Datenschützer über "Street View"-Rohdaten: "Löschung will Google nicht zusagen"
Google Street View soll demnächst in Deutschland starten. Hamburgs Datenschutzbeauftragter stellte dem Konzern ein Ultimatum für den Schutz der Privatsphäre. Und erzählt, was Google antwortete.
taz.de: Herr Caspar, Sie haben in der letzten Woche ein Ultimatum an Google gestellt, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bedingungen bei Street View bis zum Mittwoch schriftlich zu garantieren. Hat Google reagiert?
Johannes Caspar: Google hat sich im Rahmen der Frist gemeldet und in einem mehrseitigen Schreiben Zusagen schriftlich bestätigt, die im wesentlichen in Datenschutzkreisen bereits mündlich zugestanden worden waren. Insofern ist das zu begrüßen, dass wir uns auf dieser Ebene nun annähern und Garantiezusagen in der Hand halten. Das ganze Verhandlungspaket ist aber noch nicht geschnürt. Wir sind bei einer Sache noch nicht mit Google auf einer Linie. Das betrifft die so genannten Rohdaten, die im Zuge der Kamerafahrten gewonnen werden - etwa von Passanten, von KFZ-Kennzeichen und von Häusern, deren Besitzer sich eigentlich nicht erfassen lassen wollten. Die werden erst später verpixelt, sprich: unkenntlich gemacht und datenschutzmäßig behandelt. Da bestehen wir auf einer Löschung. Das will uns Google nach wie vor nicht zusagen.
Die Verhandlungen laufen bereits einige Zeit. Wie hat sich Google bislang verhalten?
Google war durch den hier in Hamburg ansässigen Datenschutzbeauftragten der Firma bereit, in Verhandlungen zu treten. Die erfolgten und erfolgen mit den Landesdatenschutzbeauftragten. Gleichzeitig sind aber auch Fakten geschaffen worden. Hintergrund des heute abgelaufenen Ultimatums war ein Gespräch mit dem Datenschutzbeauftragten der Firma Google, bei dem ich überraschend feststellen musste, dass die in deutschen Gemeinden und Städten angefertigten Rohdaten bereits außerhalb des Landes gebracht wurden und damit nicht mehr in unserem Verfügungsbereich liegen.
Das sind Daten, in denen Menschen und KFZ-Kennzeichen, aber auch Häuser, bei denen die Menschen Widerspruch gegen die Erfassung eingelegt haben, unverpixelt blieben. Hier stehen wir als Datenschutzbeauftragte quasi mit leeren Händen da.
Was wollen Sie dagegen tun?
Wir sind in Gesprächen. Die Begründung für die Nichtlöschung der Rohdaten durch Google ist etwas merkwürdig: Google begründet dies damit, dass man die Technologie zur Unkenntlichmachung verbessern müsste. Demnach ist eine solche Optimierung nur durch das immer wieder erfolgende Aufspielen von Rohdaten möglich. Aus unserer Sicht ist das bislang nicht zu verifizieren. Wir sind der Meinung, dass das nicht notwendig ist. Wir glauben, dass Google Street View auch ohne Erhaltung der Rohdaten laufen kann.
In dieser Frage, die entscheidend sein wird für unser weiteres Vorgehen, werden wir uns in den nächsten Wochen nochmals mit Google an einen Tisch setzen - insbesondere unter Hinzuziehung von Informatikern, um die Aussage zu überprüfen. Sollten diese nicht stimmen, muss sich Google fragen lassen, was die Firma tatsächlich mit den Rohdaten vor hat.
Welche Handhabe haben Sie überhaupt gegen einen Dienst wie Street View?
Das ist eine Frage, die wir derzeit prüfen. Wir werden uns aber jetzt noch nicht auf einer öffentlichen Ebene darüber einlassen, was dann passiert, wenn Google nicht löscht.
Wie sieht das Instrumentarium aus, das Sie zur Verfügung haben? Bußgelder, aber auch ein Verbot eines solchen Dienstes?
Das ist nicht ganz so einfach. In jüngerer Zeit gab es immer wieder Versprechungen seitens der Politik, das Datenschutzrecht zu verschärfen - auch hinsichtlich der Durchsetzbarkeit. Zeitnah erfüllt wurden sie noch nicht.
Ich will es einmal so sagen: Das Datenschutzrecht ist nicht das schärfste Schwert, das man führen kann. Insofern sind hier Möglichkeiten genau zu überlegen. Der rechtliche Rahmen muss geprüft werden.
Heißt das, dass das Datenschutzrecht an solche Dienste wie Google Street View schlicht nicht angepasst ist?
Bei den möglichen Maßnahmen der Datenschutzbehörden, die auch präventativen Charakter haben, fehlt es an einigen Stellen deutlich, das muss man sagen. Und das betrifft auch die Verhängung von möglichen Bußgeldern. Damit will ich nicht sagen, dass wir mit dem Vorhandenen nicht hinkommen: Wir werden uns bemühen, wenn es soweit kommt. Ein Selbstgänger ist das aber nicht.
Die Frage der Behandlung solcher Geodatenerhebungen ist ein grundsätzliches Problem. Wir haben ein Datenschutzrecht, das in den Grundzügen noch aus den Siebzigerjahren stammt. Für diese Fälle fehlt es einfach an Regelungen. Da muss nachgelegt werden.
Wenn sich jemand auf einem Street View-Bild wiederfindet, ist dann gewährleistet, dass Google dies auf Anfrage löscht, sollte sie oder er erkennbar sein?
Das sollte man meinen. Ich gehe davon aus, dass das Produktmanagement der Firma hier einheitliche Standards anlegt. In den anderen Ländern funktioniert das offenbar bereits. Das wollen wir uns aber auch schriftlich bestätigen lassen.
In England und den anderen Street View-Ländern zuvor gab es allerlei unschöne Bilder - vom sich entleerenden Kneipenbesucher bis zu Kunden vor Sexshops. Erwarten Sie, dass das in Deutschland auch passiert?
Das kann hier natürlich auch passieren. Die Vielfalt des Lebens auf der Straße lässt sich nicht vorbestimmen, mit unschönen Aufnahmen ist zu rechnen. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dass die Verpixelung von Gesichtern erfolgt. Die funktioniert übrigens auch nicht immer so weitgehend, wie wir uns das wünschen. So lassen sich Gesichtsumrisse, Haare, die Barttracht, kleinere Aspekte der Physiognomie noch erkennen. Hier muss Google nachlegen.
Ihr Kollege aus Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sagt, dass bestimmte Bereiche grundsätzlich gar nicht fotografiert werden sollten - beispielsweise Frauenhäuser.
Bestimmte gefährdete Objekte sollten von Anfang an nicht in den Fokus der Google-Kameras geraten, seien es nun die von Ihnen genannten Frauenhäuser oder andere gefährdete Gebäude von der Synagoge bis zum Atomkraftwerk.
Allerdings scheint sich das nur schwer umsetzen zu lassen, indem man dem Fahrer des Google-Autos beispielsweise mitteilt, er solle in bestimmten Gegenden die Kamera abschalten. Das ist nicht realistisch. Umso wichtiger ist es, das später Widerspruch eingelegt werden kann.
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