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Debatte CDU-FamilienpolitikAdenauer lässt grüßen

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Die Union kann Familienpolitik? Weit gefehlt. Ihre Rezepte stammen aus den Fünfzigern und begünstigen Kinderarmut, wie Studien zeigen.

In der Union dürfen Frauen sogar zwei Jobs nachgehen: Hausfrau und Mutter Foto: dpa

D ie CDU, das war mal die „Familienpartei“. Das ist lange her. Damals meinte man, das Ehegattensplitting fördere die Keimzelle des Staates. Vati, Mutti, Kinderschar. Adenauers Familienminister Franz-Josef Würmeling fand, die Mutter daheim müsse für ein geregeltes Familienleben sorgen: „So ist die Mutter daheim, zumal der Vater weithin nicht daheim ist, heute noch vielfach wichtiger als früher. Eine Mutter daheim ersetzt vielfach Autos, Musiktruhen und Auslandsreisen, die doch allzu oft mit ihrer Kinder gestohlenen Zeit bezahlt wurden.“

Um sich dieses Modell leisten zu können, brauchten die Familien natürlich Ersatz für das fehlende Einkommen der Mutter. Also gab es eine Menge Familienvergünstigungen: Ehegattensplitting, Kindergeld, Steuerfreibeträge – und den von Würmeling erfundenen „Karnickelpass“, mit dem kinderreiche Familien günstig Bahn fahren konnten.

Die Nachteile dieses Modells liegen auf der Hand. Die Väter müssen einen Familienlohn nach Hause bringen und fallen als Bezugsperson für die Kinder weitgehend aus. Die Mütter werden auf einen einzigen „Beruf“ festgenagelt – und der ist unbezahlt. Sie haben keine eigene Existenzsicherung und sind bis ins Alter von ihrem Ehemann abhängig.

Dass dieses Modell auch finanziell oft nicht funktioniert, zeigen Untersuchungen zur Kinderarmut. Deren Hauptgrund wird übereinstimmend darin gesehen, dass Mütter zu wenig Zeit für eine bezahlte Arbeit haben.

Freiheit für Frauen muss lebbar werden

Die CDU nun, die immer betont, dass Kinder Mutter und Vater bräuchten (ein Grund für ihre Ablehnung der Ehe für alle), sollte eigentlich ein Interesse daran haben, dass Väter ihre Rolle auch ausfüllen können. Und da die Partei auch von Freiheit als Grundprinzip der Demokratie viel hält, müsste sie ebenfalls daran inter­essiert sein, diese Freiheit auch für Frauen lebbar zu machen.

Familienpolitik müsste dann also vor allem Zeitpolitik heißen. Zeit für Väter, an der Familie teilzuhaben, Zeit für Mütter, sich beruflich zu entwickeln. Dass die Grundlage dafür der weitere Ausbau der Kinderbetreuung ist, darf mittlerweile als Selbstverständlichkeit gelten, die in keinem Wahlprogramm fehlt. Kurz soll daran erinnert werden, dass auch diese nur beschlossen werden konnte, nachdem man der CSU dafür die Einführung eines „Betreuungsgelds“ versprochen hatte.

Aber Kinder sind auch nach der Kita noch da und brauchen Zeit. Die „Familienarbeitszeit“, die befristete Teilzeit für Männer und Frauen parallel finanziert, wenn Kinder oder alte Eltern es brauchen, wäre ein Vorhaben, das hier Erleichterung schafft. Flankiert werden müsste das von Maßnahmen, die die Nachteile von Frauen auf dem Arbeitsmarkt angehen, eben damit sie ein gutes Einkommen nach Hause bringen können: Minijobs abschaffen, Lohngleichheit herstellen, Quoten für Führungsjobs, Aufwertung typischer Frauenberufe.

Schaut man vor diesem Hintergrund ins Wahlprogramm der Union, findet man dort einen weitgehenden Ausfall, der mühsam kaschiert werden soll. Ein einziges zeitpolitisches Vorhaben – das übrigens die SPD eingebracht hat – hat überlebt: ein Recht darauf, seinen Teilzeitjob zu befristen, anstatt in der Teilzeitfalle stecken zu bleiben. Allerdings möchte die Union dies nur für Großbetriebe – die meisten Frauen arbeiten aber in Kleinbetrieben.

Alimentierungspolitik für Mittelschichtsfamilien

Der Rest ist Alimentierungspolitik für Mittelschichtsfamilien, wie in den Fünfzigern: mehr Kindergeld (reicht für einmal Babysitten im Monat), Baukindergeld und ein Freibetrag in der Grundsteuer (für Menschen, die so viel Geld haben, dass sie ein Eigenheim in Betracht ziehen) und – ganz der Würmeling – Vorfahrt für Familien an Flughäfen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Falsch ist das alles nicht, aber wichtiger ist, was fehlt.

Zum Beispiel Politik für die Ärmeren. Viele Alleinerziehende sind gezwungen, von Hartz IV zu leben. Sie haben von einer Kindergelderhöhung nichts, von Baukindergeld oder Freibeträgen können sie nur träumen.

