Debatte Frauenquote: Man bekommt, was man misst
Wir brauchen Chefinnen – und die fallen nicht einfach vom Himmel. Doch wenn die Wirtschaftsoberen anders ticken, ändert das auch das Denken an der Basis.
C laudia Pinl vertrat in der taz die Ansicht, dass die Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände unserem veralteten Gesellschaftsmodell nicht aufgepropft werden kann, dass wir zuerst die Gesellschaft verändern müssen.
Also zuerst Kulturwandel, der bei den Geschlechterbildern in unseren Köpfen anfängt, aber auch staatliche Maßnahmen wie flächendeckende Kinderbetreuung oder die Abschaffung des Ehegattensplittings umfassen soll, dann die Quote – "falls man sie dann noch braucht".
Ohne diesen Kulturwandel sei eine Quote mangels weiblichen Potenzials schließlich gar nicht umsetzbar und daher auch nicht sinnvoll. Das ist auch die Argumentationskette vieler Unternehmenschefs, die keine Lust auf die Quote haben. Diese Logik hat Fehler.
Ich wünsche mir auch einen Kulturwandel hin zu einer geschlechtergerechten Welt. Aber wo soll der herkommen? Und warum soll er zwar in der Gesellschaft, aber nicht in der Wirtschaft als wesentlichem Teil der Gesellschaft vor sich gehen? Und geht es nicht auch um Umverteilung von Macht und wurde Macht in der Geschichte je freiwillig geteilt?
ist Gründerin und geschäftsführende Beraterin von fempower.me. Das Unternehmen berät Managerinnen und Vorstände darin, gläserne Decken zu durchbrechen. Sie ist Aufsichtsrätin bei Teachfirst Deutschland und und lebt in Berlin.
Liegt es wirklich primär an fehlender Kinderbetreuung, der Feigheit von Frauen oder konservativen Steuergesetzen, dass wir zu wenig Frauen an der Spitze deutscher Unternehmen finden? Wo sind die vielen kinderlosen Frauen mit hervorragenden Abschlüssen und Karriereambitionen? Wo sind die, die sich ab einem gewissen Hierarchielevel längst private Kinderbetreuung leisten können, oder die, für die das Ehegattensplitting bedeutungslos ist, weil sie genauso viel verdienen wie ihr Mann oder gar keinen haben?
Die gläserne Decke hat viele Schichten, und tatsächlich finden sich einige davon auch im Steuerrecht oder in der überwiegenden Verantwortung von Müttern für die Kinderbetreuung. Aber das Fehlen der davon nicht oder nur marginal betroffenen Frauen in den Führungsetagen ist ein Indikator dafür, dass die Beseitigung dieser Probleme offenbar auch keine hinreichende Lösung ist.
Harte Ziele statt weicher Kompromisse
Alle Manager kennen den Grundsatz: You get what you measure – Man bekommt, was man misst. Oder mit anderen Worten: Was als klares, messbares Ziel mit einer Frist zur Zielerreichung definiert und regelmäßig überprüft wird – das wird eher erreicht als eine weiche formulierte Absicht à la "wir wollen mehr Frauen in Führungspositionen". Diese Binsenweisheit, die jeder Manager bei jeder Produkteinführung, bei jedem Merger, bei jeder Eroberung neuer Märkte beherzigt, wird bei diesem unisono formulierten Ziel kaum berücksichtigt.
Zehn Jahre lang gab es die freiwillige Vereinbarung zwischen der Wirtschaft und der Bundesregierung ohne eine einzige Zielzahl, geschweige denn eine Frist, bis wann das hehre Ziel von mehr Frauen in den Führungsetagen erreicht sein soll. Sie blieb wirkungslos wie alle anderen Konsenspapiere auch, die weder mit klaren Vorgaben noch mit Sanktionen bei Zielverfehlung versehen sind.
Vor wenigen Wochen haben sich die DAX-Unternehmen zu eigenen Quoten verpflichtet. Diese Quoten vergleichen zwar "Äpfel mit Birnen und Mandarinen", so zu Recht Arbeitsministerin von der Leyen, aber sie sind ein Anfang und ein Eingeständnis der Wirtschaft, dass es ohne Quoten nicht vorangeht.
Die Halbherzigkeit, mit der einige DAX-Unternehmen jedoch ihre Zielvorgaben festlegten, und der Umstand, dass auch diese Initiative Vorstände wie Aufsichtsräte ausschließt und sich darüber hinaus nur auf DAX-Unternehmen bezieht, zeigen, dass Freiwilligkeit auch jetzt noch keine effektive Methode ist, einen Abbau von Barrieren für Frauen durchzusetzen.
Kulturwandel
Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom – des ersten DAX-Unternehmens mit Quote –, wird nicht müde zu betonen, dass die vielen vorherigen Maßnahmen unternehmensintern nicht zum Erfolg geführt hatten, weil harte Ziele fehlten. Für ihn wie für die anderen Quotenbefürworter ist die Quote selbst ein wesentlicher Schlüssel, um den Kulturwandel zu erreichen.
Natürlich ist sie kein Allheilmittel, selbstverständlich braucht ein Kulturwandel weitere Maßnahmen. Aber ein Problem deshalb nicht anzugehen, weil es noch andere Probleme gibt, würde den Wandel nur verzögern.
Die Mär von den für eine nennenswerte Quote zahlenmäßig nicht vorhandenen, qualifizierten Frauen haben ihre Gegner auch im Vorbildland Norwegen gepredigt. Die Realität – eine fristgemäß problemlos erfüllte Quote – hat dieses Argument widerlegt.
Ein ähnliches Schicksal sollte das Argument "Frauen studieren das Falsche" erleiden, bei Claudia Pinl taucht es wieder auf: "Metallverarbeitung und Mathe gelten als uncool, weil nicht weiblich genug." In Mathe liegt der Frauenanteil jedoch bei etwa 50 Prozent, nimmt man Naturwissenschaften hinzu, sind es immer noch 40 Prozent.
Hartnäckige Netzwerke
Aber offenbar ist das gar nicht die Hürde, denn in den Aufsichtsräten und Vorständen finden sich nur wenig Ingenieure. Tatsächlich sind rund 60 Prozent der Vorstände und Aufsichtsräte in deutschen Großunternehmen Juristen oder Wirtschaftswissenschaftler, weniger als ein Drittel kommen aus den Bereichen Technik oder Naturwissenschaften, wie eine Studie des Juristinnenbundes im letzten Jahr nachwies.
Doch der Mythos hält sich hartnäckig. Zu gut eignet er sich, von dem effektiven Selektionsmechanismus in unserer Wirtschaft abzulenken: der Beförderung nach Ähnlichkeitsprinzip innerhalb der Old Boy Networks. Diesen unökonomischen Selektionsmechanismus gilt es aufzubrechen, und dafür braucht es die gesetzliche Quote.
Innovative Unternehmen haben das erkannt, sie geben sich selbst harte Quoten, um Kompetenz in weiblichen Köpfen zum Erfolg zu verhelfen, wirksame, aber irrationale Barrieren abzubauen und letztlich mit mehr sichtbaren weiblichen Vorbildern ein Signal in die eigene Organisation und darüber hinaus zu senden. So ein Signal wird von talentierten Frauen mit Ambitionen sehr wohl wahrgenommen: Bei der Deutschen Telekom sind inzwischen mehr als 50 Prozent der Auszubildenden Frauen – auch in technischen Berufen.
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