Das war die Woche in Berlin I: Kulturkampf der Zwerge
Ein Verein verweigert türkeistämmigen Bewerbern Gärten mit Verweis auf Probleme mit „Migranten“ – und zeigt damit, dass er selbst in Integrationsproblem hat.
Das Klischee ist hinreichend bekannt: Kleingärten mit ihren Gartenzwergen, Vorschriften und Vereinsmeierei sind ein Hort „urdeutscher“ Spießigkeit. In dieser Woche ist das Bild um eine hässliche Nuance reicher geworden: Rassismus. In der Tempelhofer Kolonie „Frieden“, wie sie passenderweise heißt, existiert offenbar eine „Migrantenquote“. Zwei Bewerber um freie Parzellen berichten, sie seien vom Verein abgelehnt worden, weil sie „nichtdeutscher Herkunft“ seien und man schon zu viele nichtdeutsche Gärtner habe.
Derart frank und frei geäußerten Rassismus trifft man inzwischen wieder häufiger. Zwar ist man beim Bezirksverband nach dem öffentlichen Aufschrei ein bisschen zurückgerudert, will von einer Quote nichts wissen. Andererseits rechtfertigt man das Verhalten des Vereins: Nichtdeutsche Mitglieder hätten am Sonntag Rasen gemäht und sich über Bikinis ihrer Nachbarn beschwert.
Noch unverblümter spricht der Chef der Kleingartenkolonie am Freitag im Kurier über die schrecklichen Vergehen der vorhandenen türkeistämmigen Vereinsmitglieder: „Sie nehmen nicht an Veranstaltungen teil, schicken ihre Kinder nicht zu den Festen.“ Sein Fazit: Türken sind „nicht integrierbar“.
An dieser Argumentation erkennt man nun leicht die rassistische Denkstruktur solcher Gartenzwerge. Denn natürlich gibt es in Kleingärten andauernd Konflikte: Nur werden die, wenn sie zwischen „Deutschen“ ablaufen, individuell behandelt – und nicht gleich zum Kampf der Kulturen hochgejazzt.
So gibt es inzwischen auch viele Herkunftsdeutsche, beschreiben wir sie klischeehalber als grün wählende Ökomittelschichtsfamilien, die einen Kleingarten haben – und, was man so hört, teils massive Probleme mit langweiligen Vereinsfesten, lästigen Arbeitseinsätzen und Abmahnungen wegen zu viel Unkraut oder zu langem Rasen. Aber hat man schon davon gehört, dass Kleingärtner eine „Quote für Ökolinke“ oder Ähnliches fordern? Eben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch