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Datendieb und NationalheldDer ehrenwerte Herr Hervé Falciani

Einst war er so beliebt, dass ihn der Ruderklub Société Nautique de Monaco zum Kassier machte. Für die Schweizer Justiz ist Falciani ein Datendieb, für Frankreich ein Nationalheld.

Für die französische Regierung ist Falciani heute ein Nationalheld. Bild: dpa

Im Fürstentum Monaco, wo er 1972 auf die Welt kam, erinnern sich ehemalige Kollegen bei der HSBC an den stets adretten Hervé Falciani. Heute wollen sie diesen bei der Bank zur Unperson geworden Bürokollegen nicht mehr kennen. Dabei war der junge Computer- und Finanzsachverständige im Fürstentum so beliebt, dass ihn der renommierte Ruderklub Société Nautique de Monaco zu ihrem Kassier machte. Ein idealer Ausgangspunkt für eine steile Karriere im Anlageplatz von Monte-Carlo. Doch 2006 wurde Falciani von seinem Arbeitgeber als IT-Spezialist für Datenbanken in die Genfer Filiale geholt. Bei der Übersiedlung aus einem Steuerparadies ins andere fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, als er seiner Schilderung zufolge entdeckte, dass ganze Strukturen dem Steuerbetrug dienten.

Für die französische Regierung ist der 38-jährige französisch-italienische Doppelbürger aus Monaco heute ein Nationalheld. Dank seiner Mithilfe soll die Staatskasse hunderte Millionen von reuigen französischen Steuersündern einnehmen. Da verwundert nicht, dass die Behörden ein Auge zudrücken wegen der nicht ganz lupenreinen Herkunft der Daten von 130.000 Bankkunden aus aller Welt.

Für die Schweizer Justiz ist Falciani seit Ende 2008 ein Datendieb auf der Flucht. Laut ihren Ermittlungen hat er zuvor mehrfach versucht, Kundenprofile zu erstellen und diese im Ausland zu verkaufen. Allein zu diesem Zweck habe er mit einer Komplizin als Deckadresse eine Firma mit Sitz in Hongkong gegründet. Als diese Versuche scheiterten, habe er bei Geheimdiensten Abnehmer gesucht, und erst zuletzt habe er sich, quasi als Rückversicherung, mit seinen explosiven Informationen an die Pariser Steuerbehörden gewandt.

Seine heute im Libanon lebende Exfreundin und -komplizin sagt, er habe sie instrumentalisiert und nur finanzielle Absichten verfolgt. Für den Industriespionage-Experten Philippe Madelin ist Falciani der "Archetyp des maximalen internen Sicherheitsrisikos".

Man munkelt, dass die Deutschland angebotenen Daten ebenfalls aus Hervés Giftschrank stammen. Sicher ist: Der Datenknacker Falciani hat die Schweizer Banken und die Steuerflüchtlinge aus aller Welt das Fürchten gelehrt.

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3 Kommentare

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  • JS
    Jack Salinger

    Also liebe Anna, wenn da mal nicht Scientology, NSA, FBI, BND oder vielleicht ein Datenklauer dahintersteckt, der irgendwann Geld damit verdienen will. Das letztere wäre nicht schlecht, dann würde die Zahl der Selbstanzeigen von Ex-Politikern tierisch steigen. Aber wir sind ja nicht im Variete, da haste recht.

  • AL
    Anna Luehse

    @Jack Salinger, "Superstoff für nen Krimi." -

    Warum in die Ferne schweifen?

     

    "Auf Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion teilte die Bundesregierung jetzt mit, dass in den letzten zehn Jahren insgesamt 332 als »Verschlusssache« (VS) deklarierte Geheimakten spurlos verschwunden sind. Es ist dem Bundesinnenministerium, als nationale Sicherheitsbehörde, nicht einmal bekannt, welche Inhalte die Geheimakten hatten. Nur so viel, dass es sich um Vorgänge aus den Bereichen der

    »Organisierten Kriminalität«,

    »Proliferation« (Rüstung),

    »Forschungsaktivitäten ausländischer Staaten«

    und »Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs« handele. ..."

     

    http://info.kopp-verlag.de/news/skandal-bundesregierung-vernichtet-tausende-von-geheimakten-und-gibt-andere-akten-trotz-ablauf.html

     

    Fehler im Text: Geheimakten über Organisierte Kriminalität "verschwinden" nicht, sie werden GESTOHLEN. Wir sind doch nicht im Varieté. Oder wie?

  • JS
    Jack Salinger

    Das wäre doch ein Superstoff für nen Krimi.