Debatte Die Superreichen: Steuern statt Schulden
Die globale Oberschicht leidet kaum unter der Krise, sagt der jüngste Weltreichtumsbericht. Zeit, sie in die Pflicht zu nehmen.
A ngesichts des Rekorddefizits im Staatshaushalt lautet die Frage nicht, ob es höhere Steuern geben muss, sondern nur, wann diese kommen werden. Denn wer heute auf Steuern verzichtet und sich lieber verschuldet, ist morgen gezwungen, noch mehr Steuern einzutreiben, um die Verbindlichkeiten samt Zinsen zurückzuzahlen.
Das Verschieben von Steuerlasten auf kommende Generationen wäre gerechtfertigt, wenn die Belastung der heute Lebenden zu einer Vertiefung der Krise führen und damit auch die kommenden Generationen negativ treffen würde. Bei Massensteuern wäre dies der Fall, denn sie haben sowohl einen negativen Konjunktureffekt als auch einen negativen Verteilungseffekt. Massensteuern würgen die Konjunktur ab, weil sie die Massenkaufkraft und Inlandsnachfrage schwächen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre das der sichere Weg in die zweistellige Rezession.
Der negative Verteilungseffekt rührt daher, dass die unteren und mittleren Einkommensschichten ihr Einkommen großteils ausgeben müssen und dabei von der Mehrwertsteuer getroffen werden. Die oberen Schichten können es sich hingegen leisten, einen größeren Teil ihres Einkommens zu sparen, entgehen damit der Mehrwertsteuer und erhalten stattdessen eine Vermögensrente: Die Kluft zwischen Arm/Mittelstand und Reich wächst.
Das alles spricht gegen eine höhere Belastung der Allgemeinheit. Doch zu Massensteuern gibt es eine ebenso prominente wie tabuisierte Alternative: Vermögensteuern auf die wirklich Vermögenden. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) besitzen zehn Prozent der Deutschen 61 Prozent des gesamten Privatvermögens: Eine Minderheit könnte hier einen relevanten Beitrag zur Staatsfinanzierung leisten, ohne dass ein krisenverschärfender Effekt einträte. Im Gegenteil: Die Oberschicht ist mittlerweile so reich, dass sie gar nicht mehr in der Lage ist, ihre Vermögen zu verkonsumieren, oft nicht einmal die Zuwächse. Sie ist gezwungen, ihr Kapital professionellen Vermögensverwaltern zu überlassen, welche die Abermilliarden auf die Finanzmärkte pumpen und damit immer größere Blasen befüllen - eine strukturelle Ursache für die Krise.
Die Diskussion über Vermögensteuern wird derzeit gerne mit dem Argument abgewürgt, bei den Reichen gäbe es gar nichts mehr zu holen, weil sie von der Krise schwer getroffen und ihre Vermögen weitgehend vernichtet worden seien. Zu diesem Argument gibt es aktuelle Zahlen: Laut jüngstem Weltreichtumsbericht von Capgemini und Merrill Lynch ist die Zahl der globalen Dollarmillionäre ("HNWI") aufgrund der Krise um 14,9 Prozent von 10,1 auf 8,6 Millionen Personen gesunken und ihr Vermögen um 19,5 Prozent von 40,7 auf 32,9 Billionen US-Dollar. Das ist in beiden Fällen ein Rückgang auf das Niveau von 2005 - eine Jahrhundertkrise sieht anders aus. Die deutsche Millionärsgemeinde kam überhaupt fast ungeschoren davon: Sie schrumpfte von 833.000 auf 810.000 Mitglieder.
Von daher klingt der Befund von DIW-Chef Klaus Zimmermann, der in der Welt am Sonntag von einem "Kriseneffekt der Gleichmacherei" sprach, schlicht polemisch. Der Gleichmachereieffekt war so gering, dass es 2008 in Deutschland immer noch mehr Millionäre gab als 2006 (798.000).
Zum anderen sagt der World Wealth Report voraus, dass es schon in diesem Jahr wieder deutlich mehr Superreiche geben wird als 2008. Bis 2013 prognostiziert er ein Anwachsen des Vermögens der HNWI auf knapp 50 Billionen US-Dollar - ein Zuwachs um 15 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Den krisenbedingten Abschreibungsbedarf aller Banken weltweit schätzt der Internationale Währungsfonds derzeit auf vier Billionen US-Dollar.
Ein weiteres Indiz dafür, dass Krise kein Synonym für Großvermögensvernichtung sein muss, ist die Ausschüttungspraxis der DAX-Konzerne. Sie gießen laut Wirtschaftswoche heuer, im zweiten Krisenjahr, stolze 23,5 Milliarden Euro in Form von Dividenden an die Aktionäre. Mehr ausgeschüttet wurde nur in den absoluten Rekordjahren 2008 (28,3 Milliarden) und 2007 (23,6 Milliarden). Im Zeitraum 1990-2000 betrug die Dividendengabe aller DAX-Konzerne im Schnitt 6,8 Milliarden Euro.
Fazit: Die großen Vermögen sind beinahe unversehrt erhalten, auffallend ungerecht verteilt und könnten eine moderate Besteuerung problemlos verkraften. Es wäre nur gerecht, würden die obersten zehn Prozent einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten, zumal sie von der Politik, die in die Krise geführt hat, extrem profitiert haben.
Ein weiterer Umstand spricht stark für die Besteuerung von Vermögen: Deutschland ist im internationalen Vergleich ein außergewöhnliches Niedrigsteuerland für Wohlhabende. Vermögensteuern machen nur 0,9 Prozent vom BIP aus. Würde sich Deutschland dem Niveau Frankreichs angleichen (3,5 Prozent), brächte dies zusätzlich 64 Milliarden Euro; dem Großbritanniens (4,6 Prozent) sogar 92 Milliarden Euro - die Regierung bräuchte keine neuen Schulden aufzunehmen, die kommenden Generationen würden verschont.
Noch zukunftsweisender wäre es, das Thema Vermögensteuern gleich auf globaler Ebene anzupacken. Eine ökonomische Elite hat von der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte und des Handels extrem profitiert. Ihren globalen Freiheiten und Rechten stehen derzeit keine globalen Pflichten gegenüber.
Globale Steuern wären ein Ansatzpunkt, diese Asymmetrie aus Rechten und Pflichten zu beheben. Eine einprozentige HNWI-Steuer brächte jährlich 320 Milliarden US-Dollar, eine zweiprozentige schon 640 Milliarden. Wenn die Prognose des Weltreichtumsberichts zutrifft, dann wären es 2013 bereits 480 Milliarden (ein Prozent) oder sogar 960 Milliarden (zwei Prozent). Damit ließen sich viele globale Krisenpakete finanzieren, ohne neue Schulden zu machen. Und das Beste daran: Diese müssten nicht zuletzt bei den HNWI-Millionären aufgenommen werden, was sie auf Kosten der Allgemeinheit noch reicher machen würde: "Ungleichmacherei".
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