: Das große Umlegen
George P. Pelecanos beendet mit „Eine süße Ewigkeit“ seine Krimi-Trilogie um eine Einwandererfamilie
von LARS BRINKMANN
Die Helden des amerikanischen Krimiautors George P. Pelecanos entstammen der Arbeiterklasse, allen voran der Greekamerican Dimitri Karras und der Afroamerican Marcus Clay. Auf den Vorwurf eines befreundeten Lehrers, er würde „sie alle“ zu Tellerwäschern und Lagerarbeitern machen, erklärte Pelecanos, warum es zum Beispiel in seinem Roman „Nick’s Trip“ keine „Doktoren und Anwälte irgendeiner Farbe“ gebe: „Es ist nicht so, dass ich Schwarze auf die Rolle von Tellerwäschern degradiere, aber mein Buch spielt in der Küche. Ich versuche, eine andere Seite des Lebens zu porträtieren.“
George P. Pelecanos kennt auch die Wirkung einer Namensendung auf „os“. Das lässt er auch die Leser seiner Washington-Krimi-Trilogie rund um eine Einwandererfamilie spüren. Wie Lansdale ist er ein Meister der mehr oder minder leisen Untertöne von Diskriminierung. Nach „Das große Umlegen“ und „King Suckerman“ folgt nun endlich mit „Eine süße Ewigkeit“ Bernd Holzrichters tadellose deutsche Übersetzung des letzten Teils, „The Sweet Forever“ (Original 1998). Die Trilogie beginnt als griechische Down-&-Dirty-Version eines Mafia-Dramas. Inspiriert vom Film Noir wollte Pelecanos „in Form eines Kriminalromans über die Arbeiterklasse Washingtons schreiben“. Das Ergebnis ist eine Geschichte unter Einwanderern, über Freundschaft und Verrat, Trotz und Niederlage, Liebe und Tod – zum Teil die Geschichte von George Pelecanos: sein „big book“, wie es der Autor selbst bezeichnet.
Mit „King Suckermann“ feierte Pelecanos die Siebziger. Schon der Titel ist pure Blaxploitation zwischen „Shaft“ und „Superfly“. Entsprechend beschwingt beginnt das Buch. Es wird Basketball gespielt, ab und zu mal ein Joint geraucht, das Leben ist relativ schön – bis sich Dimitri Karras und seine Gras-Connection gemeinsam mit seinem Freund Marcus Clay gewaltigen Ärger einhandeln. Selten hat ein Krimi mit ähnlicher Eindringlichkeit eine bestimmte Musik verlangt: Curtis Mayfield, Jimi Hendrix, Robin Trower, Gil Scott-Heron. Sicherlich liegt das zum einen daran, dass Marcus einen Plattenladen besitzt und im Verlauf der Geschichte ständig Musik aus irgendeinem Lautsprecher dringt. Doch vielmehr liegt das im Takt der Erzählung begründet, dem Unbeschreiblichen … – früher hätte man das als den „Beat“ des Schreibers und des Schreibens bezeichnet. Wie auch immer: große Kunst.
Bereits das Ende von „King Suckerman“ verbreitet Katerstimmung, die Pelecanos in „Eine süße Ewigkeit“ zur Grundtonalität ausspinnt – nachdem er sich in „Das große Umlegen“ dem organisierten Verbrechen im Nachkriegs-Washington gewidmet hatte. Dimitri ist inzwischen vom schlaffen Cannabis zum kolumbianischen Marschpulver gekommen, und entsprechend verläuft das neue „Abenteuer“ mit Kumpel Clay entlang einer kalten, schneidenden Kante. Die Welt dreht sich mit unerbittlicher Kraft: „Clay legte das Album ‚Impressions: Sixteen Greatest Hits‘ auf den Plattenspieler. Er liebte diesen Curtis Mayfield, liebte die ganze positive Musik, die Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger mit ihrer Botschaft von Begeisterung und Stolz von den Straßen kam. Er wusste, eigentlich sollte er sich als Besitzer von vier Plattenläden an die aktuelleren Stücke halten, aber die Wahrheit war, dass er einfach keine Beziehung zu ihnen fand.“
Der Soundtrack besteht ansonsten aus Talk Talk, Elvis Costello, Cameo und Dream Syndicate. Wie die Drogen sind auch die Umstände und Gegenspieler härter geworden. Ganz zu schweigen von der großen Tasche Geld, die erfahrungsgemäß nur ins Unglück führen kann. „Eine süße Ewigkeit“ ist ein würdiger Abschluss der wohl besten Trilogie, die jemals über griechische Einwandererfamilien sowie ihre Kinder, Freunde und Feinde geschrieben wurde. (Es dürfte nicht so viele geben, aber das soll die Größe nicht schmälern.)
Für Freunde der amerikanischen Originale gibt es noch die Geschichten um Nick Stefano zu entdecken, einem Privatdetektiv, der gern kifft, trinkt und Hard Rock hört. Der trifft dann auch auf Dimitri, inzwischen Vater, in „Shame The Devil“, einem Spin-off der Trilogie. Dazu dann in fünf Jahren mehr, wenn die deutsche Übersetzung erscheint.
George P. Pelecanos: „Eine süße Ewigkeit“. Aus dem Amerikanischen von Bernd W. Holzrichter. DuMont, Köln 2003, 336 S., 19,90 €