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Archiv-Artikel

„Das ist unsere Brücke für die SPD“

Laufzeitverlängerungen bei AKWs könnten nötig sein, um für die Marktentwicklung erneuerbarer Energien Spielraum zu haben, meint CDU-Staatssekretär Peter Paziorek

taz: Herr Paziorek, Sie gelten als einer der profiliertesten Energiepolitiker der CDU. Sind Sie über den CSU-Vorstoß in Sachen Atompolitik verärgert?

Peter Paziorek: Warum sollte ich? Verlängerung der Restlaufzeiten, um Spielraum für die Marktentwicklung erneuerbarer Energien zu erhalten – die CSU hat nur eine Grundposition christdemokratischer Energiepolitik wiederholt.

Und mit einem Termin versehen: Nächste Woche soll sich der Koalitionsausschuss mit den Atom-Laufzeiten befassen. Das finden Sie gut?

Wichtige Fragen unserer Wirtschaftspolitik sind wichtige Fragen der Energiepolitik. Kanzlerin Angela Merkel hat deshalb vorgeschlagen, diese auf einem Energiegipfel – vermutlich im März – zu behandeln. Das gilt nach wie vor und das halte ich auch für richtig. Wenn jetzt angesichts eines Gasstreits in Osteuropa vorgeschlagen wird, in Vorbereitung dieses Gipfels aktuelle Strategien zu prüfen, kann das nicht falsch sein.

Und da macht die CSU jetzt schon mal ihr Minimalziel klar: die Kündigung des rot-grünen Atomkonsenses.

Nein. Wir brauchen eine Gesamtschau der Energiepolitik und des Energiemixes. Allen ist völlig klar, dass Deutschland in Zukunft verstärkt auf nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energie setzen muss. Das ist auch eine Frage der langfristigen Versorgungssicherheit. Zweitens müssen wir eventuell die heimische Steinkohle länger einsetzen als bisher gedacht. Auch hier kann der Energiegipfel zu anderen Antworten kommen, als sie eine grüne Regierungsbeteiligung zugelassen hat. Und drittens könnten begrenzte Laufzeitverlängerungen der Kernkraftwerke zur Finanzierung der Langfrist-Strategien erheblich beitragen. Das ist auch unsere Brücke für die SPD.

Als Staatsekretär sind Sie auch für den Bereich „Nachwachsende Rohstoffe“ zuständig. Was planen Sie?

Wir werden verstärkt auf die Biomasse setzen – und zwar nicht nur im Strombereich, sondern auch im Wärmebereich. Da gibt es enormen Nachholbedarf in Deutschland. Ich will das aufholen – und zwar in Verbindung mit der Entwicklung der ländlichen Räume.

Schweden ist Europas Vorreiter: Ein Viertel des Energieverbrauches wird durch Biomasse gedeckt. Welches Ziel wollen Sie erreichen?

Ich will mich noch nicht auf konkrete Zahlen festlegen. In Deutschland haben die fossilen Energieträger traditionell eine andere Rolle als in Schweden gespielt. Ich sage nicht: Schwedische Verhältnisse bei der Biomasse wären nicht wünschenswert. Ich sage aber: Eben weil unsere Struktur traditionell so anders ist, werden wir realistisch mit kleineren Anteilen rechnen müssen. Klar ist für mich, dass wir verstärkt in die Biomasse-Forschung einsteigen.

Wirtschaftsminister Glos hat jetzt wegen des Atomkonsenses den Koalitionsvertrag in Frage gestellt. Wie ernst ist das?

Ich habe den Wirtschaftsminister anders verstanden.Wir haben einen Koalitionsvertrag mit einem entsprechenden Passus. Der Ausgang einer jeden energiepolitischen Debatte muss so sein, dass er dem Geist des Koalitionsvertrages entspricht.

Der Umweltflügel der SPD hat zurückgeblafft: „Die Union hat nicht erkannt, wann eine Schlacht verloren ist.“ Wie stark sind solche Stimmen?

Das interessiert mich nicht, denn darum geht es nicht: Man kann nicht einerseits beklagen, von Energieexporten über Gebühr abhängig zu sein, und andererseits keine Strategie zur Reduktion der Abhängigkeit präsentieren. Mal sehen, was die SPD zu bieten hat. Für mich jedenfalls gehören die heimischen Kernkraftwerke genauso wie die heimische Steinkohle dazu.

INTERVIEW: NICK REIMER