piwik no script img

„Das wäre das Ende des Beamtentums“

■ Hessens Innenminister Gerhard Bökel warnt davor, aus Angestellten Beamte zu machen. „Offenbacher Modell“ der Massenverbeamtung verstößt gegen das Prinzip der Solidargemeinschaft

Berlin (taz) – Offenbach hat einen neuen Dreh der Haushaltssanierung gefunden: Aus 400 städtischen Angestellten sollen Beamte werden. Die Kommune könnte so zehn Millionen Mark pro Jahr sparen, weil für Beamte keine Rentenversicherungsbeiträge anfallen. Fünf Millionen Mark des Gesparten sollen jährlich in Pensionsfonds fließen. „Wir kündigen den Solidarpakt auf“, begründet Oberbürgermeister Grandke, „weil der Bund seine Lasten auf uns abwälzt.“

taz: Der Offenbacher OB Grandke will im großen Stil Angestellte verbeamten, weil er „damit viel Geld sparen kann“.

Gerhard Bökel: Das ist zwar eine kreative Idee. Ich habe aber Zweifel, ob sich das auf Dauer rechnet. Er müßte dann ja nicht nur die Pensionen seiner künftigen Beamten allein bezahlen. Die Kommune muß dann auch die Behandlungskosten übernehmen, wenn der Beamte krank ist. Auch für die Altersversorgung der Angehörigen muß die Stadt aufkommen. Und es gehen ja nicht alle erst so spät in Pension, wie Herr Grandke sich das ausgerechnet hat. Ich denke also, das ist nicht schlüssig durchgerechnet.

Im Gegensatz zum Land Hessen legt der OB einen Pensionsfonds an. Er könne damit ab 2018 die Pensionen aller seiner Beamten bezahlen, sagt er.

Die Kommunen haben jetzt schon solche Fonds. Abgesehen davon muß man doch den gesellschaftspolitischen Aspekt betrachten: Wenn Angestellte sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden, indem sie als Beamte keine Renten- und Arbeitslosenbeiträge und viel weniger Krankenkassenbeiträge entrichten, dann ist das nicht der richtige Weg.

Was passiert denn, wenn die hessischen Kommunen all ihre Angestellten verbeamten?

Das wäre das Ende des klassischen Beamtentums.

Warum? Dann gäbe es doch viel mehr Beamte.

Weil wir den Beamtenstatus dann abschaffen müßten. Er wäre nicht zu verkraften. Die Hypothek für künftige Generationen wäre unkalkulierbar. Versicherungsmathematik ist ein zu schwieriges Geschäft. Der sauberste Weg ist, in eine Solidarkasse einzuzahlen.

Wie wollen Sie die Massenverbeamtung konkret verhindern?

In einem Schwung würde das eh nicht gemacht.

Dann will Grandke den Ameisenweg beschreiten: Zug um Zug die Angestellten in den Beamtenstatus heben.

Es wird eine Einzelfallprüfung geben. Der entscheidende Punkt ist dabei, ob die Voraussetzungen für den Beamtenstatus vorhanden sind. Das werden wir sehr kritisch prüfen. Interview: Christian Füller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen