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Das neue Museum of Modern Art in NYCWenn nur die anderen nicht wären

Das MoMA in Manhattan hat seine Fläche auf 66.000 Quadratmeter ausgedehnt. Alles soll neu und diverser sein. Vieles bleibt aber beim alten.

Apropos Wiedergänger: Der Schriftzug „Hello Again“ von Haim Steinbach im neu eröffneten MoMA Foto: picture alliance/dpa

In den fünften Stock müsse man, so stand es in fast jeder Kritik, um die neue, dialektische Kraft des umgebauten Museum of Modern Art zu erleben. Genauer gesagt in die Galerie Nummer 503, wo Pablo Picassos kubistisches Schlüsselwerk „Les Demoiselles d’Avignon“ nun neben einem Ölgemälde der afroamerikanischen Künstlerin und Bürgerrechtsaktivistin Faith Ringgold hängt. „Die unverfrorenste Gegenüberstellung“ des neuen MoMA, bemerkte der Kunsthistoriker Jack McGrath im Magazin Frieze.

Im Raum 503 drängen sich an diesem verregneten Dienstagvormittag aber so viele Besucher, dass die zwei besagten Bilder eher in der Wand verschwinden, als in all ihrer Impertinenz miteinander zu korrespondieren. So ist das ja oft in Museen: Wenn nur die anderen nicht wären!

Über fünf Jahre lang wurde das MoMA von den Architektenbüros Diller Scofidio + Renfro sowie Gensler für insgesamt 450 Millionen US-Dollar umgestaltet und in dieser Zeit um 3.700 Quadratmeter vergrößert, was 30 Prozent mehr Ausstellungsfläche bedeutet. Hinzugekommen ist ein neuer Flügel, gesponsert vom Hollywoodmogul David Geffen.

Der Haupteingang ist luftiger und der immer noch wenig inspirierende Merchandise-Shop wurde ins Untergeschoss verlegt. Neu ist außerdem, dass die Bilder regelmäßiger getauscht werden und die Galerien nicht mehr streng nach Epochen und Stilen geordnet sind, sondern nach Motiven, Techniken, Stimmungen oder Orten.

Das Museum will flexibler und antikanonisch sein

Das Museum, das zuletzt vier Monate komplett geschlossen war, sei pluralistischer, flexibler, hybrider und antikanonistischer, gab der seit 24 Jahren amtierende Direktor Glenn Lowry zur Wiedereröffnung bekannt. Man könnte auch sagen: Das Museum of Modern Art will ein bisschen postmodern sein.

Ein Gemälde von Pablo Picasso hängt nun neben einem Werk von Faith Ringgold. Allein: Was wollen die Kuratoren uns damit sagen?

Zurück also in Galerie 503, wo sich die neue Philosophie konzentrieren soll. Picassos Ölgemälde „Les Demoiselles d’Avignon“ von 1907, das „kein geringeres Ziel als die vollständige Neuerfindung der westlichen Malerei“ hatte, wie eine Tafel wissen lässt, zeigt fünf nackte weibliche Figuren, von denen zwei afrikanische Masken tragen. Es sind Prostituierte in einem Bordell in Barcelona, die so schauen, als würden sie beschaut.

Rechts daneben hängt jetzt das Gemälde „American People Series #20: Die“, das die heute 89-jährige New Yorkerin Ringgold 1967 malte, also zwei Jahre nach den Märschen von Selma und ein Jahr vor dem Mord an Martin Luther King. Man sieht weiße und Schwarze Menschen in schicken Klamotten, die sich blutend über den grauen Bürgersteig jagen.

Ein Mann hält ein Messer in der Hand, ein anderer eine Pistole. Zwei Kinder kauern in der unteren Mitte mit aufgerissenen Augen. Es ist eine Szene des Chaos, in dem alle Beteiligten gleichermaßen zu Fall kommen scheinen. Aber vor allem ist es ein Dokument des Rassismus, der bis heute so tief zu den Vereinigten Staaten gehört wie seine Leugnung.

