Datenschützer warnen vor IPv6: „Ein Kennzeichen für jeden Nutzer“
Für jedes Internet-Gerät eine eigene Adresse – technisch ist das mit dem neuen Internet-Protokoll kein Problem. Datenschützer kritisieren aber, dass damit anonymes Surfen eingeschränkt werde.
BERLIN dpa | Vor einem internationalen Aktionstag zur Einführung des Internet-Protokolls IPv6 hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar einen sorgfältigen Umgang mit dem neuen Standard gefordert. „Die nach dem neuen Internetprotokoll IPv6 vergebenen Internetadressen haben das Potenzial, zu Autokennzeichen für jeden Internetnutzer zu werden und zwar unabhängig davon, wie viele Geräte der Einzelne im Internet verwendet“, erklärte Schaar am Dienstag in Berlin.
Um die technisch mögliche eindeutige Identifizierung jedes Internet-Teilnehmers zu verhindern und weiterhin eine anonyme Nutzung zu ermöglichen, können sogenannte Privacy Extensions in IPv6 genutzt werden. Dabei wird ein Teil der neuen IP-Adresse gewissermaßen ausgewürfelt.
Schaar erinnerte an die Empfehlungen des Deutschen IPv6-Rats, wonach es auch künftig keine persönliche Identifizierung aufgrund der IP-Adresse geben soll. „Die Datenschutzbehörden in aller Welt werden darauf achten, dass die entsprechenden Anforderungen in der Praxis beachtet werden“, kündigte Schaar an. Der IPv6-Rat ist ein Forum der Internet-Wirtschaft mit Vertretern aus Wissenschaft und Verwaltung. Der Vorsitzende der IPv6-Rates, Prof. Christoph Meinel, sagte, die Hersteller von Internet-Geräten seien aufgerufen, Produkte mit solchen datenschutzfreundlichen Vorkehrungen anzubieten.
Der Datenschutz sei dann auch bei der Entwicklung neuer Dienste auf der Basis von IPv6 zu beachten, sagte der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts der Universität Potsdam. Die Umstellung von IPv4 auf IPv6 sei wie die Umstellung eines Stromnetzes mit einer Spannung von 120 auf 220 Volt. Der Strom selbst sei weder gut noch schlecht. „Die Unfälle, die Gefahren, die kommen mit den Gerätschaften, die mit diesem Strom betrieben werden“, sagte der Informatiker.
Zum internationaler „IPv6-Launch-Tag“ wollen am Mittwoch nach Angaben des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco) mehr als 1.400 Unternehmen ihre Web-Angebote so auf den neuen Adressen-Standard IPv6 umstellen, dass diese mit dem neuen wie auch weiter dem alten Standard IPv4 erreichbar sind. Die Netzleitungen zu den Endkunden sind bisher erst zu einem kleinen Bruchteil auf IPv6 umgestellt. Daher beträgt der Anteil des mit IPv6 abgewickelten Datenverkehrs bislang nur knapp ein Prozent. Die Deutsche Telekom will nach jetziger Planung zum Jahresende ihren ersten Endkunden IPv6 bereitstellen.
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