Daueraustellung im Bode-Museum Berlin: In der Ruhe liegt die Kraft
Die neue Dauerstellung „Das heilende Museum“ im Berliner Bode-Museum verbindet Kunstgenuss mit Meditation und Wissenschaft. Eine Studie dazu läuft an.

Ich fühle mich ein wenig verloren, als ich durch den ersten großen Gang des Berliner Bode-Museums streife. Links und rechts von mir türmen sich riesige Skulpturen auf, die Teil der größten und ältesten Sammlung von Plastiken weltweit sind. Ich bin auf der Suche nach einem ganz bestimmten Raum: Einem, in dem Besucher*innen mithilfe von Kunst meditieren können. Weitere zehn Minuten streife ich hektisch durch die Museumsräume, bevor ich endlich vor dem Schild „Herzlich willkommen beim Projekt: Das heilende Museum“ ankomme.
Vor mir öffnet sich ein schmaler Gang, der sich zunächst kaum von den anliegenden Museumsräumen unterscheidet. Ich bin überrascht – vielleicht weil ich Sitzkissen oder Klangschale erwartet habe. Stattdessen stehen schmale Sockel mit kleinen Statuen in der Mitte des Raums, an den Wänden hängen großformatige Selbstporträts. Sie wurden entweder aus dem eigenen Bestand kuratiert oder sind Leihgaben von Schwesterinstitutionen wie dem Museum für Islamische Kunst.
Fast reflexartig beginne ich, die Beschreibungstexte zu lesen. Ich will verstehen: Was verbindet diese Kunstwerke? Und was haben sie mit Meditation und Achtsamkeit zu tun? Die erste Skulptur, die mir auffällt, ist aus Bronze: Buddha. Direkt daneben eine Jesus-Büste. Dann Hieronymus, Maria Magdalena und Herkules mit Keule. Ob Buddhismus, Islam, Christentum oder Stoizismus, die Figuren teilen eine Eigenschaft: Sie alle haben meditiert.
Sich auf die Audiospur machen
Später entdecke ich eine Kiste mit runden Sitzpolstern und dem Hinweis auf digitale Meditationsanleitungen. Ich fühle mich ertappt: Denn die Werke sind nicht nur Ausstellungsobjekte, sondern gleichzeitig Meditationsstationen. „Ankommen“ – so heißt die erste Audiospur, die ich mit meinem Smartphone per QR-Code abrufe.
„Das heilende Museum. Achtsamkeit und Meditation im Kunstraum“ im Bode-Museum; Daueraustellung
Ich schnappe mir eins der Kissen, setze mich in ein ruhiges Eckchen und drücke auf Play. „Wir neigen dazu, uns sehr auf die Objekte zu fokussieren“, sagt eine sanfte Stimme und lädt mich ein, durch den Raum zu streifen: Wie sieht es hier aus? Welche Linien und Kurven gibt es? Ist es warm oder kalt, was ist zu hören?
Die Idee dahinter: Den Alltag vor der Tür lassen und durch Kunstbetrachtung die Achtsamkeit schulen. Dass Achtsamkeit die psychische Gesundheit fördert, ist wissenschaftlich vielfach belegt. In Kanada, Schweden, Belgien, Großbritannien und in der Schweiz übernehmen Krankenkassen sogar schon Museumsbesuche.
Einzigartiges Projekt
Kuratorin María López-Fanjul hat dieses Potenzial früh erkannt und ein für Deutschland einzigartiges Projekt ins Leben gerufen, das Meditation, Kunstgeschichte und medizinische Forschung verbindet – in Kooperation mit der Charité und dem Max-Delbrück-Center. In einer begleitenden Studie sollen die Effekte des Museumsbesuchs an Patient*innen mit chronischen Krankheiten getestet werden.
Nachdem ich die Kunstwerke also erneut – diesmal mit Meditationsanleitung auf den Ohren – betrachtet habe, merke ich, dass sich einige andere Besucher*innen im Raum angeschlossen haben. López-Fanjul berichtet, viele Rückmeldungen in der Feedback-Box seien Gebete: „Für die Gäste scheint es heilsam zu sein, hier zu verweilen.“
Das Projekt zeigt: Meditation ist keine Modeerscheinung, sondern eine jahrhundertealte Praxis, die sich durch verschiedene religiöse und philosophische Traditionen zieht. „Das heilende Museum“ hat also nichts mit Esoterik zu tun, sondern versteht sich als wissenschaftlich fundierten Raum, in dem Besucher*innen Selbstfürsorge üben können. Oder einfach nur Kunst betrachten – kommt das vielleicht aufs Gleiche raus?
Auf dem Weg nach draußen bin ich unsicher, ob und wie lange die Ruhe aus dem Raum nachhallen wird. Aber vielleicht gehe ich in Zukunft öfter ins Museum, wenn mir mal wieder alles über den Kopf wächst.
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