Das abrupte Ende eines Aufbruchs: Myanmar protestiert mit Hashtags

Sven Hansen im Gespräch mit den Myanmar-Expert:innen Jasmin Lorch und Wolfram Schaffar zum Putsch des Militärs und der Rolle von Aung San Suu Kyi.

Myanmar: eine junge Demokratie zwischen Bewegung und Militär Foto: Reuters

Von KLAUDIA LAGOZINSKI

Nicht Demokratie, sondern Diktaturen sind das, was in Myanmar lange den Status Quo darstellte. Im Jahr 2015 änderte sich das. Das Volk wählte die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zur de facto Regierungschefin. Doch am Montag putsche das Militär wieder. „Es ist eine Art Déjà-Vu“, sagt Asien-Redakteur Sven Hansen, der den Abend moderierte.

Der Putsch am 1. Februar war nicht der erste, den das südostasiatische Land erlebte. Schon 1962 und 1988 übernahm das Militär im früheren Birma die Macht. Jedoch war das Neue an dieser Machtübernahme, dass sie durch digitale Medien, Hashtags sowie gefilmte Widerstandshandlungen in die Welt herausgetragen wurde.

Beziehung zwischen Regierungschefin und Militärchef war schon länger angespannt

Hansen moderierte den 97. taz-Talk „Nach dem Putsch in Myanmar“. Schnell zeichnete sich ab, dass das Verhältnis zwischen der unter Hausarrest gestellten legitimen de facto Regierungschefin Aung San Suu Kiy und Armeechef Min Aung Hlaing komplizierter ist, als es auf den ersten Blick scheint. „Wir sind damit konfrontiert, dass die Welt selten schwarz-weiß ist“, fasste Asien- und Politikwissenschaftler Wolfram Schaffar die aktuellen Ereignisse zusammen.

Eine Friedensnobelpreisträgerin und de facto Regierungschefin, die den Genozid an den Rohingya nicht verurteilt hat, ein Militär, das sich noch nicht an Demokratie gewöhnt und sich per Verfassung weitreichende Vollmachten wie eine Sperrminorität bei Verfassungsänderungen gesichert hat und eine Bevölkerung, die jetzt viel Lärm mit Kochtöpfen, Trillerpfeifen und Hupen macht und damit viral geht – wie passt das alles zusammen?

„Schon vorher hat das Militär versucht, die Wahlen vom November 2020 zu de-legitimieren“, sagte Jasmin Lorch, Research Fellow am GIGA-Institut für Asienstudien. Die frühere Beraterin von Entwicklungsorganisationen in Myanmar überrascht der Putsch nicht.

Der digitale Widerstand geht weiter

Statt auf die Straße trugen viele Menschen in Myanmar ihren Widerstand zunächst ins Internet, obwohl das Militär versuchte, das mit einer Facebook- und Internetsperre zu verhindern. Gründe für die Hashtags und Videos statt Demonstrationen auf offener Straße sind einerseits eine Vergangenheit, in der Proteste blutig niedergeschlagen wurden.

Andererseits könne der Protest so sowohl in die Welt als auch von einer Provinz in die andere getragen werden. Dass sich in Myanmar etwas ändern wird, wurde deutlich. Doch in welche Richtung das südostasiatische Land nun geht, wird sich zeigen. Zunächst geht der Protest weiter.

Im Gespräch

Jasmin Lorch ist promovierte Politologin und Research Fellow am GIGA-Institut für Asienstudien (Hamburg/Berlin)

Wolfram Schaffar, promovierter Asien- und Politikwissenschaftler am Asien-Orient-Institut der Universität Tübingen

Sven Hansen ist seit 1997 Asien-Redakteur der taz

Ein taz Talk der taz Panterstiftung in Kooperation mit HanSens Asientalk.

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