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Das Wippen von Vegesack

■ Der Bluesmusiker Charlie Wood spielte am Sonntag im KITO auf einer schön dreckig klingenden Hammond-Orgel einen in Kopf und Beine gehenden Memphis-Sound

Es gibt Konzerte, deren Güte man daran messen kann, wieviele Körperteile im Publikum mitwippen. Am Sonntag abend waren die Stuhlreihen des KITO zwar alles andere als gefüllt, dafür war der junge amerikanische Sänger und Hammond-Organist Charlie Wood schlicht noch zu unbekannt. Aber bei den paar Dutzend ZuhörerInnen gab es kaum eine Schulter oder einen Fuß, die nicht Zeugnis dafür ablegten, wie unwiderstehlich diese Musik einem in die Glieder fuhr.

Vielleicht muß man in Memphis geboren sein, um so selbstverständlich zwischen Soul, Blues und Jazz swingen zu können wie Wood. Da ist es dann egal, ob man Afroamerikaner oder ein Weißer wie Wood ist. Dieser sollte von Haus aus schön brav ein klassischer Pianist werden, aber in Memphis ist die Luft so getränkt vom Blues eines Mose Allison und dem Soulgesang eines Ray Charles, daß Wood sich lieber eine alte Hammond B3 Orgel schnappte und darauf lernte, möglichst dreckig zu spielen. Dieser Sound, der einen direkt in die sechziger Jahre zurückzuversetzten scheint, ist das Markenzeichen der Musik von Charlie Wood. Er hat auch eine ausdrucksstarke Bluesstimme, und seine Songs sind so variantenreich, daß die immergleichen Bluesformeln nie zu deutlich durchscheinen. Aber Wood kann auf der Orgel noch intensiver singen und Geschichten erzählen als mit seinem Gesang, und bei ihm hat das Instrument solch einen warmen, organischen Klang wie bei den alten Meistern Jimmy Smith oder Booker T. An dessen Tradition (die Gruppe „Booker T. and the M.G.s“ hat den „Memphis Sound“ entwickelt) schließt Wood an.

Wood und seine Band mischten geschickt die verschiedenen Einflüsse: Neben den Eigenkompositionen spielten sie auch Jazzklassiker wie Donald Byrds „Black Jack“ oder traditionelle Bluesballaden wie „Willow weep for me“. Bei diesen Stücken, die ohne Gesang interpretiert wurden, übernahm Tenorsaxophonist Bob Rockwell die Leitung der Band; ein Bläser mit einem ähnlichen Temperament und Witz wie Maceo Parker. Er war mit Sonnenbrille, schwarzem Hemd und bunter Krawatte auch eindeutig der coolste Mann auf der Bühne, während der Drummer Keith Copeland und Bassist Bo Stief eher zurückhaltend den solide geknüpften Rhythmusteppich lieferten. Wirklich neue Töne sind von solch einem Auftritt nicht zu erwarten, und das war wohl auch jedem Zuhörer klar. Aber diese Musik wirkt halt immer noch am besten life gespielt. Und in guter Gesellschaft wippt es sich viel angenehmer.

Wilfried „wipping“ Hippen

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