Datenschützer verurteilen Handy-Ortung: Ich weiß, was du heute getan hast!
Mit dem Handy-Dienst "Latitude" kann man seit dieser Woche Familie und Freunden mitteilen, wo man sich aufhält. Datenschützer von Privacy International halten das für gefährlich.
Google weiß künftig, wo seine Nutzer sind: Mit dem neuen, kostenlosen Handy-Dienst "Latitude" ("Breitengrad") bietet der Suchmaschinenriese seit dieser Woche für Nokia-, Windows Mobile-, Blackberry- und Android-Mobiltelefone einen Service an, über den man der Welt mitteilen kann, wo man sich gerade befindet.
Technisch nutzt Google dabei alles zur Positionsbestimmung, was auf modernen Handys möglich ist: Einen genauen GPS-Chip zur Satellitennavigation, falls vorhanden, aber auch die ID-Nummer der aktuell angepeilten Basisstation oder eine Datenbank der in der Nähe befindlichen WLAN-Antennen. So ergibt sich ein je nach eingesetztem System sehr genaues Bild bis hinunter auf den Straßenzug, bei guter GPS-Abdeckung bis zur Hausnummer.
Diese Informationen werden anschließend mit Gruppen geteilt, die man vorher auswählt - Familie und Freunde, beispielsweise. Diese können sich die Position wiederum im Internet über einen Unterpunkt im Portal "iGoogle" ansehen, hübsch mit Icon auf einer Kartendarstellung. Die Idee dabei: Sind Freunde in der Nähe, könnte man sie ja treffen. Oder man bekommt so mit, dass die Eltern sicher vom Flughafen ins heimische Haus zurückgekehrt sind, wie Google in einer Latitude-Demonstration zeigte.
Google betont, Nutzer könnten genau festlegen, welche Informationen mit wem geteilt würden, so sei auch eine Einschränkung der Genauigkeit möglich. Auch speichere man jeweils nur den letzten Ort einer Person. "Natürlich hat Google lange und ernsthaft darüber nachgedacht, wie gewährleistet werden kann, dass die Nutzer die vollkommene Kontrolle darüber besitzen, wie und wann sie gefunden werden möchten", heißt es dazu treuherzig in der Pressemitteilung zur Vorstellung von Latitude.
Zwar ist das Google-Angebot keineswegs der erste Dienst seiner Art, dürfte sich aufgrund der Marktmacht des Konzerns aber wohl schneller durchsetzen als andere. So könnte Latitude etwa demnächst als Standard in mit dem Google-Betriebssystem Android ausgestatteten Handys stecken; eine Version für Apples iPhone ist ebenfalls angedacht. Kritiker sehen vor allem eine Konzentration so vieler Daten in einer Hand als problematisch an: Google wisse über die Suchanfragen, die der Anbieter monatelang vorhält, sowieso schon zu viel über seine Nutzer. "Das letzte, was ich da brauche, ist die Möglichkeit für die Firma, jede Sekunde zu wissen, wo ich bin", schreibt etwa der "PC World"-Journalist JR Raphael in einer flammenden Kritik. Zwar bemühe sich Google in Gesprächen redlich um den Privatsphärenschutz. "Wir wissen aber, dass die Daten vorhanden sind."
Auch scheint die technische Umsetzung noch nicht besonders clever gelöst zu sein. Beim Datenschutzverband Privacy International findet man es besonders problematisch, dass etwa ein Arbeitgeber Latitude problemlos auf dem Handy seiner Mitarbeiter installieren könnte, ohne dass diese das merken. Google räumte gegenüber der britischen "BBC" ein, dass derzeit nur die Version für das E-Mail-Handy Blackberry eine Notizfunktion enthalte, die die Nutzer regelmäßig auf die Übertragung der Standortdaten aufmerksam mache. "Wir wollen dies aber sehr bald auf die anderen Varianten der Software erweitern", sagte ein Sprecher.
Unklar ist noch, ob der Dienst tatsächlich von den Nutzern angenommen wird. Es wirkt schon etwas merkwürdig, sich auf einer Google Maps-Karte anzusehen, wo der Freundeskreis oder die Familie gerade unterwegs ist. Da Jugendliche, die mit sozialen Netzwerken aufgewachsen sind, in denen Privatsphäre sowieso weniger gilt, zur Zielgruppe des Angebotes gehören, hat sie aber definitiv Hitpotenzial.
Vielleicht sorgt der Wirbel um Google Latitude, das zum Glück ein freiwilliger Service ist und bleiben soll, ja aber auch dafür, dass eine andere problematische Tatsache mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerät: Seit in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung in Kraft ist, müssen alle Mobilfunkanbieter die Standortinformationen der Handys ihrer Nutzer sechs Monate lang aufbewahren. Dabei handelt es sich um die Funkzelle, mit der ein Mobiltelefon verbunden ist; die ist zwar nicht so genau wie eine GPS-Angabe, in Innenstädten aber durchaus auf einige 100 Meter abbildbar.
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