■ Das hat die Menschheit nicht verdient: Professor P. Sloterdijk blubbert wieder: Blasen und Blähungen
Da hat die Mehrheit jahrhundertlang geübt und sich bemüht; hat einen Thales und einen Aristoteles ins Rennen geschickt, um wenigstens zwei Schritte weiterzukommen; doch wozu es einen Descartes oder Kant bis hin zu einem Adorno brauchte, die Frage darf jetzt, das Jahrtausendende naht, durchaus erlaubt sein.
Denn die Karlsruher Professorenwurst Peter Sloterdijk läßt für diesen Monat den ersten Band ihrer phylogenetischen Schwersterwägung „Sphären“ ankündigen, einen späterhin Dreiteiler, der, man ist bereits nahezu mit Sprachlosigkeit geschlagen, „nichts Geringeres als den Versuch“ darstellen soll, „die Geschichte der Menschheit zu erzählen“.
Daß der große, ja allergrößte Verlegerpatron S. Unseld nicht mehr alle Lappen am Wischer hat, ist soweit bekannt; daß er aber sein machtvolles Ja- und Erlaubniswort auch noch zu diesem schon via Ankündigungstext maßlos ragenden Jahrtausendblödsinn geben mußte, entzieht sich unserer Verstandeskraft. Zumal Unselds Lieblingsspinner – auf die hauseigenen Geldreinbringer und Renommeebeschaffer Brecht und Adorno ist nun bald allzu klar und deutlich geschissen – wahrlich jede Vernunftgrenze souverän niederwalzt.
„Sphären I“ trägt den Untertitel „Blasen“. Nachdem Sloterdijk über den Umweg der „zynischen Vernunft“ (1983) zwischenzeitlich bei „Eurotaoismus“ (1989), „Hyperpolitik“ (1995) und zuletzt am liebsten den Aufklärungsorganen Bild und B.Z. interviewmäßig gelandet war, ihn auch seine grandios verluderten Auftritte in Gertrud „Abel“ Höhlers Plapperarschsackrunde Baden-Badener Disput scheint's nicht mehr auslasteten – nach aller der „Scheiße“ (Joseph Roth), der „erhabenen Scheiße“ (Joseph Roth), jetzt dann eben „Blasen“. Und mehr.
Zum Beispiel eine Einleitung des Titels „Die Alliierten oder Die gehauchte Kommune“. Hier bereits muß Sigi Unseld zuckersüß entzückt gewesen sein, das werde weggedruckt wie nix und im übrigen „etwa 580 Seiten“ Blasen und Blähungen und reiner Wahn. Sofern wir erahnen, was sich da en détail abspielt, dürfte es sich um ein – andererseits – grandioses Dokument der Kopfkonfusion und zerebralen Verrohung handeln, ein recht besehen singulär-säkulares Ereignis von höchstens Spitzenrang. Kapitel 2 überzeugt durch mutmaßliche Gedanken „zum Auftauchen der interfazialen Intimsphäre“, marschiert vorwärts in Richtung „Menschen im Zauberkreis – Zur Ideengeschichte der Nähe-Faszination“, um einen ersten Gipfel und erkenntnistheoretischen Höhepunkt zu erklimmen unter Punkt 4: „Die Klausur in der Mutter – Zur Grundlegung einer negativen Gynäkologie“ – um aber weder schleunigst abzubrechen noch den ranzig dummen Schinken schnell einzustampfen, sondern das, Gott hilf, „Requiem für ein verlorenes Organ“ anzustimmen, ja anzujaulen, eine Messe, zugedacht dem „verlorenen Urbegleiter“, vulgo Uterus oder Rhinozeros oder Walroß.
Nein, zu begreifen ist hier nichts mehr, nicht, was es mit Sloterdijks „Seelenraumteiler“ (Kapitel 6) oder den „Analphabetenwahrheiten – Notiz über den oralen Fundamentalismus“ (Kapitel 7, Exkurs 8) auf sich hat und wieso überhaupt die geplagte Menschheit sich so was auch noch aufladen muß. Sie verdient es nicht. Sie hat es nicht verdient. Nicht den Gang in Schlabbersacks jeanpaulaffin skizzierte „Vorschule einer Theorie der Intimität“, nicht die vorläufig „Sphären I“ beschließende „mariologische Grille“, nicht diesen einzigartigen Brei aus Geschmarre und Geschleime, die Sphären, „der Ort, den Menschen erzeugen, um zu haben, worin sie vorkommen können als die, die sie sind“ (Sl.), nicht das „Epos der immer schon verlorenen und doch nie spurlos getilgten Zweieinigkeiten“, nicht „Landschaften des prä-objektiven Daseins“. Nein, es muß nicht sein; was der Menschengattung sonst blühte, spricht Sloterdijk unumwunden aus: „Auf der Durchreise durch die ausweichende Unterwelt der Innenwelt entfaltet sich, wie eine klingende Landkarte, das phantomhafte Bild von einem flüssigen und auratischen Universum – ganz aus Resonanzen und Schwebstoffen gesponnen.“
Philosophie sei das Unterfangen, die Zeit in ihre Gedanken zu fassen, lehrte Hegel. Sloterdijks Suhrkampverlag erfrecht sich, seinen geschwätzigsten Dummkopf und baumlangen Narren und Aufschneider mit den Worten zu küren: „So ist ein Werk entstanden, das nicht nur seine Zeit, sondern auch die Zeit der Menschheitsgeschichte in Gedanken faßt und sie uns erzählend vor Augen führt“, auf daß wir schamgebeugt das röhrende Haupt senken.
„Die Sachen werden nur nicht- invasive Invasionen dulden.“ Die Auslieferung der „Sphären“ steht bevor. Jürgen Roth
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