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DaumenkinoAch, Jordan!

Vor dem Krieg war alles besser. Die Kostüme waren schicker, die Möbel solider, und selbst die unteren Klassen drückten sich noch gewählt aus: „Nach der Haltung zu urteilen, schienen mir Träume beteiligt zu sein“, beschreibt ein Privatdetektiv dem Schriftsteller Maurice Bendrix (Ralph Fiennes), wie Sarah Miles (Julianne Moore) auf einer Kirchenbank gesessen hat.

Das Beste an der Zeit vor dem Krieg war jedoch, dass das kirchliche Ehegelöbnis noch so bindend war, dass ein Ehebruch die herrlichsten Schuldgefühle zur Folge hatte. Nur eine unglückliche Affäre ist eine glückliche Affäre! Tritt in die Kirche ein und die köstlichsten Gewissensqualen warten auf dich! Als Werbebotschaft ist das sogar besser als „Der Strom ist gelb“. Die katholische Kirche schuldet Regisseur Neil Jordan für diesen Film, der nach einem Roman von Graham Greene gedreht wurde, die Seligsprechung.

Maurice hatte vor fünf Jahren eine Affäre mit der anderweitig verheirateten Hausfrau Sarah Miles. Bevor sich das Versteckspielen als Aphrodisiakum abnutzen konnte, brach Gott sei Dank der Krieg aus: Eine Bombe fällt auf das Liebesnest, und Maurice liegt da wie tot. Sarah nutzt diese einmalige Gelegenheit und verspricht Gott, dass sie sich von Maurice trennen wird, wenn er nur wieder aufwacht. Selbstverständlich erfüllt Gott ihr diesen Wunsch. Danach leiden beide so heftig, dass sie das glücklichste Paar von ganz London sein müssen.

Doch Maurice, der nichts von dem Eid ahnt, verdächtigt Sarah der Untreue. Und Sarah büßt ihr immer noch vorhandenes Begehren mit einem heftigen Husten, als sie ihr Versprechen bricht und ihren Ehemann verlässt. Am Ende ist die Schöne tot, und die zwei Männer sind Freunde.

Ach, Jordan! Dabei ist der Katholizismus so eine wunderbare Sache! Diese ganzen fantastischen Elemente – das Purpurrot der Kardinäle, der Bischofsring, der geküsst wird, die Marienerscheinungen, das Zölibat. Jordan hat früher wunderbar mit diesen hysterischen Erscheinungsformen gespielt. Am virtuosesten in „The Butcher Boy“, wo er eine Maria so selbstverständlich auf einer Parkbank plaudern ließ, wie Buñuel seine Protagonisten durch die Wände schickte. „Das Ende einer Affäre“ ist mehr die Ratzinger-Variante.

Anja Seeliger „Das Ende einer Affäre“. Regie: Neil Jordan. Mit Julianne Moore, Ralph Fiennes u. a. GB 1999

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