauguter Artikel! Bringt die Zustände auf den Punkt. Aber wer den Beruf liebt und (ihn) nicht aufgeben will, muss kämpfen, oder hat schon verloren. Also dranbleiben!!

  • TT
    Tara Tamon

    Klasse ist dieser Artikel!

    Voll auf den Punkt.

    Danke dafür.

     

    Es ist so wichtig, dass wir protestieren. Mit Jammern hat das nichts zu tun. Protest, das Anprangern von absolut unmöglichen Zuständen und Jammern sind 2 Paar Stiefel.

    Und Krankenschwestern brauchen wir demnächst...

    LG Tara Tamon

  • K
    Klugscheißer

    Der deutsche Journalistenberuf goes also Anwaltsberuf: Da is der Markt bekantlich auch schon dicht!

    Langsam sollte man wirklichan Auswanderung denken.

  • L
    Leon

    Harte Zeiten.

    "Qualitätsjournalisten", die von polizeipresse.de kopieren, und die Texte politisch korrekt "aufbereiten", sind seit Flatrate und prosperierenen Polit-Blogs nicht mehr so gefragt. Sollten sie's Investigieren anfangen, werden sie gefürchtet.

    Harte Zeiten.

    WELT, F.A.Z., derwesten, fr, taz: Bestenfalls Plattform für informative Leserbriefe.

     

    Der "Qualitätsjournalismus" hat seine Glaubwürdigkeit verloren.

  • WH
    Winfried Haas

    Die Situation der freien Journalisten, die von Hilal Sezgin so treffend beschrieben wird, könnte analog auf die Situation der freien Illustration übertragen werden. Immer umfangreichere und gleichzeitig schneller zu liefernde Leistung bei immer geringeren Honoraren führen den Einzelnen immer mehr in die Erpressbarkeit und sinkende Lebensqualität. Die einzige Chance, die ja auch schon in dem Artikel angesprochen ist, wäre die Solidarität unter allen Medienschaffenden, die vielleicht landesweit oder europaweit organisiert werden müsste. In Zeiten der globalen Vernetzung müsste es doch möglich sein, die berechtigten Interessen zu bündeln, um ein Gegengewicht gegen die Interessen der Medieninhaber zu schaffen.

  • F
    Flusenleger

    Sie sind mit diesem Text tatsächlich "zwei Wochen schwanger gegangen", haben einen Tag benötigt, um ihn zu schreiben, und danach noch zwei Tage daran gefeilt?

     

    Abgesehen davon, dass es Unsinn ist, davon auszugehen, jemand müsse Ihnen das "Schwanger gehen" mit einer Idee vergüten - wenn Sie tatsächlich drei Tage brauchen, um diesen Text fertigzustellen, der noch dazu keinerlei wirkliche Rechercheleistung enthält, dann sollten Sie vielleicht eher ins Romancier-Geschäft wechseln. Dieser Text ist nicht mehr als eine Fingerübung, von einem versierten Journalisten, ja sogar von einem Blogger, locker in fünf, sechs Stunden geschrieben - wofür 140 Euro eine nicht üppige, aber doch akzeptable Bezahlung wären.

     

    Viele Krankenschwestern oder Erzieherinnen träumen auch von 2.000 Euro brutto. Ihre Verantwortung und der Leistungsdruck auf sie sind jedoch um einiges höher. Wenn ich mir überlege, was beispielsweise diese Berufsgruppen in drei Tage zu leisten haben, dann wird mir ehrlich gesagt bei diesem Gejammere hier speiübel.

     

    Ja, ich bin auch Journalist. Sogar freier.