: Das falsche Pferd
Der US-Medienmogul Rupert Murdoch will seinen Sender Fox mit einem eigenen Reality-Soap-Kanal aus der Krise holen. Das könnte schief gehen
AUS NEW YORK CARLA PALM
In einer Zeit, in der viele Zuschauer in Deutschland und Amerika die ständig neuen Reality-Serien für eine Seuche des Fernsehprogramms halten, sieht ein Mann sie als neuen Heilsbringer: Rupert Murdoch. Auf seinem amerikanischen Network Fox laufen im Hauptabendprogramm gegenwärtig fast ausschließlich Reality-Sendungen aus dem prallen Leben, wie etwa „Nanny 911“, „Trading Spouses“ oder „Renovate My Family“. Auch „The Rebel Billionaire“ mit Virgin-Boss Richard Branson sowie „My Big Fat Obnoxious Boss“, bei denen Kandidaten um viel Geld und einen tollen Job kämpfen, gehören dazu. Nur der Donnerstagabend bleibt mit den beiden Spielfilmserien „The OC“ und „North Shore“ realityfrei.
Diese Programmpolitik sieht auf den ersten Blick nach purer Verzweiflung aus. Fox ist in den Quoten zurückgefallen und liegt in der Gunst der 18- bis 49-jährigen Zuschauer weit abgeschlagen hinter den Konkurrenzkanälen NBC, ABC und CBS. Nun will sich Murdoch mit Reality-Shows zurück an die Spitze der Vollprogramme kämpfen. „Eine riskante Strategie“, analysierte die New York Times. Das Genre sei beim Publikum ausgereizt und zudem unattraktiv für Werbekunden.
Gegenwärtig bestehen 60 Prozent des Herbstprogramms von Fox aus Reality-Shows. Was die Branche zunächst in ungläubiges Staunen versetzte, entpuppt sich langsam als sorgfältig entwickelter Plan. Irgendwie ergibt jetzt alles einen Sinn: Bereits im nächsten Frühjahr will Murdoch einen eigenen Reality-Kanal auf Sendung schicken.
„Wir arbeiten seit ein paar Jahren daran“, so Anthony Vinciquerra, Präsident der Fox Network Gruppe. Das Programm dazu besitzt er schon. Was jetzt auf Fox läuft, gilt als ein riesiger Testballon, der noch bis Januar halten muss. Dann laufen die neuen Staffeln von „24“ und „American Idol“ an, die erfolgreichsten Quotenbringer und damit das Lebenselixier von Fox.
Mit einem neuen Reality-Kanal, in den Murdoch 100 Millionen US-Dollar Startkapital stecken will, winken der Fox-Gruppe vor allem wirtschaftliche Vorteile, die die steigenden Produktionskosten der Reality-Shows ausgleichen könnten. Vor drei Jahren noch kostete eine Programmstunde Reality-TV rund 200.000 US-Dollar. Heute können die Sender je nach Aufwand und prominenter Beteiligung, für die sie tief in die Tasche greifen müssen, mit mehreren Millionen US-Dollar rechnen.
NBC gibt derzeit für eine Episode von „The Contender“, eine neue Box-Show, in der Sylvester Stallone und Sugar Ray Leonard die Kandidaten als Trainer betreuen, rund zwei Millionen US-Dollar aus. Donald Trump kassiert für seine Auftritte bei „The Apprentice“ allein 50.000 US-Dollar pro Folge.
Auf einem Spartenkanal könnte Fox nicht nur alte Shows fortführen. Überzeugend sind auch die vielfältigen Möglichkeiten der Wiederverwertung ganzer Staffeln mit zusätzlichem Material, wie Interviews der Teilnehmer oder die Vorauswahl der Kandidaten. Außerdem ist Fox dafür bekannt, dass seine Shows zur Dauerwerbesendung verkommen.
Richard Branson etwa gab in einem Fernsehinterview zu, dass er mit „The Rebel Billionaire“ vor allem seine Fluglinie Virgin-Air in den USA bekannter machen will. Mission gelungen: Pro Folge besteigen die Kandidaten mindestens zweimal ein Virgin-Flugzeug, das sie komfortabel von Kontinent zu Kontinent bringt. Virgin-Logos und Farben sind in der Show allgegenwärtig. Ob die amerikanischen Fernsehzuschauer den Trick durchschauen? Die Premiere von „Billionaire“ landete auf dem vorletzten Quotenplatz des Abends, und auch die zweite Folge blieb mit 5,1 Millionen Zuschauern hinter den Erwartungen zurück.