: Das „Wunder am Mekong“
In Kambodscha hat sich die Partei Hun Sens zur Wahlsiegerin erklärt. Die Opposition protestiert, doch die internationalen Wahlbeobachter sind zufrieden ■ Aus Phnom Penh Jutta Lietsch
„Wir werden das Ergebnis dieser Wahlen nicht anerkennen“, schwor ein sichtlich enttäuschter Prinz Ranariddh Norodom gestern in Phnom Penh und forderte, „die vielen Unregelmäßigkeiten“ bei der Abstimmung zu untersuchen, die ihn seiner Ansicht nach um den Sieg brachten. Auch sein Konkurrent im Wahlkampf, Ex-Finanzminister Sam Rainsy, kündigte verbittert an, er werde eine Liste von Wahlbehinderungen und Manipulationen vorlegen.
Zwei Tage nach den kambodschanischen Parlamentswahlen sind zwar noch keine offiziellen Ergebnisse bekannt, doch der Sieger steht bereits fest: der Zweite Premierminister Hun Sen. Seine Kambodschanische Volkspartei (CPP) ließ bereits am Montag abend ihre Liste der Wahlresultate in den 23 Provinzen und Städten des Landes durchsickern: Danach erzielte die CPP 66 der 122 Abgeordnetensitze und damit die absolute Mehrheit. An zweiter Stelle, aber mit gehörigem Abstand, folgte mit 43 Mandaten die Funcinpec-Partei des Prinzen, und weit abgeschlagen folgte die Sam-Rainsy-Partei.
Wie diese Zahlen zustande gekommen sind, darüber spekulierten und stritten gestern die BeobachterInnen in Phnom Penh. Denn es kursierten gleichzeitig mehrere unterschiedliche Listen. Wie konnte die CPP schon so genau wissen, wie hoch sie gewonnen hatte – wenn gleichzeitig die Nationale Wahlkommission kurzfristig erklärte, sie könne die versprochenen Resultate nicht bekanntgeben, weil sie noch „zu unklar“ seien?
Dennoch standen Prinz Ranariddh und Sam Rainsy gestern auf verlorenem Posten: Einflußreiche Gruppen internationaler Wahlbeobachter lobten die Wahlen – mit Einschränkungen – und forderten die Verlierer auf, das Resultat anzuerkennen: Die Wahlen seien „insoweit frei und fair gewesen, als sie glaubwürdig den Willen des kambodschanischen Volkes widerspiegeln“, erklärte Sven Linder für die von der UNO koordinierten 500 Wahlbeobachter aus der Europäischen Union, den südostasiatischen Asean-Staaten und Ländern wie Kanada und Australien. Daher sollten „alle Parteien die Wahlergebnisse ohne jeden Versuch, das ursprüngliche Ergebnis zu unterminieren, akzeptieren und honorieren“.
Auch eine 60köpfige Beobachtergruppe aus den USA unter Vorsitz des Politikers Steven Solarz zeigte sich zufrieden. Zwar beklagten sie die Einschüchterungen und die politische Gewalt vor den Wahlen und verlangte, alle Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung zu untersuchen. Doch offensichtlich überwältigt von der großen Wahlbeteiligung und dem überwiegend gut organisierten Ablauf sprach Solarz von einem „Wunder am Mekong“ und „Akt der Selbstbestimmung“. Gleichzeitig deutete er an, daß die USA die nach dem Putsch 1997 verhängten Sanktionen wieder aufheben könnten.
Kritischer beurteilten unabhängige ausländische und kamboschanische Bürgerrechts- und Wahlbeobachtergruppen die Entwicklung. Sie sammelten gestern noch Berichte von Wahlbehinderungen in entlegenen Regionen des Landes. Trotz des Streits um das Wahlergebnis war gestern aber in Phnom Penh deutliche Erleichterung zu spüren. „Ich bin froh, daß Hun Sen nicht zu viel verloren hat“, sagte ein kambodschanischer Übersetzer, der nach eigenen Angaben „für die Opposition“ gestimmt hatte. „Jetzt gibt es keinen gewaltsamen Kampf um die Macht.“
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