Außerdem werden die zwei größten Faktoren, die dazu führen, dass Frauen nicht oder wenig berufstätig sind, im CDU-Wahlprogramm noch nicht einmal erwähnt: das Ehegattensplitting und die Familienversicherung in der Krankenkasse. Beide sorgen dafür, dass es sich für Frauen lohnt, in einem Minijob stecken zu bleiben, weil ja sonst die vollen Versicherungsbeiträge und die Steuerklasse V drohen, die für ein geringes Netto sorgen. „Fehlanreize“ nennen die ExpertInnen so etwas. An denen will die Union offenbar nichts ändern.

Bei der CDU bleibt der Arbeitsmarkt für Frauen weitgehend so ungerecht, wie er nun mal ist. Was Generalsekretär Peter Tauber in seinem idiotischen Tweet auch noch zugegeben hat: Minijobs sind „nichts Ordentliches“. Die vielen in Minijobs beschäftigten Frauen würden das sicher bestätigen – aber warum schafft die CDU sie dann nicht ab, wie es ExpertInnen schon seit Jahrzehnten fordern?

Stillstand, garniert mit etwas Geld

Wären sie sozialversicherungspflichtig wie alle anderen Jobs, dann wären sie keine Falle mehr, aus der viele Frauen nach der Kinderpause nicht mehr her­auskommen. Muss man noch erwähnen, dass sich keinerlei Fortentwicklungen bei Eltern- oder Familienzeit, Quote, Aufwertung, Lohngleichheit in dem Programm finden?

Damit das nicht so auffällt, greift die Union zu einem Trick. Sie schmückt sich einfach mit den Leistungen der Vergangenheit – und vor allem denen der SPD. Die Sozialdemokraten haben der Union in den letzten Jahren gegen erbitterten Widerstand einiges abgetrotzt: die Quote, das Transparenzgesetz, die kommende Befristung der Teilzeit, das Elterngeld Plus – alles SPD-Initiativen.

Im Unions-Wahlprogramm liest sich das nun so: „Seit 2013 haben wir das Elterngeld Plus eingeführt“ oder „Unter unserer Regierungsverantwortung wurden seit 2013 die sogenannte Frauenquote für Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft, das Entgelttransparenz-Gesetz und die Novellierung des Mutterschutzgesetzes verabschiedet“.

Stillstand, garniert mit etwas Geld und vertuscht durch etwas, das man als dreiste WählerInnentäuschung bezeichnen muss: Eine „Familienpartei“ sieht heute anders aus.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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6 Kommentare

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  • Ich bin immer wieder erstaunt, dass in Taz-Artikeln gern das Klischee vom gutverdienenden, gutverdienenden Homosexuellen bedient wird. In diesem Artikel nur unterschwellig, in vorangegangenen wurde es zum Teil deutlich formuliert.

     

    Es gibt aber in der Realität durchaus asymmetrische homosexuelle Partnerschaften. Beziehungen, in denen einer aus Krankheitsgründen erwerbsunfähig wird, in denen einer Ausländer mit einer in Deutschland nicht anerkannten Berufsausbildung ist, in denen einer als Freiberufler viel mehr Risiken ausgesetzt ist. Und es soll sogar Homosexuelle mit einfacher Schulbildung und einem einfachen Beruf geben. (Der Konjunktiv ist ironisch gemeint.)

     

    Das sind alles Leute, die vom Ehegattensplitting und einer Familienversicherung profitieren. Aus Perspektive der Diversität schafft das Ehegattensplitting für Homosexuelle mehr Gleichheit, weil sie proportional von einem Familiensplitting viel weniger profitieren würden. Im Vergleich zu heterosexuellen haben homosexuelle Partnerschaften weniger Kinder.

     

    Verdeckt das Vorurteil von akademisch gebildeten, gut verdienenden Schwulen und Lesben den Blick auf die strukturelle Benachteiligung von homosexuellen Partnerschaften?

    • @rero:

      Es geht hier um Familien, die werden hier so definiert: mit eigenen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebend. Erstmal nicht um Partnerschaften an sich. Wer wann wie steuerlich entlastet oder vom Staat begünstigt wird, liegt im Ermessen einer gesellschaftlichen Konvention.

      • @Energiefuchs:

        Natürlich liegt es im Ermessen der gesellschaftlichen Konventionen. Deshalb gibt es das Ehegattensplitting. Und der Name sagt schon, dass es eben nicht nur um Familien geht.

  • Der Staat sieht Kinder bloß als Organisationsproblem. Und ja, es ist die Zeit die für die Erziehung, Bildung, Betreuung der Kinder fehlt. Auch dann noch, wenn die Kinder im Teenageralter sind. Insofern war die Lösung "Mutter wird 20 Jahre Hausfrau" erstmal eine gesellschaftliche Lösung. Heute funktioniert diese nicht mehr, aus unterschiedlichen Gründen. Ein neues Gesellschaftsmodell hat sich noch nicht herausgebildet. Es tendiert zu: man kann für Geld alles kaufen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Wenn eine Frau wegen des Ehegattensplittings und die Familienversicherung in der Krankenkasse auf eine Berufstätigkeit verzichtet, ist ihr nicht zu helfen. Das ist doch wohl die Entscheidung des Einzelnen und nicht die Schuld des Staates.

    • 2G
      25726 (Profil gelöscht)
      @80576 (Profil gelöscht):

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