Das Wuppertal Institut wird zwanzig: Effizienzrebellen im Kohleland
Das ökologische Wuppertal Institut feiert mit einem Kongress sein 20. Jubiläum. Früher galten die Forscher noch als "spinnert", heute ist ihre Konsumkritik anerkannt.
KÖLN taz | Ein ökologisches Institut im Herzen des Kohlelands Nordrhein-Westfalen gegen den Widerstand vieler Sozialdemokraten - was Johannes Rau damals geritten hat, ist noch immer ein Rätsel. "Das hat mich überrascht", sagt Ernst-Ulrich von Weizsäcker, der vor 20 Jahren im Auftrag des damaligen Ministerpräsidenten Rau (SPD) das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gründete.
Mit ihren Studien wollten die Wuppertaler den ungezügeltem Konsum kritisieren. Ein Beispiel: Fünf Gramm bringt ein Ehering aus Gold auf die Waage. 2.000 Kilogramm Ressourcen hat seine Herstellung gekostet. In den Büros am Wuppertaler Döppersberg entstanden Gutachten gegen Straßenbauprojekte und den Braunkohletagebau: "Solche Ideen sind damals nicht auf Gegenliebe gestoßen", erinnert sich Gründungspräsident von Weizsäcker.
Selbst in der Wissenschaftsszene galten die Vorschläge aus dem Bergischen Anfang der 1990er Jahre noch als "nett, aber spinnert". Das änderte sich 1992, nach dem Welt-Umweltgipfel von Rio de Janeiro, Brasilien. Neben Ministerien und Umweltverbänden bestellten jetzt auch Energiekonzerne und Autobauer Studien bei von Weizsäcker und seinen Kollegen.
"Wir wollen die Probleme auf den Punkt bringen - nur so werden sie ernst genommen", sagt der heutige Präsident des Instituts, Uwe Schneidewind. Die Forscher wollen Konsumenten und Unternehmen bei der Hand nehmen. Sie locken mit verführerischen Rechnung: weniger Verbrauch, mehr Wachstum. Die "Effizienzrevolution".
Kritik am Institut
"Wir zeigen, dass der Lebenswandel ein lustvolles Projekt sein kann", sagt Schneidewind. Doch zur ökologischen Lust gehört auch Enthaltsamkeit - was der Wirtschaft zeitweise gegen den Strich ging. Als Johannes Rau 1998 als Ministerpräsident vom wirtschaftsnahen Wolfgang Clement (ehem. SPD) abgelöst wurde, vereiste das Verhältnis zur Staatskanzlei. Als der Wissenschaftsrat, ein Beratergremium der Politik, 2002 das Institut auch noch negativ bewertete, kürzte das Land die Gelder.
Schneidewind spricht von einem "kritischen Grundtenor in Politik und Wissenschaft" - gibt sich aber auch selbstkritisch: "Der Wissenschaftsrat hat Probleme bei uns aufgedeckt. Das war ein heilsamer Schock." Früher hing die Einrichtung am Tropf des Landes, heute kommen fast 80 Prozent von externen Auftraggebern.
Der erneuten Prüfung durch den Wissenschaftsrat Ende 2011 schaut Schneidewind entkrampft entgegen. Das 20-jährige Jubiläum feiern die "Effizienzrebellen" mit Konsumkritikern, Urgesteinen aus der Umweltbewegung, Architekten und Oberbürgermeistern - inzwischen wollen alle dabeisein bei der "Effizienzrevolution".
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