piwik no script img

Das Wegsperren beendenKinder raus aus der Haasenburg

Grüne fordern nach taz-Bericht, Hamburger Kinder aus dem Brandenburger Heim zurückzuholen. Der Senat soll Alternativen zu geschlossenen Heimen schaffen.

Soll nicht länger Hamburger Kinder "begrenzen": Heim der Haasenburg. Bild: Wolfgang Borrs

HAMBURG taz | Nach den jüngsten taz-Berichten zu den Jugendheimen der Haasenburg GmbH fordern die Grünen den Hamburger Senat auf, keine Kinder mehr in die brandenburgischen Heime zu schicken. „Was in der Haasenburg unter dem Namen Jugendhilfe läuft, hat mit Hilfen nichts mehr zu tun“, sagt Jugendpolitikerin Christiane Blömeke. Hamburg müsse seine Kinder schnellstmöglich aus dem Heim holen. „Es ist erschütternd, welche brachialen Maßnahmen offenbar in der Haasenburg zum Einsatz kommen, um den Willen der Kinder zu brechen und sie zur Anpassung zu zwingen“, so die Grüne. „Isolationsmaßnahmen und repressive Erziehungsmethoden sind völlig unangemessen. Wir haben die Feuerbergstraße nicht geschlossen, um sie an anderer Stelle wieder und noch schlimmer aufleben zu lassen.“ Das Heim in der Feuerbergstraße hatte Hamburg 2008 geschlossen und faktisch durch die Nutzung der Haasenburg ersetzt.

Hamburger Aufsicht

Wie berichtet, plant der Senat eine eigene Aufsichtskommission nach Brandenburg zu entsenden, weil Hamburg sehr viele Kinder dort hinschickt. Aktuell sind es zwölf. Doch deren designierter Vorsitzender Michael Lindenberg hat in Folge der taz-Berichterstattung entschieden, diese Aufgabe nicht anzunehmen. Nachdem er Einsicht in Unterlagen aus der Haasenburg genommen hatte, schrieb er an die Sozialbehörde: „Für mich steht fest, dass die dortige Praxis wohl kaum durch Besuche der Aufsichtskommission soweit geändert werden kann, dass sie den Ansprüchen für wohlverstandene Kinder- und Jugendhilfe zu entsprechen vermag.“ Eine solche Kommission sei „bestenfalls von Alibi- Nutzen für die Einrichtung selbst“, schreibt der Professor der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit.

Die Hamburger Sozialbehörde erklärte auf Nachfrage, man sei „nach wie vor dabei“, eine Aufsichtskommission einzusetzen. „An diesem Vorhaben hat sich nichts geändert“, sagt Sprecherin Nicole Serocka. „Da dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, werden wir uns darüber hinaus zu dem Thema momentan nicht äußern.“ Auch nicht zur Forderung der Grünen.

Wie berichtet liegen der taz zahlreiche Protokolle vor, die den Alltag in der Brandenburger Heimfirma bis Ende 2010 beschreiben. Die Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 Jahren wurden rigide diszipliniert, unter anderem auf Fixierliegen festgeschnallt. Sogar bei Schwangeren kam es demnach zu körperlichen „Begrenzungen“ durch Erzieher auf dem Boden.

Die Aufsichtskommission wird auf Druck von Grünen und Linken wieder eingerichtet. Doch die Grünen fordern nun mehr: „Aufgrund der aktuellen Vorwürfe ist es nicht zu verantworten, dass Minderjährige aus Hamburg weiterhin dort betreut werden“, heißt es in dem Antrag, der diese Woche in die Bürgerschaft eingebracht wird. „Der Senat ist aufgefordert, unverzüglich alternative Betreuungsmaßnahmen für die verbliebenen Minderjährigen zu finden.“

Grüne wollen keine Heime

Als Alternative zur geschlossenen Heimunterbringung kämen zum Beispiel „intensiv-betreute Wohngruppen“ in Frage, in denen Kinder und Jugendliche rund um die Uhr, nach verbindlichen Regeln, in einem klar strukturierten Tagesablauf und von multiprofessionellen Teams betreut werden. Gar nichts halten die Grünen dagegen von einem erneuten geschlossenen Heim in Hamburg. Denn dort gehe es in erster Linie um Freiheitsentzug, der Probleme „nicht löst, sondern sie konserviert und verschärft“, so der Antrag.

Auch Die Linke fordert, die Jugendlichen sofort aus dem Heim abzuziehen. Landes-Chef Bela Rogalla sagt, seit 2008 seien über 50 Kinder und Jugendliche aus Hamburg in Heimen der Haasenburg GmbH „offensichtlich rechtswidrigem Zwang und Gewalt ausgesetzt“ worden. „Diese Missachtung von Kinderrechten muss sofort beendet werden!“

„Aus den Augen, aus dem Sinn“: Diskussion zur geschlossenen Unterbringung mit Michael Lindenberg, Kaija Kutter und anderen, heute, 20 Uhr, Curio-Haus, Rothenbaumschaussee 15, Hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • EO
    Exheimkind Ost

    In der Hasenburg (wieso werden eigentlich solch niedliche Tiere für solche heime mißbraucht??) sind Dinge geschehen, die auch in den 60-igern geschahen. Ich selbst habe allein während eines dreimonatigen Aufenthaltes in einer orthopädischen Klinik bei Berlin mehrere Fixierungen erlebt - mit Mullbinden an Füßen und Händen aber auch mit Lederriemen. Der Grund war, wir waren 6 Kinder in einem Raum und den Schwestern gegenüber nicht "artig" genug, wohl etwas zu unruhig. Wir waren zwischen 6 und 8 Jahre alt, ganz normale Kinder mit einer leichten phys. Schädigung und daher waren wir zur Geesung auch in der Klinik. Stundenlang im Bett angeschnallt auszuharren war für mich eine Katastrophe! Umso mehr rebellierte ich später und wurde daher wirklich psychisch auffällig, so dass ich dann Wochen darauf in eine Psychiatrie eingewiesen wurde, in der ich aber nur drei Wochen verbrachte. Allerdings war die eigentliche Ursache dafür eine etwas andere. Was ich dort erlebte, kann man sich wohl denken....

  • SL
    Simon Lissner

    In meinem, im Rahmen Grüner Netzwerkseiten veröffentlichten Beitrag zum Thema ("Schuldig in einem minderschweren Fall", http://www.gruene-linke.de/2013/05/12/schuldig-in-einem-minder-schweren-fall/ und unter dem Titel "Heimkinder vergessen und verlassen" http://gruen-links-denken.de/2013/heimkinder-verlassen-und-vergessen/) schrieb ich:

    "Dieses Fass muss wieder aufgemacht werden. Es muss wieder aufgemacht werden, gerade auch, weil der konservative Ruf nach sog. „Bootcamps“ und „verschärften Erziehungsmaßnahmen“ immer wieder laut wird und zu aller größtem Misstrauen heraus fordert." Nicht ahnend, dass wir offenbar hier weiter sind, als ich vermutet habe. Die kaum verarbeitete Schande dieser Gesellschaft, die darin gipfelte, die Heimkinder der Ära 1945 bis Ende der 1970iger Jahre mit einem ziemlich windigen "Kompromiss" abzuspeisen und das systematische staatliche und kirchliche Unrecht an den damals betroffenen Kindern strikt zu leugnen (nach dem Motto das "waren alles nur bedauerliche Einzelfälle in einem ungünstigen gesellschaftlichen Sozialklima"), wird nun bereits allem Anschein nach als Signal mißverstanden, die gleichen menschenrechtswidrigen Praktiken einzuführen. Und ob Thomas Ebert sich mit der hinter uns liegenden Praxis in der Heim"erziehung" beschäftigt hat, weiß ich nicht. Aber seine Argumente der Rechtfertigung gewalttätiger Praktiken tönen nachgerade nicht anders, als die Rechtfertigungen seinerzeit. Also: Wehret den Anfängen. Niemals wieder darf es geschlossene Heime und gewalttätige Praktiken unter Duldung von Staat und Kirchen geben!

  • AU
    Andreas Urstadt

    In der Formel 1 oder auch i Z schwerer LKW auf Autobahnen, besonders an Gefaellstrecken und Bruecken laesst man sich eine Menge einfallen, um zu viel Energie schnell und schadenlos abzufangen, da wird Flaeche nicht eingeschraenkt, da wird Zusatzflaeche gemacht und kein Ausnahmezustand konstruiert und auch nichts ausgelagert. Die Loesungen kommen aus allen Richtungen, auch aus dem Design.

     

    Bei Loesungen fuer die Jugendlichen ging eine ganze Menge.

     

    Wichtig ist mir hier nur der Punkt:

     

    vgl. s. o. da wird Zusatzflaeche frei gemacht und keine Bewegung durch Begrenzungen usw eingeschraenkt - es gibt keine Fixierungen usw und Friktion bei den Loesungen wird vermieden

     

    Bei der Philosophie der leider geschlossenen Hfg Ulm wurde im Prinzip die Moeglichkeit der Reichweite von Loesungen in den Sozialbereich nicht ausgeschlossen

     

    (Funder der Hfg Ulm waren die Ueberlebenden der Familie von Sophie u Hans Scholl, Einstein, otl aicher usw) - man dachte so weit

     

    Es geht eben nicht darum, s. o. Energie zu brechen, das ist ein ganz anderer Ansatz

     

    Das als nur ein Punkt dazu (es wuerde zu viel)

     

    (es sind nicht die Jugendlichen, die versagt haben)

  • L
    Liane

    Lieber Herr Ebert, auch in einer "Klappse" also Psychiatrie, darf man niemanden ohne richterlichen Beschluss nach Lust und Laune fixieren. Dafür müssen schon bestimmte Bedingungen gegeben sein. Und um die Jugendlichen in die Gesellschaft zu Integrieren braucht man aus meiner Sicht keine Zwangsmaßnahmen. So kann eine Gesellschaft einfach nciht fnuktionuieren. Haben Sie sich denn schon mal gefragt, wie diese Kinder so delinquent geworden sind. Vermutlcih druch schwere traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Und genau dieses Trauma setzt sich jetzt in einer Einrichtung fort, die den Kindern eigentlich helfen sollte und ihnen andere Wege, als Gewalt aufzeigen sollte.

  • TE
    Thomas Ebert

    Der Bereich, der sich mit schwer gestörten/traumatisierten Kindern und Jugendlichen beschäftgt, ist sehr komplex. Die in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH, und vergleichbaren anderen Häusern, untergebrachten "Klienten" sind nicht arme Waisenkinder. Es handelt sich in der Regel um stark Selbst- bzw. Fremdgefährdende junge Menschen. Menschen die in Krisensituationen teilweise völligen Kontrollverlust erleiden. Früher wären sie in die Klappse gesteckt worden, dort sediert oder fixiert. Glücklicherweise ist das nicht mehr so. Die Arbeit mit solchen Heranwachsenden verlangt den Sozialpädagogen einiges ab. Versuchen Sie mal einen ausrastenden Jugendlichen, der mit allem wirft was ihm in die Hände kommt, der schlägt, beisst und kratzt, ohne Verletzungen zu bändigen. Es geht darum, solchen Jugendlichen ein Mindestmaß an Sozialverhalten einzuprägen, ihnen Problemlösungsstrategien aufzuzeigen. Hierzu wird eine geschlossene Unterbringung von Fall zu Fall die beste Lösung sein. Die Methoden zur Erreichung der Ziele sind allerdings zu überprüfen und ggf. zu ändern. So ist die komplette Kontrolle/Zensur der sozialen Kontakte nach meiner Meinung unnötig, zum Teil sogar kontraproduktiv.

    Es ist sooo einfach sich zu empören, aber bitte erst richtig informieren, dann evtl. empören.

  • FD
    Finde den Fehler

    "...weil Hamburg sehr viele Kinder dort hinschickt. Aktuell sind es zwölf."

     

    Hamburg hat 1.7 Millionen Einwohner.

     

    Da dürfte es mit Sicherheit mehrere Hundert problematische, schwer erziehbare Jungendliche ohne intaktes Umfeld etc. geben.

     

    In diesem Kontext sind 12 nicht "sehr viele".

  • LM
    Lieschen Müller

    Dann werden diese kinder auf die straße gehen, kriminell leben, ganz so einfach ist es nicht mit dem öffnen der geschlossenen heime. Nicht falsch verstehen, ich bin gegen die haasenburg oder besser gegen das abzocken der haasenburg von geldern, die besser in therapien gesteckt werden müßten. Aber es ist wie mit der inclusion,am ende werden die tatsächlich dort arbeitenden im regen stehen gelassen.

    Weil alles zu teuer ist!