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Debatte Arbeiten im InternetClickworkern geht es nicht gut

Kommentar von Thomas Klebe

Die Anzahl der Crowdworker steigt stetig. Doch meist sind die Netzarbeiter gegenüber ihren Auftraggebern in einer prekären Position.

Arbeiten im Internet: zumeist eine prekäre Veranstaltung. Foto: reuters

W eltweit entstehen neue Formen der Beschäftigung. Sie sollen das bisherige Normalarbeitsverhältnis mit den Standards wie garantierter Arbeitszeit und Bezahlung, Kündigungsschutz und Schutz durch Sozialversicherungssysteme ablösen. Dies gilt insbesondere für neue Formen der Selbstständigkeit, vor allem über Plattformen im Internet.

Deren Zahl ist sprunghaft angestiegen. Die Fahrer von FedEx, Uber oder Lyft sollen ebenso selbstständige Unternehmer sein wie die Mehrheit der Piloten bei Ryanair, die Menschen, die Instacard zum Einkauf für den privaten Kühlschrank schickt, oder TaskRabbit, um Wände zu streichen, den Hund auszuführen oder sich für Konzertkarten anzustellen. Die Unternehmensberatung PwC schätzt den Umsatz der Sharing- oder auch Gig-Economy für 2025 auf rund 335 Milliarden US-Dollar.

Eine der Varianten ist Crowdsourcing. Hiermit wird die Auslagerung von Arbeiten über eine Internetplattform an eine unbestimmte Menge von Menschen, die „Crowd“, bezeichnet. Dabei reicht das Spektrum von einer Vielzahl kleiner Teilaufgaben wie der Katalogisierung der Krater auf einem Planeten bis zu hochkomplexen Arbeiten wie wissenschaftlichen Fragen aus der Medizin oder der Entwicklung von Autoteilen.

Crowdsourcing ist in allen Bereichen der Wertschöpfung eines Unternehmens möglich. Der gerade erschienene Report der Weltbank, „The Global Opportunity in Online Outsourcing“, hält ein Umsatzvolumen der Crowdwork-Plattformen, weltweit zurzeit etwa 2.300, von 25 Milliarden Dollar in 2020 für denkbar. Andere Schätzungen gehen von bis zu 46 Milliarden aus und bereits für 2016 von etwa 112 Millionen überwiegend in Teilzeit beschäftigten Crowdworkern.

Die Erkenntnisse über Crowdwork sind lückenhaft. Bekannt sind allerdings die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen. Pauschal gesagt sind sie eine krasse marktunübliche Benachteiligung der Crowdworker. So ist teilweise vorgesehen, dass auch die Rechte an abgelehnten, nicht bezahlten Arbeiten auf die Auftraggeber übergehen. Arbeiten können ohne hinreichenden Grund zurückgewiesen werden, und die Geschäftsbedingungen gelten für laufende Projekte einseitig als geändert, sobald sie auf der Webseite der Plattform veröffentlicht sind.

Der Verdienst der Crowdworker ist sehr unterschiedlich. Bei Microtasks liegt der Durchschnitt bei 1,38 Dollar, für erfahrene Crowdworker bei acht Dollar pro Stunde. Dabei nennen 66 Prozent bei der Plattform Amazon Mechanical Turk (AMT), die solche Mikroaufgaben vergibt, diese Entlohnung als ihre wichtigste Einnahmequelle. Bei anderen Plattformen wie etwa für Softwareentwicklung oder Design können höhere Durchschnittsverdienste erzielt werden. Die Plattform Upwork nennt auf globaler Ebene rund 24 Dollar.

Eher Mikro- als Minijob

Die Arbeit von Crowdworkern kann nicht nur schwarzweiß gezeichnet werden. Festzuhalten ist, dass die Verdienstmöglichkeiten für viele extrem schlecht, die Arbeitsbedingungen deutlich prekär sind. Auch wenn manche besser verdienen: Alle müssen nicht nur Steuern zahlen, sondern auch Risikovorsorge treffen.

So scheint die zynische Beschreibung von Lukas Biewald, dem CEO der Plattform CrowdFlower, für die überwiegende Zahl der Crowdworker und wohl auch die Zukunft von Crowdwork zutreffend: „Vor dem Internet wäre es richtig schwierig gewesen, jemanden zu finden, der sich für zehn Minuten hinsetzt, damit er für dich arbeitet, und ihn dann nach den zehn Minuten zu feuern. Aber mit dieser Technologie kannst du tatsächlich jemanden finden, bezahlst ihm einen winzigen Geldbetrag und wirst ihn dann los, wenn du ihn nicht mehr brauchst“.

Für die gewöhnlichen Crowdworker, die keine Spezialisten sind, wäre es extrem wichtig, sich aus der fundamentalen Abhängigkeit von den Plattformen zu befreien. Hier können Gewerkschaften Unterstützung zur Selbsthilfe liefern. Ein erster Schritt ist dabei ein Referenzsystem, das Bewertungen von Auftraggebern und Plattformen ermöglicht, wie etwa die von der IG Metall gerade installierte Internetplattform www.faircrowdwork.org. Dort können Crowdworker diskutieren, welche Erfahrungen sie machen, wer ein fairer Auftraggeber ist. Ein weiterer Schritt ist die gerichtliche Korrektur der Geschäftsbedingungen.

In den USA wehren sich „Selbstständige“ gegen die Flucht der Arbeitgeber aus jeder Verantwortung. Aus jüngerer Zeit liegen Gerichtsentscheidungen vor, die die Fahrer von FedEx, Lyft und Uber als Beschäftigte dieser Unternehmen einordnen, eben weil etwa Uber wie ein Arbeitgeber wichtige Rahmenbedingungen für Auto und Fahrer festlegt, die Einhaltung genau kontrolliert und Fahrer bei einem Rating der Fahrgäste unter 4.6 Sternen aus dem System nimmt.

Zugang zur Sozialversicherung

Andere Entscheidungen sehen McDonald’s oder Domino’s Pizza als Franchisegeber in der Verantwortung für die Arbeitsbedingungen beim Franchisenehmer. Unmittelbar für Crowdwork war in San Francisco ein Prozess anhängig, bei dem ein Crowdworker den Mindestlohn, der nur Arbeitnehmern zusteht, gegen CrowdFlower einklagte. Diese Klage ist am 2. Juli gegen Zahlung von rund 600.000 Dollar verglichen worden. Die Plattform wollte offensichtlich kein Präjudiz riskieren.

Auch wenn Crowdworker de facto keine Arbeitnehmer sind, sie sind doch oft in vergleichbarer Situation. Dann müssen sie auch vom Gesetzgeber vergleichbar im Arbeitsrecht geschützt werden und Zugang zur Sozialversicherung haben. Dies ist in einigen europäischen Ländern bei Solo-Selbstständigen bereits der Fall. Dabei geht es nicht darum, neue Geschäftsmodelle zu zerstören.

Es geht um faire Beschäftigungsbedingungen und auch um Solidarität in der Gesellschaft, wie bei den Sozialversicherungssystemen. Clickworker stehen in harter Konkurrenz mit ihren Kollegen und auch mit Stammbelegschaften. Die Situation der Tagelöhner im 19. Jahrhundert darf sich nicht im 21. Jahrhundert wiederholen. Es geht darum, wie das Normalbeschäftigungsverhältnis der Zukunft definiert wird – um nicht mehr und nicht weniger.

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