Das war: Gefährlicher Pfleger
Das am Dienstag eröffnete Verfahren gegen einen 39-jährigen Pflegehelfer vor dem Landgericht Bremen endete bereits nach einer knappen Stunde. Denn die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen vor – aber die Polizei ermittelt gegen ihn noch in drei weiteren Fällen. Die Ermittlungsakten solle die Staatsanwaltschaft jetzt allen Beteiligten zur Verfügung stellen, begründete der Vorsitzende Richter das vorzeitige Ende der Hauptverhandlung.
Der Mann soll zwei Bewohnerinnen eines Bremer Pflegezentrums ohne medizinische Indikation Insulin gespritzt haben. Eine 75-jährige Frau sei dadurch in Lebensgefahr geraten. Sie war durch zwei Schlaganfälle bereits geschwächt und durch das Insulin sank ihr Blutzuckerwert so stark, dass sie zwei Tage auf der Intensivstation eines Krankenhauses behandelt werden musste. Die Falschvergabe von Insulin kann im schlimmsten Fall zu Hirnschäden oder dem Tod führen.
Der Pflegehelfer hat bereits gestanden, dass er das Insulin absichtlich falsch verabreicht hatte. Es wird vermutet, dass er sich durch gezielt herbeigeführte Notfälle als Retter inszenieren wollte – ähnlich wie der Krankenpfleger Niels Högel, der im Juni vom Oldenburger Landgericht wegen 85-fachen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war.
Ursprünglich hatte die Bremer Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zunächst ebenfalls versuchten Mord an der 75-Jährigen vorgeworfen. Das Landgericht hat diesen Anklagepunkt aber nicht zur Verhandlung zugelassen, weil der Pfleger nach der Tat selbst die Rettungskräfte gerufen und einen Zuckertest durchgeführt hatte.
Der Mann hatte zuletzt in einem diakonischen Pflegezentrum gearbeitet. Zuvor war er als Mitarbeiter einer Zeitarbeitsfirma in bis zu 35 Einrichtungen tätig. Das ist nicht ungewöhnlich: Immer mehr Pflegende arbeiten für Leiharbeitsfirmen, weil sie dort Vorteile genießen, die sie aufgrund des dramatischen Fachkräftemangels in den meisten Pflegeeinrichtungen nicht haben. Sie werden mindestens gleichwertig bezahlt, sie haben die Wahl, Überstunden abzufeiern oder ausgezahlt zu bekommen und flexiblere Möglichkeiten, Urlaub zu nehmen.
Die Kehrseite ist: Sie können schlechter kontrolliert werden, weil sie nur sehr kurz in einer Einrichtung arbeiten und sie bauen keine engeren Beziehungen zu ihren KlientInnen auf – Faktoren, die Machtmissbrauch zumindest begünstigen können. Der Prozess wird voraussichtlich Mitte November fortgesetzt. Laut seinem Anwalt will sich der Angeklagte dann auch selbst äußern. Simone Schnase
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