piwik no script img

Das aktuelle Heft der „arch+“Diskursives Entwerfen

Die Nummer 237 der „Arch+“ ist erschienen. Sie feiert ihren langjährigen Chefredakteur und Herausgeber Nikolaus Kuhnert.

Nikolaus Kuhnert. Ausschnitt aus einer Aufnahme aus dem Bildessay von Christian Werner Foto: Christian Werner

Arch+ weiß Geburtstage zu feiern, das zeigte die Redaktion vor zwei Jahren zum 50-jährigen Erscheinen der Architekturzeitschrift. Jetzt zeigte sie es wieder, mit der zweitägigen Konferenz Anfang November, anlässlich des 80. Geburtstags von Nikolaus Kuhnert, Mastermind der Zeitschrift. Die abendliche Podiumsdiskussion mit dem Jubilar, dem Architekten Arno Brandlhuber und Angelika Schnell, in den 1990er Jahren Redakteurin bei Arch+, drehte sich um die Frage „Wie entwerfen wir nachhaltig und sozial?“.

Eine hochaktuelle Frage, die uns alle betrifft. Eine Frage für Nikolaus Kuhnert. Denn er, der wie wenige den Architekturdiskurs immer als einen gesellschaftspolitischen verstand, entwickelte ja mit seinem Eintritt in die Redaktion von Arch+ klugerweise gleich das Medium samt Netzwerk aus Mitstreiter*innen und Mitarbeiter*innen, um ihn als solchen auch zu führen.

Dabei war es ihm grundsätzliches Anliegen, den gesellschaftspolitischen Architekturdiskurs auch als theoriegeleiteten zu führen. So ist Arch+ noch immer „für die Architektur das Pendant zur vielbewunderten und vermissten Suhrkampkultur der theoriehungrigen, extrempolitisierten siebziger Jahre“, wie der Architekturkritiker Gerwin Zohlen 2017 zum 50. Jubiläum schrieb.

Nach Ohnesorgs Tod

Wenn Kuhnert die Politisierung des Architekturdiskurses am Herzen lag, mag das seinem Aufwachsen geschuldet sein. Das wird im Heft Nr. 237 der Arch+, „Nikolaus Kuhnert. Eine architektonische Selbstbiografie“, das am gleichen Abend vorgestellt wurde, gleich im ersten Satz deutlich, wo zu lesen steht: „Ich wurde am 7. März 1939 als Kind meiner jüdischen Mutter Gerda Gumpert und meines katholischen Vaters Walter Kuhnert geboren.“

Das neue Heft

„Arch+“: „Nikolaus Kuhnert: Eine architektonische Selbstbiografie“. Heft Nr. 237, 22 Euro

Schikaniert und dabei existenziell gefährdet überleben Vater, Mutter und Sohn den Krieg. Der Vater der Mutter wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde. Aber auch in der Familie Kuhnert, der Vater arbeitete nach dem Krieg wieder als freiberuflicher Architekt, wurde später die Zeit zwischen 1933 und 1945 nicht thematisiert.

Als Nikolaus Kuhnert, der nach dem Abitur ein Architekturstudium abgebrochen hatte und im väterlichen Büro autodidaktisch als Architekt arbeitete, nach dem Tod von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 nur noch politisch aktiv war, da allerdings unterstützte ihn sein Vater – mit „einer Art kritischer Sympathie“.

Redaktionsmitglied bei Arch+

Kuhnert nahm sein Studium wieder auf und ging 1972 als Assistent an die RWTH Aachen, wo er gleichzeitig Redaktionsmitglied bei Arch+ wurde. Angefangen hat er bei Oswald Mathias Ungers, in dessen Seminaren er Anfang der 1960er Jahre eine neue Art kennenlernte, den Entwurf zu gestalten, nämlich diskursiv, in der Gruppe und nicht mehr einzeln, nach Vorgabe eines Programm oder eines Themas. Bei Otl Aicher sah er, dieses Programm war der sprachwissenschaftliche Diskurs, Ludwig Wittgensteins Architektur- und Sprachspiel.

Rem Koolhaas, Ungers-Schüler, der schreibende Architekt, der dem Entwurf, wenn nötig, Großrecherchen vorausgehen lässt, wird als gemeinsamer Gegner der Postmoderne zum Verbündeten. Dagegen steht die konservative Wende bei Ungers-Schüler Hans Kollhoff. Die Habermas’sche Forderung nach einer reflexiven Moderne führt zu Fragen nach Planungsfolgen, ökologischen oder sozialen Folgekosten und eröffnet neue Sichten auf Mies van der Rohes Farnsworth House.

In der Tradition der diskursiven architektonischen Tradition steht last but not least Arno Brandlhuber mit seiner These, dass Architektur ein Argument kommunizieren müsse. Brillant argumentiert, klar und verständlich niedergeschrieben, ist auch diese Selbstbiografie. Man muss sie lesen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!