Westliche Männer unter Genieschutz

Was wollen die Kuratoren uns mit der Gegenüberstellung von Picasso und Ringgold sagen? Dass man 1967 nicht ohne 1907 und 1907 nicht ohne 2019 versteht und umgekehrt? Vielleicht soll die auf Ringgolds Bild porträtierte Gewalt auch Verweis auf die Gewalt sein, die zu Lebzeiten von Picasso ausging, der Frauen oft demütigte und für seine Kunst andere Kulturkreise plünderte.

taz am wochenende

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Westliche Männer, die unter Genieschutz wüten dürfen und Schwarze Menschen, die für Gleichberechtigung kämpfen müssen – das ist bekanntlich alles andere als Vergangenheit.

„Wir leben im Zeitalter des Pluralismus“, verkündete Lowry zur Wiedereröffnung und bekam direkt zu spüren, was dieser Pluralismus so mit sich bringen kann. Als der Direktor Mitte Oktober zur exklusiven VIP-Party lud, standen da plötzlich ein Dutzend Aktivisten mit Plakaten im Foyer, unterstützt von weiteren 150 Demonstranten vor dem Gebäude. Im Fokus des Protests: Larry Fink, der nicht nur zum Aufsichtsrat des Museums gehört, sondern auch Gründer und Chef von BlackRock ist, dem global führenden Vermögensverwalter.

BlackRock, etwas grob zusammengefasst, sorgt durch gigantische Investitionen dafür, dass die größten Unternehmen dieser Welt – zum Beispiel Apple, Shell oder Siemens – immer größer werden, damit BlackRock im Gegenzug immer mächtiger wird.

Das Sponsorengeld stammt auch aus Gefängnisfirmen

Zum Portfolio gehören auch die zwei Gefängnisfirmen CoreCivic und GEO Group, deren Geschäftsmodell dafür sorgt, dass in den USA immer mehr Menschen im Knast sitzen. Diese Unternehmen – und damit auch das MoMA – seien „Teil eines rassistischen Gefängnissystems“, hieß es in einem offenen Brief, den zahlreiche Graswurzel-Organisationen wie die New Sanctuary Coalition oder Decolonize This Place vorher in Umlauf gebracht hatten.

Drei Tage später, am Eröffnungstag, standen dann wieder ungebetene Gäste am Eingang, wobei sich der Protest dieses Mal gegen einen anderen MoMA-Funktionär richtete: Steven Tananbaum, dessen Firma GoldenTree Asset Management, so der Vorwurf der Aktivisten, Profit damit mache, das durch den Hurricane Maria zerstörte Puerto Rico immer tiefer in die Schulden zu treiben.

„Stiftungsrat Steven Tananbaum hat auf dem Rücken des puertoricanischen Volkes Milliarden verdient. Die Ungerechtigkeiten müssen aufhören!“, twitterte die Lokalpolitikerin Melissa Mark-Viverito, kurz bevor sie festgenommen wurde.

Aktionen dieser Art trafen in den letzten Jahren nahezu jede große New Yorker Kunstinstitution, vom Metropolitan Museum über das Guggenheim bis zum Whitney; das letztgenannte Museum sogar so vehement, dass Vorstandsmitglied Warren Kanders seinen Rücktritt erklärte. Das MoMA hat bislang keine Konsequenzen gezogen, Fink und Tananbaum sitzen immer noch im wichtigsten Gremium. Die Demonstrationen, denen sich in den vergangenen Wochen etliche Kunstschaffende und Intellektuelle angeschlossen haben, werden also weitergehen.

„Das Museum wird sich unentwegt selbst hinterfragen“, sagte Direktor Lowry neulich. Was das oberflächliche Arrangieren der Kunst angeht, mag das stimmen. Was die Geschäfte und Verbindungen seines Museums betrifft, kaum.

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