Das geheime Tagebuch der Carla Bruni: Letzter Abschied der Liebe
Eintrag der französischen Noch-Präsidentengattin am Tag nach dem Desaster: Nicis Niederlage, ihre Blamage und warum sie jetzt dringend Mamans Rat benötigt.
L iebes Tagebuch!
Ich hab es doch gewusst! Ich hab es doch die ganze Zeit gewusst! Dass Nici das nicht packen würde, war so klar wie Wachtelbrühe mit Kalbsklößchen und Efeujus! Aber er wollte ja nicht hören! Hat gemeint, mit ein bisschen Verständnisheucheln und Vor-den-kleinen-Leuten-im-Staub-Kriechen macht er die Berlusconi-Politik der letzten Jahre wett. All die Herabwürdigungen, die er ausgeteilt hat! Die Schampus-Politik, die er für seine reichen Freunde betrieben hat.
Und jetzt die Blamage! Vor einem Millionenpublikum. Vor ganz Europa. Und den Obamas. Dabei hat Nici die ganzen letzten Wochen so getan, als könne er noch was reißen. „Wart es ab, Carlita!“, hat er gesagt und von einem seiner großen Ohren zum anderen gestrahlt, „wart’s ab, ich hab da so eine Idee!“
Die Idee ging so: Er hat einen Rollstuhl aus irgendeinem Kellerloch bringen lassen. Voll verstaubt, rostig und mit so Riesenrädern, wie aus dem Ersten Weltkrieg. Aber bevor Minette mit dem Staubwedel da war, hat mein kleiner Mann sich hineinplumpsen lassen und mit dem Stolz eines Kronkorkensammlers verkündet: „Der ist von Charles de Gaulle!“ Dann hat er nach einer karierten Decke verlangt. Die hat er sich über die Beine legen lassen und zu mir gesagt: „Und, wer bin ich?!“
„Nici im Rollstuhl?“, habe ich vorsichtig gefragt. Worauf er wie ein begeistertes Kind rief: „Nein, nein! Weiter, weiter!“ „Charles de Gaulle?“ „Ach, Carla! Bin ich unter der Erde oder was?! Carla, ich bin Philippe!“ Natürlich musste ich nachfragen, wer denn Philippe nun schon wieder sei. „Na, der Millionär!“ Ich muss wohl immer noch blöd geguckt haben, denn er ergänzte: „’Ziemlich beste Freunde‘!“
Da ist zwar der Centime bei mir gefallen, aber was das sollte, wusste ich immer noch nicht. „Du schiebst mich, Carla! Wir machen auf behindert, und du bist der soziale Außenseiter. Das wird ein Riesending! Die Leute werden uns lieben. Also mich, meine ich!“
Liebes Tagebuch, ich muss ja wohl nicht erklären, warum ich sofort für ein paar Tage zu Maman gefahren bin. Ich halte hier ja nun schon länger einiges aus, und ein Wahlkampf ist beileibe keine Butterfahrt, aber das war der Moment, in dem ich wusste: Der ist plemplem. Der ist total plemplem.
Was mich am meisten an der Niederlage ärgert, ist ja nicht, dass ich bis vor kurzem noch Sozialistin war und, wäre ich mir nur ein wenig treu geblieben, jetzt an der Seite des Siegers stehen könnte. Als Wandermaskottchen, quasi. Nein, richtig ärgern tut mich, dass ich diesen Irrsinn so lang ausgehalten habe. Und für was? Für nichts! Dafür, dass wir als das „Paar Bling-Bling“ in die Geschichte eingehen. Wobei, immerhin Geschichtsbuch! Welches Supermodel kann schon von sich behaupten, neben der Marquise de Pompadour in der Riege der Damen französischer Oberhäupter zu stehen? Cindy Crawford jedenfalls nicht!
Ich jedenfalls habe das hier jahrelang mitgemacht, und jetzt, wo mehr als nur der Putz bröckelt, geht mir dieser Wicht noch mehr auf die Nerven. Wie der schon aussieht! Am schlimmsten ist es morgens. Der braucht zwanzig Minuten, bis sich das Gesicht entfaltet hat.
Wenigstens hab ich ihm das Kind abzapfen können. Nicht auszudenken, wenn mir gar nichts bliebe von meinem Einsatz. Soll ich gleich gehen oder noch ein wenig die Form wahren? Ein paar Monate mehr oder weniger… wobei, wenn ich mir überlege, dass der jetzt wie so ein Frührentner den ganzen Tag zu Hause rumlungert – in der Jogginghose – und bei „Palast-Ville“ seine Kiesauffahrt wässert und Enten für den Teich züchtet, dann regt mich das jetzt schon auf. Zuletzt hatte er ja nicht mehr viel Zeit für den Quatsch, aber seit Berlusconi ihm versprochen hat, ihm ein paar von seinen Gespielinnen für den Haremspavillon abzugeben, will er wieder einsteigen.
Ach, Tagebuch! Manchmal wünschte ich, er wäre tatsächlich über dem Wahlkampf zusammengebrochen und gestorben. Dann würde ich jetzt unter weltweiter Anteilnahme als Witwe die Fotos vom Kaminsims sammeln und nicht als Gattin eines gescheiterten Möchtegern-Napoleons vom Hof kriechen.
Aber Maman hat recht. Ich muss nach vorn blicken! Das ist wie eine Therapie, die man sich verordnet. Als Erstes sollte ich vielleicht den Sänger von der amerikanischen Band anrufen, den ich neulich bei Susette getroffen habe. Aber vielleicht warte ich auch noch ein, zwei Wochen. Das ein oder andere Kilo Babyspeck muss erst noch weg!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich