Debatte Bildungsstreik 2010: Zurück zur Substanz!
E r war ja ganz schön für alle: der Bildungsstreik. Die Studenten konnten ihrem Unmut Luft machen, die Presse hatte tolle Aufnahmen und die Politik Anlass zu Sonntagsreden. Aber das, worum es geht, ist wichtiger und komplizierter: Unsere Bildung. Wer diese bestreikt, das ist nur logisch, hat weniger von ihr.
Alles, worauf die Teilnehmer des sogenannten Bildungsstreiks sich einigen konnten, waren die Protestformen. Im ,zivilen Ungehorsam' wähnte man sich in der Reihe großer Friedenskämpfer, bei Renn- und Sitzdemos atmete man den Geist von ¥68 und in besetzten Hörsälen war man plötzlich ein bisschen Kommune. Aber wozu eigentlich?
Zum einen konnte man die Stärke der studentischen Linken demonstrieren. Selbst das CDU-geführte Bundesbildungsministerium lässt nun zwei von drei Workshops zu seinem ,Bildungsgipfel' von Studentenfunktionären der Linkspartei leiten. Zum anderen wollten viele aber auch tatsächlich bessere Hochschulen. Dafür kann man auch mal auf die Straße gehen.
Johannes Knewitz, 27, ist Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Liberaler Hochschulgruppen (LHG).
Viel mehr Chancen hätte man aber, wenn man sich konstruktiv einbringt. In den Fachschaftsräten, Senatskommissionen und Studentenschaften fehlen genau diese Studenten. Das ist weniger sexy. Man streitet sich um Kapazitätsrecht und Modulprüfungen, muss sich zu Wahlen stellen und einiges an Zeit und Arbeit aufwenden. Im Zweifel muss man sogar Farbe bekennen und für eine politische Richtung und konkrete Ziele einstehen. Keine Gruppendynamik, keine Ideologien, keine Solidaritätsnoten. Dafür ist man demokratisch legitimiert, legt nicht die Kommilitonen lahm, die sich keine Bildungsauszeit leisten können und brüskiert nicht diejenigen, die in einer weniger privilegierten Situation als wir Studenten sind. Ohne diese Substanz ist jeder Protest leer.
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